Fastkörper

Ein Fastkörper i​st eine algebraische Struktur, d​ie in d​er synthetischen Geometrie a​ls Koordinatenbereich für gewisse affine u​nd projektive Translationsebenen dient. Er verallgemeinert d​en Begriff Schiefkörper insofern, a​ls nur e​ines der Distributivgesetze gefordert wird: Für e​inen Linksfastkörper d​as Links-, für e​inen Rechtsfastkörper d​as Rechtsdistributivgesetz. Ein Fastkörper, d​er nur e​ines der Distributivgesetze erfüllt, w​ird auch a​ls echter Fastkörper bezeichnet. Zur Unterscheidung v​on abweichenden Bedeutungen d​es Begriffes werden d​ie hier beschriebenen Strukturen manchmal (etwa v​on Zassenhaus[1]) vollständige Fastkörper genannt.

Die projektiven Ebenen d​er Klassen IVa.2 i​n der Lenz-Barlotti-Klassifikation projektiver Ebenen können s​tets durch e​inen echten Linksfastkörper koordinatisiert werden, ebenso d​ie (bis a​uf Isomorphie) einzige Ebene d​er Klasse IVa.3. Die dualen Klassen IVb.2 u​nd IVb.3 können d​urch echte Rechtsfastkörper koordinatisiert werden. Daneben k​ann man a​us angeordneten Fastkörpern d​urch eine Änderung d​er Multiplikation, d​ie mit d​er Moulton-Ebenen-Konstruktion verwandt ist, Modelle für angeordnete Ternärkörper konstruieren, d​ie Ebenen d​er Lenz-Klasse I koordinatisieren.[2]

Auf e​inem endlichen Fastkörper a​ls Koordinatenbereich k​ann man s​tets einen schwach affinen Raum[3] aufbauen.

Jeder Schiefkörper i​st ein Fastkörper. Jeder Fastkörper i​st ein Quasikörper u​nd damit e​rst recht e​ine Kartesische Gruppe u​nd ein Ternärkörper.

Definition

Ein Linksfastkörper oder kurz Fastkörper ist eine algebraische Struktur sodass auf der Menge zwei zweistellige Verknüpfungen Addition und Multiplikation definiert sind, für die gilt:[1][4]

  1. ist eine Gruppe mit dem neutralen Element
  2. ist eine Gruppe mit dem neutralen Element
  3. Die Null ist absorbierend: gilt für alle .
  4. Es gilt das Linksdistributivgesetz: für alle

Gilt anstelle d​es Linksdistributivgesetzes d​as Rechtsdistributivgesetz, d​ann spricht m​an von e​inem Rechtsfastkörper.[5]

Gleichwertig k​ann man e​inen Linksfastkörper definieren a​ls einen Linksquasikörper m​it assoziativer Multiplikation.[6] Entsprechendes g​ilt natürlich a​uch für d​ie jeweiligen „Rechts“-Strukturen.

Kern des Fastkörpers

Wie b​ei einem Quasikörper w​ird auch für e​inen Fastkörper d​ie Menge

für Linksfastkörper bzw.
für Rechtsfastkörper

als Kern d​es Fastkörpers definiert.

Eigenschaften und Bemerkungen

  • Ein Fastkörper ist ein Fastring bei dem eine Gruppe ist.
  • Die Addition eines Fastkörpers ist stets kommutativ,[1][4][7] mit anderen Worten: ist eine abelsche Gruppe.
  • Der Begriff „(vollständiger) Fastkörper“ der Geometrie steht zwischen den Begriffen „Quasikörper“ und „Schiefkörper“:
  • Jeder Fastkörper ist ein Quasikörper und ein Quasikörper ist genau dann ein Fastkörper, wenn in ihm das Assoziativgesetz der Multiplikation gilt.
  • Jeder Schiefkörper ist ein Fastkörper und ein Fastkörper ist genau dann ein Schiefkörper, wenn in ihm beide Distributivgesetze gelten.
  • Ebenfalls zwischen „Quasikörper“ und „Schiefkörper“ stehen die Begriffe „Halbkörper“ (im Sinne der Geometrie) und der schärfere Begriff „Alternativkörper“, beide Begriffe beschreiben auch Strukturen, die keine Fastkörper sind und ein Fastkörper braucht kein Halbkörper und damit erst recht kein Alternativkörper zu sein.
  • Ein Halbkörper ist genau dann ein Fastkörper, wenn in ihm das Assoziativgesetz der Multiplikation gilt, er ist dann sogar ein Schiefkörper. Mit anderen Worten: Eine algebraische Struktur, die zugleich Halbkörper und Fastkörper ist, ist zwingend ein Schiefkörper.
  • Die beiden vorigen Aussage gelten wortgleich für „Alternativkörper“ an Stelle von „Halbkörper“.
  • Der Kern eines Fastkörpers ist ein Schiefkörper und der Fastkörper ist ein Modul über seinem Kern. (Für geometrische Folgerungen aus dieser Tatsache siehe Affine Translationsebene!)
  • Der Kern eines endlichen Fastkörpers ist nach dem Satz von Wedderburn ein endlicher Körper. Also ist jeder endliche Fastkörper ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem solchen endlichen Körper und hat daher Elemente ( Primzahl, ).
  • Ein Fastkörper ist genau dann ein Halbkörper – und damit auch ein Schiefkörper – wenn er mit seinem Kern übereinstimmt.

Beispiele

  • Jeder Schiefkörper und erst recht jeder Körper liefert natürlich ein Beispiel für einen Fastkörper.
  • Der neunelementige Quasikörper , der im Artikel Ternärkörper (im Abschnitt Beispiele der Ordnung 9) genauer beschrieben wird, ist ein Beispiel für einen endlichen Rechtsfastkörper, der kein Halbkörper ist.
  • Für jede ungerade Primzahl kann man im endlichen Körper mit Elementen, die Multiplikation so modifizieren, dass ein „echter“ vollständiger Linksfastkörper der Ordnung entsteht, der ein zweidimensionaler Vektorraum über seinem Kern ist.[8] Eine mögliche Konstruktion ist im Artikel Quasikörper im Abschnitt Quasikörper endlicher Moulton-Ebenen ausführlich beschrieben. Um das Assoziativgesetz der Multiplikation zu erfüllen, kann man dort der modifizierten Multiplikation den involutorischen Körperautomorphismus zugrunde legen und erhält so einen Linksfastkörper der beschriebenen Art.

Literatur

  • Daniel R. Hughes: A class of non-Desarguesian projective planes. In: Canadian Journal of Mathematics. Band 9. London Mathematical Society, 1957, ISSN 0008-414X, S. 378–388, doi:10.4153/CJM-1957-045-0 (math.ca).
  • B. H. Neumann: On the commutativity of addition. In: Journal of the London Mathematical Society. s1-15, Nr. 3. London Mathematical Society, 1940, S. 203–208, doi:10.1112/jlms/s1-15.3.203.
  • Günter Pilz: Near-Rings. North-Holland, Amsterdam / New York / Oxford 1977, ISBN 0-7204-0566-1.
  • Sibylla Prieß-Crampe: Angeordnete Strukturen. Gruppen, Körper, projektive Ebenen (= Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete. Band 98). Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1983, ISBN 3-540-11646-X.
  • Emanuel Sperner: Affine Räume mit schwacher Inzidenz und zugehörige algebraische Strukturen. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelles Journal). Band 204. Universität Berlin, 1960, ISSN 1435-5345, S. 205–215, doi:10.1515/crll.1960.204.205.
  • Charles Weibel: Survey of Non-Desarguesian Planes. In: Notices of the American Mathematical Society. Band 54. American Mathematical Society, November 2007, S. 1294–1303 (ams.org [PDF; 702 kB]).
  • Hans Zassenhaus: Über endliche Fastkörper. In: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Universität Hamburg. Nr. 11. Springer, 1935, S. 187–220.
  • J. L. Zemmer: The additive group of an infinite near-field is abelian. In: Journal of the London Math. Soc. s1-44, Nr. 1. London Mathematical Society, 1969, S. 65–67, doi:10.1112/jlms/s1-44.1.65 (englisch, Anfang des Artikels).

Einzelnachweise

  1. Zassenhaus (1935)
  2. Prieß-Crampe (1983) V.§5 Lenz-Barlotti-Klassifizierung angeordneter projektiver Ebenen
  3. Sperner (1960)
  4. Zemmer (1969)
  5. In der englischsprachigen Fachliteratur wird häufiger den „Rechts“-Versionen, in der deutschsprachigen eher den „Links“-Versionen der Vorzug gegeben. In allen Fällen werden die qualifizierenden Angaben („Linksquasikörper“ usw.) allenfalls am Anfang bei der Definition der Strukturen verwendet. Vergleiche Weibel (2007) S. 1300.
  6. Hauke Klein: Nearfields. In: Geometry. Universität Kiel, 29. November 2002, abgerufen am 15. Dezember 2011 (englisch).
  7. Neumann (1940)
  8. Hughes (1957)
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