Epaulette
Eine Epaulette (veraltet das Epaulett; frz. épaulette, zu épaule „Schulter“) ist ein Schulterstück einer Uniform. Im Deutschen bezeichnet man so üblicherweise eine spezielle Form, die sich von der einfachen „Schulterklappe“ unterscheidet.
Aufbau und Trageweise
Eine Epaulette besteht im Wesentlichen aus vier Elementen:
- Schieber bzw. (selten) Zunge[3], entstanden aus der Versteifung der ledernen oder tuchenen Knopfleiste. Fallsweise anzutreffen ist der Besatz des Schiebers aus Metallschuppen.[1]
- Feld bzw. (selten) Körper[3], gerundete bzw. ovale Verbreiterung des schulternahen Endes der Knopfleiste
- Halbmond, Gespinst- oder Metalleinfassung des Feldes
- als Option: (dünne) Fransen bzw. (dicke) Kantillen
Als zwei ergänzende Uniformelemente kommen hinzu:
- Knopf, zum Einknöpfen der Epaulette,
- Passant(e) bzw. Steg oder Attente (früher auch Achseltresse[4]) als Epaulettenhalter. Der Passant(e) ist in der Regel aus dem Grundtuch des Uniformrocks gefertigt. Fallweise sind die Passanten sowie der seitliche und/oder der obere Rand des Schiebers mit Tresse (sehr selten: Metallkettchen) besetzt. Bei einigen Uniformen (z. B. bei Offizieren der französischen Marine) haben sich die Attentes zu eigenen Ranginsignien entwickelt, ohne Epauletten.[2][5]
Die Epaulette wird durch Einschieben unter die Passante und das anschließende Einknöpfen befestigt. Werden, statt der Epauletten, Schulterstücke getragen, sind diese ebenfalls einzuknöpfen, doch über den Passanten zu tragen, die dann unter den Schulterstücken hervorragen.[6]
Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts galt das lose Tragen der Epauletten in einigen Staaten, wie etwa in Russland, als modisch. Die nur vom Schulterknopf gehaltene Epaulette saß dabei lose vor der Schulter. Der Epaulettenhalter, sofern existent, wurden nicht verwendet.
Abzeichen der Offiziere und Elitetruppen
Mit Ausnahme Österreichs hielt die Epaulette bis Anfang des 19. Jahrhunderts in den meisten Ländern Europs Einzug. Neben Ringkragen und Sponton diente sie als einheitliches Statussymbol der Offiziere. Später waren, anhand der Trageweise (linke, rechte oder beide Schultern) und/oder des Dekors (Fransen, Kronen, Rangsterne oder -streifen usw.), der individuelle Rang oder zumindest die Dienstgradgruppe des Trägers ablesbar. Daneben wurde sie auch Teil der Gala-Uniform vieler höherer Zivilbeamte.
Generale hatten Epauletten mit dicken Raupen bzw. starren Kantillen und die Stabsoffiziere mit dünnen Fransen bzw. losen Kantillen. In Frankreich trugen zur Zeit Napoleon Bonapartes höhere Offiziere unterhalb des Oberstleutnants sowie die Kompanieoffiziere je eine Epaulette (mit dicken Kantillen bzw. dünnen Fransen) und Konterepaulette (ohne Fransen). In den meisten anderen Staaten führten Stabsoffiziere zwei befranste Epauletten, die Kompanieoffiziere jedoch zwei fransenlose (Konter-)Epauletten.
Im französischen Heer trugen, bei verschiedenen Garde- und Elite-Truppenteilen, auch die Mannschaften Epauletten (einzelne Truppenteile bis heute). Diese sind traditionell aus gefärbter Wolle gefertigt. Diese Mode setzte sich unter napoleonischem Einfluss vorübergehend auch in einigen Rheinbundstaaten und bei anderen Verbündeten Frankreichs durch. In Preußen trugen nur die Mannschaften der Ulanen den Offiziersepauletten ähnliche Epauletten, bei den übrigen deutschen Staaten wurde dies im Verlauf des 19. Jahrhunderts übernommen.
Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ersetzten bei Offizieren der deutschen und russischen Armee im Feld Schulterstücke die Epauletten.
Die Offiziere der deutschen Marine trugen bis 1939 Epauletten zur Großen Uniform.[6]
Geschichte
Epauletten als Teil militärischer und später auch ziviler Uniformen (Diplomaten, Beamte, Polizei) kamen Mitte des 18. Jahrhunderts auf. Hervorgegangen sind sie wahrscheinlich aus dem um 1680 aufgekommenen Dragoner, einem auf der linken Schulter getragenen, knöpfbaren Bandelierhalter, aus Tuch oder Leder.[7] Möglich erscheint auch eine Verbindung zu jenen zu Bündeln zusammengefassten bunten Stoffstreifen, die Teil der um 1660/1670 neu eingeführten Uniformen waren. Auf beiden Schultern getragen, dienten sie der Dekoration, sollten aber vermutlich auch ein Abrutschen des Bandeliers verhindern. Spätestens um das Jahr 1700 kamen sie aus der Mode.[8] Falsch ist die seit dem späten 19. Jahrhundert verbreitete Annahme, die Epauletten hätten sich aus den Schwebescheiben mittelalterlicher Plattenpanzer entwickelt. Letztere mögen jedoch das martialische Design späterer Epauletten beeinflusst haben, die fallweise mit aufgelegten Metallschuppen und wuchtigen Halbmonden auch als Schutz vor Säbelhieben dienten.
Als erstes Land führte Frankreich Epauletten ein, per Reglement vom 12. Januar 1759. Kriegsminister Belle-Isle verordnete sie anfangs nur den Offizieren einiger Truppengattungen (französische Infanterie, Kavallerie, Dragoner).[1] Belle-Isles Nachfolger Choiseul befahl die Epauletten zwischen 1762 und 1769 den Offizieren aller Truppengattungen, mit Ausnahme der Husaren (die zur Rangunterscheidung Ärmeltressen trugen).[9]
Die Einführung der knöpfbaren Epauletten beendete den kostspieligen Brauch, den Dienstgrad anhand aufwändiger Silber- oder Goldstickereien anzuzeigen, die in die Ärmelaufschläge, die Rocktaschen und entlang der Kopflöcher und Knopfleisten des Uniformrocks und teils auch in die Weste eingearbeitet waren. Im Unterschied zu aufgenähten Tressen oder Posamenten, die bei Bedarf problemlos von alten Textilien zu lösen waren, war dies bei Stickereien nicht möglich. Gold- oder silberbestickte Kleidung wurde meist verbrannt, um das verwendete Edelmetall auszuschmelzen. Dessen Materialwert deckte aber bei weitem nicht die Kosten neuer Gold- oder Silberstickereien, sofern dieser von der bisherigen Machart und Güte sein sollten. Die Epauletten hingegen konnten umstandsfrei wiederverwendet werden, falls der bisherige Uniformrock verschlissen und ein neuer anzuschaffen war.[10] Trotzdem fühlten sich viele Offiziere in ihren alten Vorrechten beeinträchtigt und diffamierten die neuen Gradabzeichen als „Choiseul-Lumpen“ (Guenille à Choiseul).[11]
1763 wurde in Russland den meisten Truppenteilen ein auf der linken Schulter zu tragendes befranstes Achselstück befohlen, als ein Regimentsabzeichen für alle Dienstgrade. Dieses Achselstück sah den späteren Epauletten bereits sehr ähnlich und zeigte bei Offizieren, anhand von Sternen, den Rang an. Noch vorher aufgekommen waren, in der Kavallerie und in der Garde-Infanterie, rechts getragene Achselbänder. Achselstücke und -bänder verschwanden 1796, als eine schlichte Achselklappe sie ersetzte. Wirkliche Epauletten wurden erst 1807, für Offiziere, eingeführt: mit der Divisionsnummer und zunächst nur auf der linken Schulter (anstelle des Achselstücks), seit 1809 dann auf beiden Schultern.[12] Schon viel früher, seit 1742, hatte die Leib-Kompanie der Zarin Elisabeth befranste, epaulettähnliche Achselstücke getragen. Die aus den vormaligen Grenadieren des Preobraschenski Leib-Garderegiments gebildete Truppe verlor den Schulterschmuck 1762, mit der Rückeingliederung in das Stamm-Regiment.
1768 folgten Spanien (nur Kompanieoffiziere: Hauptleute zwei, Leutnante eine Epaulette links) und Großbritannien: Generale, zur Dienstuniform, und Stabsoffiziere je zwei Epauletten (mit Kantillen), ebenso Highlander-, Grenadier- und Füsilieroffiziere (mit Metallfransen), alle übrigen Offiziere der Fußregimenter eine Epaulette rechts. Sergeanten zwei, Corporale eine befranste Seidenepaulette rechts (statt der vorherigen Achselschnur bzw. Schulterknotens des Corporals).
1778 führte sie Bayerns Kurfürst Karl Theodor wohl als erster in Deutschland ein: Er verordnete sie den Offizieren der Bayerischen Armee als Rangabzeichen: Stabsoffiziere hatten zwei silberne oder goldene Epauletten mit Bouillons, Kompanieoffiziere nur eine Epaulette mit Fransen, auf der linken Schulter. Als Gradauszeichnung bei den Stabsoffizieren ein bis drei Rosen, die Kompanieoffiziere ein bis drei quer Börtchen quer darüber. Die Epauletten wurden 1785 als Gradabzeichen abgeschafft.[13] 1789 kehrten sie, in stark veränderter Form, wieder: Bayerns Kriegsminister Graf Rumford bestimmte sie der der Armee für alle Dienstgrade: nicht mehr als Rangabzeichen, sondern als Bestandteil der von ihm konzipierten neuen Einheitsuniform, inklusive „Rumford-Kaskett“.
Ab 1806 übernahmen auch die meisten Rheinbundstaaten die Epauletten als Offiziersabzeichen (Ausnahme: Bayern führte Kragenlitzen - und borten) und Auszeichnung von Elitetruppen, wie den Grenadieren.
In Preußen kennzeichneten Epauletten seit 1808 die Ulanenoffiziere, seit 1813 die Stabsoffiziere, seit 1814 dann nahezu alle Offiziere[1] Alleine die Husaren führten Schulterschnüre bzw. -litzen. Ulanenoffziere trugen bereits seit 1808 Epauletten, mit unterschiedlichen Dekors für Leutnante, Rittmeister und Stabsoffiziere. In Preußen war lange befürchtet worden, den inneren Zusammenhalt des Offizierskorps durch die Einführung hierarchisierender Symbole zu gefährden. Bis dahin war ein Oberst von einem Leutnant äußerlich kaum zu unterscheiden gewesen.
Gegenwart
In den Streitkräften Frankreichs tragen einige Einheiten Stoffepauletten. Heute werden Epauletten ebenfalls in der Mode zur Betonung der Schulter verwendet.
Sonstiges
Im Schach gibt es das Epaulettenmatt. Hier stehen an beiden „Schulterseiten“ des Königs eigene Figuren und versperren Fluchtfelder.
Literatur
- John Mollo: Military Fashion: A Comparative History of the Uniforms of the Great Armies from the 17th Century to the First World War, Putnam's, 1972, ISBN 0-214-65349-8
- Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte (RDK), Stuttgart 1937
Einzelnachweise
- Herbert Knötel: Epauletten, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V (1962), Sp. 807–810; in: RDK Labor.
- Marine nationale française: Instruction N° 1 relative au port de l’uniforme dans la marine (Anweisung No. 1 zum Tragen der Uniform der Marine) auf acoram.fr, pdf.
- Richard Knötel: Uniformenkunde. Teil 3 (Bände VIII-X und die dazu erschienenen „Mitteilungen“). Digitalisiert, digital restauriert und als Digitaldruckausgabe hrsg. von Curt Hoffmann, Dresden 2020, ISBN 978-3-7526-8909-9. 205
- George Floyd Duckett: Technological Military Dictionary, German-English-French, London 1848, S. 85
- Abbildungen zu Attentes siehe Commons:Kategorie:Attentes)
- Eberhart Hettler: Uniformen der Deutschen Wehrmacht, Berlin 1939, S. 75f
- Herbert Knötel: Dragoner, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1955), Sp. 369–371; in: RDK Labor.
- Mollo (1972), S. 49
- vgl. Réglement pour l' habillement des troupes (2), Versailles, 21 février 1779; in: N.N. Jourdan, N.N. Isambert, N.N. Decrusy: Recueil général des anciennes lois françaises. Depuis l'an 420 jusq'a la Révolution de 1789, Règne de Louis XVI, Tomé IV, du 31 décembre 1778 au 3 mars 1781 (1779–1781), Paris 1826, S. 30
- vgl. M.W. Duckett: Dictionnaire de conversation à l'usage des dames et des jeunes personnes, ou Complément nécessaire de toute bonne éducation, hg. von Langlois et Leclercq, Bd. 5 (Énervation-Foy), Paris 1841, S. 40
- Adolphe De Chesnel, Jules Duvaux: Dictionnaire des armées de terre et de mer. Encyclopédie militaire et maritime, Deuxième Partie (G-Z), Paris 1863–1864, S. 637
- Richard Knötel, Herbert Knötel und Herbert Sieg: Farbiges Handbuch der Uniformkunde. (2 Bände), Augsburg 1997, Bd. 1, S. 128–131
- Friedrich Münich: Geschichte der Entwicklung der bayerischen Armee seit zwei Jahrhunderten. J. Lindauer'sche Buchhandlung, 1864, S. 166–167, abgerufen am 29. Juni 2021.
Weblinks
RDK Labor. Forschungsstelle Realienkunde, Zentralinstitut für Kunstgeschichte