Eidgenössisches Musikfest
Als Eidgenössisches Musikfest (französisch Fête fédérale de musique, italienisch Festa federale di musica , rätoromanisch Fiasta da musica federala) wird das alle fünf Jahre vom Schweizer Blasmusikverband (SBV), der Dachorganisation der kantonalen und regionalen Musikverbände, organisierte Eidgenössische Fest bezeichnet. In der Schweiz sind mehr als 600 000 Personen Mitglied eines Musikvereins. 20 Prozent der Schweizer spielen ein Instrument.[1]
Das Eidgenössische Musikfest gilt als grösstes Blasmusikfestival der Welt.
Vorgeschichte
In der Schweiz wurden die ersten zivilen Blasmusikvereine während der Helvetischen Republik nach dem Vorbild der Musikkorps der französischen Besatzungstruppen gegründet. Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden aus privater Initiative und auf freiwilliger Basis die ersten Harmoniemusiken, die sogenannten Feldmusikgesellschaften.
Obschon die alten Eidgenossen nach den Marschrhythmen der Trommler und Pfeiffer in die Schlacht zogen, bildeten die zivilen Blasmusikvereine die Vorläufer der Militärmusik. Bis 1875 war die Aushebung und Ausbildung der Truppen eine rein kantonale Angelegenheit. Kantonale Militärbehörden und das Offizierskorps zeigten für diese Musikgattung grosses Interesse. Sie boten die zivilen Harmoniefeldmusiken gegen Bezahlung zu kantonalen und eidgenössischen Truppenzusammenzügen und Musterungen auf. Zum Beispiel wurde die älteste Solothurner Musik Fulenbach in den Jahren 1820 bis 1824 zur Teilnahme an eidgenössischen Musterungen nach Solothurn und Olten verpflichtet.
Mit der Erfindung der Ventile an den Blechblasinstrumenten um das Jahr 1820 vermehrten sich die Gründungen von privaten Musikgesellschaften. 1875 verfügte eine eidgenössische Verordnung, dass die Aushebung der Trompeter der eidgenössischen und kantonalen Truppenkörper anlässlich der allgemeinen Rekrutierung durch Trompeterinstruktoren zu erfolgen habe. Damit übernahmen die militärischen Bataillonsspiele die bisherigen Aufgaben der zivilen Feldmusiken.
Nach der Gründung der Eidgenössischen Blechmusikgesellschaft 1862 (ab 1905 Eidgenössischer Musikverein, seit 1989 Schweizer Blasmusikverband) entstand eine Mehrheit der heute noch bestehenden Vereine. Der eidgenössische Dachverband und die kantonalen und Bezirksmusikverbände sowie der 1945 gegründete Eidgenössische Dirigentenverband koordinieren das gesamtschweizerische Blasmusikwesen, fördern die musikalischen und organisatorischen Belange wie die eidgenössischen Musikfeste. 1864 fand das erste Eidgenössische Musikfest in Solothurn statt. Der Schweizer Blasmusikverband umfasst heute über 2.200 Vereine mit rund 90.000 Aktivmitgliedern. Mit einem Blasmusikverein in fast jedem Schweizer Dorf bildet die Schweiz einen Verbreitungsschwerpunkt der Blasmusik im deutschsprachigen Raum.
Die im gleichen Zeitraum wie die modernen Schweiz und ihre direkten Demokratie entstandene Blasmusik hat für den Zusammenhalt der Willensnation Schweiz eine grosse Bedeutung. Sie verbindet Menschen, die zwar verschiedene Sprachen sprechen und verschiedene Lebensformen pflegen, aber musikalisch und politisch vereint einstimmig auftreten. Die Musikvereine haben die Menschen an unzählige Anlässe, von denen das Eidgenössische Musikfest den jeweiligen Höhepunkt bildet, eingeladen und zusammengebracht.
20. Jahrhundert
Während im 19. Jahrhundert ein eigenständiges Blasmusikrepertoire noch fehlte, entstanden nach 1900 Originalkompositionen für Amateurblasmusiken. Der Komponist Peter Fassbänder (1869–1920) gehörte zu den ersten in der Schweiz, die originale Literatur für Blasorchester komponierten. Er schrieb alle Pflichtstücke, einige Primavista- und ein Gesamtchorstück für das 16. Eidgenössische Musikfest, das 1912 in Vevey stattfand. Carl Friedemann (1862–1952) komponierte ab 1923 für Eidgenössische Musik- und Turnfeste mehrere Werke für Blasorchester. Die Dramatische Ouvertüre von Franz von Blon (1861–1945), die er für das 19. Eidgenössische Musikfest in Bern 1931 komponierte, wird zu den Pionierwerken der sinfonischen Blasmusik gerechnet.
In der Zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Literatur immer vielfältiger. Die Russische Rhapsodie von Hans Heusser (1892–1942) war am 28. Eidgenössischen Musikfest in Winterthur 1986 Pflichtstück.
21. Jahrhundert
Heute werden fast alle Musikstile gespielt: traditionelle und avantgardistische Blasorchestermusik, bearbeitete Orchesterwerke, Jazz, Rock- und Popmusik, Filmmusik, Musicals und von der Volksmusik beeinflusste Unterhaltungsmusik.
Am Eidgenössischen Musikfest 2011 in St. Gallen nahmen 522 Blasmusikvereine mit 22.000 aktiven Musikanten und gegen 200.000 Besucher aus der ganzen Schweiz teil und feierten während sechs Tagen ein friedliches Fest.[2]
Eidgenössische Musikfeste
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Literatur
- 125 Jahre Eidgenössischer Musikverband, 1987
- Walter Biber: Von der Bläsermusik zum Blasorchester. Maihof Verlag, Luzern 1995, ISBN 3-9520756-1-2.
- Herbert Frei: Unsere Blasmusik. Die kulturelle, gesellschaftliche, und pädagogische Bedeutung der Blasmusik in der Schweiz, ihre geschichtliche Entwicklung und ihre aktuelle Praxis. Mellingen 1989
- Emil Rumpel: 100 Jahre Eidgenössischer Musikverein 1862–1962. Jubiläumsschrift. Adolf Schaer Verlag Thun [1962]
- Gabriela Mattmann: Die Roten und die Schwarzen. Die Gemeinde Rain und ihre Musikvereine (Zürcher Beiträge zur Alltagskultur; Bd. 11). Universität Zürich 2002, ISBN 3-908784-00-X.
- Wolfgang Suppan, Bernhard Habla, Patrick M. Jones: Blasmusikforschung seit 1966: Eine Bibliographie. Verlag Tutzing: Schneider, 2003
Weblinks
Einzelnachweise
- Eidgenössisches Departement des Innern: 150 Jahre Schweizer Blasmusikverband
- Schweizer Radio DRS: Eidgenössisches Musikfest in St. Gallen (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.