Esteban Volkov
Esteban Volkov (* 7. März 1926 in Moskau als Wsewolod Platonowitsch Wolkow; russisch Всеволод Платонович Волков) ist ein mexikanischer Chemiker und ein Enkel des russischen Revolutionärs Leo Trotzki.
Leben
Volkov ist der Sohn von Trotzkis Tochter Sinaida Wolkowa und Platon Iwanowitsch Wolkow. Nachdem der sowjetische Diktator Josef Stalin Ende der 20er Jahre die Entmachtung und Ausweisung seines politischen Gegners Trotzki durchgesetzt hatte, begann er sich auch an dessen Verwandten zu rächen. Platon wurde bereits 1928 nach Sibirien verbannt, nach mehreren Verhaftungen wurde er 1936 erschossen. Sinaida wurde die Ausreise aus der Sowjetunion 1931 nur unter der Bedingung gewährt, dass sie eins ihrer Kinder – quasi als Geisel – zurückließe. Sie entschied sich, Wsewolod mit zu Trotzki auf die türkische Insel Prinkipo zu nehmen.[1] Alexandra, ihre Tochter aus erster Ehe, lebte dann für kurze Zeit bei ihrem Vater, Sachar Moglin, bis auch er verhaftet (und später erschossen) wurde.[2][3]
Sinaida siedelte zur Behandlung ihrer psychischen Probleme nach Berlin über, zu ihrem Halbbruder Leo Sedow. Die sowjetischen Behörden entzogen ihr die Staatsbürgerschaft und machten die Rückkehr nach Russland unmöglich. Verzweifelt und an Lungentuberkulose leidend beging sie im Januar 1933 Suizid. Wenige Wochen später bauten die Nazis ihre Diktatur in Deutschland in kurzer Zeit aus. Leo Sedow konnte noch rechtzeitig ins Ausland fliehen. Auf Trotzkis Bitte hin nahmen Anhänger Wilhelm Reichs Wsewolod in Wien auf, wo er eine Montessori-Schule besuchte. 1935 wurde die Lage auch dort unsicher. Er zog daher zu Sedow nach Paris um.[4]
Leo Sedow war als Trotzkis Sohn und Mitarbeiter sowohl von Nazis als auch Stalinisten bedroht. Im Februar 1938 starb er unter mysteriösen Umständen, vermutlich vergiftet von letzteren. Sedows Witwe behielt Wsewolod zuerst bei sich, im August 1939 brachte ihn dann Alfred Rosmer zu Trotzki und seiner Frau Natalja Sedowa nach Mexiko.[5] Dort wohnten sie in dem festungsartig umgebauten Haus von Frida Kahlo und Diego Rivera in Coyoacán, im Süden von Mexiko-Stadt.
Am 24. Mai 1940 überfiel ein von dem bekannten Maler Alfaro Siqueiros kommandierter Trupp stalinistischer Agenten das Haus, um Trotzki zu ermorden. Volkov wurde dabei wie sein Großvater im benachbarten Zimmer von Schüssen leicht verletzt, ebenso wie dieser am Bein.[6] Drei Monate später war jedoch ein weiteres Attentat durch Ramón Mercader erfolgreich: Leo Trotzki erlag am 21. August 1940 seinen schweren Kopfverletzungen. Wsewolod/Esteban lebte auch zu diesem Zeitpunkt im selben Haus.
Wsewolod/Esteban Volkov lebte noch bis in die 70er Jahre in diesem Haus. Russisch hatte er verlernt; er nannte sich in Mexiko Esteban, was ähnlich wie die Kurzform Seva seines russischen Namens klingt.[7]
Esteban wurde Chemiker, wobei er sich auf die Synthetisierung von Hormonen in der mexikanischen Pharmaindustrie spezialisierte und einen wichtigen Beitrag zur industriellen Herstellung der Antibabypille leistete. Nebenher widmete er sich dem Aufbau des Museo Casa de León Trotsky, dem er seit seiner Pensionierung 1989 als Kurator zur Seite steht.[4]
Ende 1988 wurde es ihm ermöglicht, seine Halbschwester in der Sowjetunion noch einmal zu sehen. Alexandra Moglina starb im März 1989, sie hatte Jahre in Gefängnissen und in Verbannung verbracht, bis sie nach Stalins Tod rehabilitiert wurde.
Familie
Volkov war mit der 1997 verstorbenen Modedesignerin Palmira Fernández verheiratet. Ihre vier Töchter sind: Die Autorin Verónica Volkow, die Suchtforscherin Nora Volkow, sowie die Zwillinge Natalia (stellvertretende Direktorin beim mexikanischen Nationalinstitut für Statistik und Geographie) und Patricia (eine Ärztin und AIDS-Expertin).[8]
Einzelnachweise
- Greg Oxley: Esteban Volkov: Return to Prinkipo. In: marxist.com, 1. Februar 2014.
- Trotsky’s Grandson in Moscow. A Conversation with Esteban Volkov. In: marxist.org, 28. Dezember 2002 (Quelle: Workers Vanguard (USA) no. 474, 31. März 1989).
- Wolfgang und Petra Lubitz: Genealogy of Trotsky's Family. In: trotskyana.net, 2004 (leicht überarbeitet im September 2021).
- Esteban Volkov: "Ich habe nur diese eine Geschichte zu erzählen": In: korso – Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark, 12. Dezember 2007.
- Esteban Volkov: Reflection on the Legacy of Leon Trotsky (Memento vom 12. August 2010 im Internet Archive). In: Labor Standard, von Esteban Volkov, abgerufen am 17. Februar 2021
- Alan Woods: The House in Coyoacan - Reflections on Trotsky's last years. In: marxist.com, 16. Juni 2009.
- Esteban Volkov: My grandfather the revolutionary. In: The Guardian, 13. Februar 2003.
- Nora Volkow: Two paths to the future (Memento vom 7. Mai 2011 im Internet Archive). In: Lens, Februar 2006, abgerufen am 17. Februar 2021
Weblinks
- Esteban Volkov in der Internet Movie Database (englisch)
- Internetseite des Museums Trotzki-Haus (engl., franz. und spanisch)
- Anne Huffschmid: "Der letzte Trotzki", 13. November 2004
- Volkovs Bericht von der Ermordung Trotzkis BBC Witness (MP3, 4,3 MB)
- Trotsky's assassination remembered by his grandson – video guardian.co.uk, 20. August 2012