Edom
Der Name Edom (hebräisch אֱדוֹם) bezeichnet sowohl einen Stammesverband, der seit der späten Eisenzeit östlich der Jordansenke siedelte, als auch das von diesem bewohnte Land selbst (vgl. Idumäa). Zusammen mit den Aramäern, Midianitern, Israeliten und Joktanitern werden die in der Bibel erwähnten Edomiter zu den Hebräern gerechnet.
Name
Edom in Hieroglyphen | |
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Edom bedeutet „rot“[2] und leitet sich möglicherweise von der Farbe des Sandsteingebirges östlich der Araba-Senke ab. Nach der biblischen Überlieferung bezieht sich der Name auf die rötliche Haut oder die rötlichen Haare von Esau (1. Mose 25, 25 ). Die Farbe Rot bzw. Rottöne werden im AT symbolisch häufig zur Darstellung des Blutes/Lebens und der Aktivität/Lebendigkeit, der Macht und Stärke (Jesaja 63, 2-3 ), aber auch mit negativen Vorzeichen im Kontext der Sünde (Buch der Weisheit 13, 14 ) und der dazugehörigen Reue (4. Mose, 19, 1 ff ) verwandt.
Assyrische Keilschrift-Quellen erwähnen Edom ab der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. als Udumi (𒌑𒁺𒈪) bzw. Udumu (𒌑𒁺𒈬). Griechen und Römer bezeichneten die Volksgruppe als Idumea, so etwa Strabon und Ptolemäus.
Die Geschichte und das Gebiet Edoms wird zurzeit vor allem von französischen Archäologen und Historikern und von der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg erforscht. Pierre Bordreuil vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) vertritt die Meinung, dass eine Besonderheit paläographischer Art, nämlich die große Ähnlichkeit der hebräischen Konsonanten Daleth und Resch, wiederholt zu einer Verwechslung der Namen Aram und Edom geführt hat. Er meint, dass im 2. Buch Samuel 8,13 statt „Aramäer“ eigentlich „Edomiter“ und im 1. Buch der Könige 11,14 eigentlich „Aramäer“ und „Aram“ anstelle von „Edomiter“ und „Edom“ zu lesen sei. A. Lemaire vertritt die Ansicht, dass die edomitische Königsliste im Buch Genesis 36,31-39 ursprünglich eine aramäische Königsliste war.
Geografie
Das Gebiet lag östlich des südlichen Teils der Jordansenke, dem Wadi Araba zwischen dem nördlich gelegenen Moab (Grenze Wadi Hesa) und dem südlich gelegenen Seir (Seirgebirge) und gehört heute zu Jordanien.
Laut mehreren Bibelstellen (Gen 32,4 , Jos 11,17 ) stammen die Edomiter aus dem südwestlich des Toten Meeres gelegenen Gebirge Seir.
Das Siedlungsgebiet der Edomiter überschneidet sich mit den ab 600 bis 400 v. Chr. von Idumäern und Nabatäern besiedelten Gebieten. Die genaue Beziehung zwischen diesen Ethnien ist unklar.
Insbesondere ist ungeklärt,
- ob die Idumäer mit den Edomitern identisch waren oder eine abgespaltene besondere Volksgruppe waren,
- ob die Nabatäer Nachkommen der Edomiter waren oder ob sie diese verdrängten oder überlagerten.
Geschichte
Berichte der ägyptischen Pharaonen aus der 18. Dynastie nennen ein Land Edom, welches an Ägypten Tributzahlungen erbringen musste. Es lag westlich des Orontes, unterhalb von Aleppo am Orontesknick. In der ägyptischen Sprache wurde es Schamasch-Edom genannt. Ob eine Verbindung zum biblischen Edom bestand, kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Die Edomiter waren zunächst ein späteisenzeitlicher Stammesverbund von Ackerbauern (vor allem auf dem Kreidekalkplateau) und Viehzüchtern (vor allem im Sandsteingebirge). Die Bibel ist für diese Zeit das (parteiische) Hauptzeugnis über die Edomiter und behauptet, dass das Volk durch das Reich von David (demnach um 1000 v. Chr.) unterworfen worden sei, und zu einem Staat mit zentraler Verwaltung umorganisiert wurde.[3] Dies dürfte eine Fiktion der späteren israelitischen Geschichtsschreiber sein. Diesen galt Esau als Stammvater der Edomiter, sie hielten die Edomiter somit für Stammesverwandte[4].
Das biblische Edom wird erstmals in einem ägyptischen Text gegen Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt. Es war wohl ein selbständiger Staat; für 850 v. Chr. berichtet die Bibel von einem Abfall von Juda und der Einsetzung eines eigenen Königs. Zugleich war Edom aber auch gegenüber Aššur tributpflichtig, etwa während der Regierungszeiten von Adad-nīrārī III. bis Assurbanipal, also etwa 800 bis 630 v. Chr. Anschließend fiel Edom, wohl zeitgleich mit Juda, als Provinz an Babylon und war wahrscheinlich ab 552 v. Chr. unter König Nabonid Bestandteil der Provinz Arabia. Danach fiel Edom an Persien, genoss aber um 400 v. Chr. möglicherweise große politische Freiheit. In dieser Zeit siedelten Edomiter auch in Hebron: antike Geographen berichten, dass Idumäer und Nabatäer neben den Judäern die wichtigste Bevölkerungsgruppe in Judäa stellten. Die Propheten des Tanach schmähten die Edomiter und Moabiter für verschiedene Vergehen gegenüber den Israeliten.
Die unter römischer Oberherrschaft in Israel und Juda herrschende Dynastie des Herodes war edomitischer Herkunft, es handelte sich allerdings um eine judaisierte Familie.
Ausgrabungen
Nach archäologischen Befunden wurden ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. verschiedene Verteidigungsanlagen durch die Edomiter erbaut. So z. B. in Buseira (Bosra, Buseirah), 45 km nördlich von Petra, eine Metropole und wichtiges Verwaltungszentrum des Landes.
Reste einer weiteren Stadt, dem von Asarja, König von Juda, ausgebauten Eilat, wurde bei Grabungen am Tell el-Cheleifeh (nördlich Aqaba) entdeckt. Entscheidend für die archäologischen Fortschritte war in den 1960er Jahren die Ausgrabung der schon 1929 von G. Horsfield entdeckten edomitischen Siedlung von Umm-el-Bijara durch C.-M. Bennet und die Identifizierung der typischen edomitischen Keramik durch N. Glueck. Diese ermöglichte es, edomitische Siedlungen wie z. B. Elat im Tell el-Cheleifeh, Buseira, es-Sela und Tawilan sicher zuzuordnen.
Edom als Synonym
In der späteren jüdischen Geschichtsschreibung wurden „Edom“ und „Esau“ aufgrund der häufigen Verwendung der Farbe Rot in den Bannern und Standarten der Römer zur Beschreibung des römischen Imperiums genutzt, möglicherweise auch aufgrund des blutigen Regimes der Römer in Judäa. In mittelalterlichen rabbinischen Texten wird Edom häufig als Synonym für das byzantinische Reich (das sich selbst als fortbestehendes Römisches Reich betrachtete) oder das Christentum verwendet.
Edom in der Literatur
Diese synonyme Verwendung des Wortes Edom findet sich häufig in den historischen Romanen von Lion Feuchtwanger. So z. B. in Die Jüdin von Toledo, wenn Jehuda negativ von den Söhnen Edoms spricht. Oder auch in Jud Süß: „Die Bosheit der Frevler ist groß, die Tücke Edoms hebt sich mächtig auf gegen Israel.“[5] Auch Heinrich Heine nutzt den Begriff Edom in seinem Gedicht „An Edom!“ sowie in seinem „Rabbi von Bacherach“ als Synonym für die christliche Mehrheitsgesellschaft.[6]
In seinem Gedichtband Was noch blieb von Edom benutzt der rumäniendeutsche Dichter Horst Samson den Begriff Edom im Sinne von Staat, Vater-Land, Land der Väter, in dem die Diktatur wütet, alles zerstört und die Menschen zur Flucht treibt, was zur feinsinnigen poetischen und metaphorischen Überhöhung Edoms als „innere Heimat“ führt, die Emigranten und Flüchtlinge als wichtiges virtuelles Gepäck für ewig mit sich schleppen.[7]
Religion
Hauptgott der Edomiter war Qaus. Sein Name bedeutet „Bogen“, vermutlich ist Regenbogen gemeint (vgl. auch Gen 9,13 ). Qaus war demnach ein Wettergott, der später auch kriegerischen Charakter annimmt.
Ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. erscheint der Gottesname zunächst als Namensbestandteil für edomitische Könige: Qaus-Malak (Qaus ist König) oder z. B. ca. 677-667 v. Chr. König Qaus-Gabar (Qaus ist stark). Ein Verwaltungstext aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. beginnt mit den Worten: „Ich segne dich im Namen des Qaus.“ Jahrzehnte später häufen sich in Edom Eigennamen, die „Qaus“ als Namensbestandteil enthalten.
Auch nach dem Verlust der nationalen Selbständigkeit nach der Hellenisierung wurde Qaus von den Edomitern verehrt, wie zahlreiche ins Griechische übertragene Namen belegen. Noch Flavius Josephus kennt ihn in der Form „Koze“.
Die überragende Stellung von Qaus führte wohl dazu, dass die Bibel die Edomiter an mehreren Stellen zu den Anhängern JHWHs rechnet. Nach dem Deborahlied gehören Edom und Seir zu den Ländern, in denen sich JHWH gezeigt hat (vgl. Ri 5,4 ).
Literatur
- Pierre Bordreuil: Eine lange gemeinsame Geschichte mit Israel. In: Welt und Umwelt der Bibel, Heft 7, 1. Quartal 1978, S. 22.
- Manfred Lindner: Die Edomiter in Südjordanien. In: Welt und Umwelt der Bibel, Heft 7, 1. Quartal 1978, S. 57–58.
- Mary L. T. Witter: Edom und die Edomiter. Bohmeier Verlag 2005, ISBN 3-89094-451-5.
- Jakob Wöhrle: Edom. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch : (2800 - 950 v. Chr.). von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, S. 1122.
- Anm.: Das Adjektiv ist אָדוֹם - ’ādôm. Das entsprechende Verb lautet ם - ’dm in Bdt. v. rot werden oder rot sein.
- 2 Sam 8,14
- vgl. Gen 36,10–19 ; Dtn 2,4–8
- Lion Feuchtwanger: Jud Süß. Aufbau, Berlin 2002, S. 258.
- Heinrich Heine: Sämtliche Schriften. Herausgegeben von Klaus Briegleb, Band 1, München 1975, S. 271.
- Was noch blieb von Edom. Nosmas Verlag, Neuberg 1994