Edition Nautilus
Die Edition Nautilus ist ein unabhängiger deutscher Verlag für Biografien, Belletristik und politische Sachbücher mit Sitz in Hamburg.
Geschichte
Die Edition Nautilus wurde 1974 von Pierre Gallissaires, Hanna Mittelstädt und Lutz Schulenburg (1953–2013)[1][2][3] gegründet. Alle drei wurden von der 68er-Bewegung geprägt – nicht nur in Deutschland, sondern speziell auch beim Pariser Mai 1968. Vor dem Hintergrund der sich in den 1970er Jahren herausbildenden autoritären linkspolitischen Richtungen versuchten sie, den spontanen, undogmatischen Geist jener Zeit am Leben zu erhalten – nicht zuletzt, indem sie sich darum bemühten, die politische und literarische, linke, undogmatische Avantgarde der 1920er Jahre wiederzuentdecken und neu aufzulegen.[4] Sie begannen mit der Herausgabe der Zeitschrift MaD unter dem Namen MaD-Verlag (was spielerisch für „Materialien, Analysen, Dokumente“ stand). Nach einer Klage des gleichnamigen MAD-Magazins benannten sie den Verlag 1975 in Edition Nautilus um.
2013 starb Lutz Schulenburg; Hanna Mittelstädt führte den Verlag weiter. Anfang 2018 übergab sie ihn an fünf Beschäftigte, die ihn seither im Kollektiv leiten.[5]
2018 wurde das Verlegerkollektiv mit dem K.-H. Zillmer-Verlegerpreis der Karl-Heinz Zillmer-Stiftung, einer Unterstiftung der Hamburgischen Kulturstiftung, ausgezeichnet. Die Jury würdigte die Verdienste: „Die Edition Nautilus ist der deutsche Verlag, der noch 2018 die Ideale von 1968 hochhält – und eben dadurch ewig jung zu bleiben scheint.“[6]
Programm
Von Beginn an fanden sich im Programm des Verlags politische, anarchistische, dadaistische und situationistische Schriften – wozu bald literarische Texte neuerer Autoren wie Ingvar Ambjørnsen, Franz Dobler, Sean McGuffin und Johannes Muggenthaler traten. Das größte Projekt des Verlages war die zwischen 1981 und 1997 in zwölf Bänden erschienene erste komplette Ausgabe der Werke von Franz Jung. Ebenfalls 1981 wurde der Titel von Franz Pfemferts Zeitschrift Die Aktion wiederbelebt (siehe Die Aktion (Nautilus)).
In neuerer Zeit veröffentlichte die Edition Nautilus u. a. Bücher von und über
Ein wesentliches Markenzeichen des Verlags ist nach wie vor die „Kleine Bücherei für Hand und Kopf“, in der zahlreiche, lange Zeit vergessene Texte der klassischen Moderne, u. a. von Enrico Baj, Max Ernst, Richard Huelsenbeck, Francis Picabia, Kurt Schwitters, den Surrealisten und Tristan Tzara wieder aufgelegt werden und wurden.
Mit der Krimi-Reihe und dem Erstlingswerk Tannöd der Autorin Andrea Maria Schenkel, die für ihren Roman den Deutschen Krimi-Preis 2007 erhielt, schaffte es der Verlag erstmals auf „Platz 1“ der Sparte Belletristik innerhalb der vom Fachmagazin buchreport ermittelten Bestsellerliste. 2008 erhielt die Autorin Andrea Maria Schenkel zum zweiten Mal den Deutschen Krimi-Preis für ihren Roman Kalteis.
Auszeichnungen
- Verlagspreis der Freien und Hansestadt Hamburg, 1993 und 2002
- Kurt-Wolff-Preis, 2004
- K.-H. Zillmer-Verlegerpreis der Karl-Heinz Zillmer-Stiftung, 2018
- Deutscher Verlagspreis 2019
- Hotlist-Preis und Melusine-Huss-Preis, jeweils für Das Fortschreiten der Nacht von Jakuta Alikavazovic (2019)
Literatur
- Jan-Frederik Bandel: „Laumeierei gibt’s hier nicht!“ Gespräch mit Hanna Mittelstädt und Lutz Schulenburg, den Verlegern der Edition Nautilus. Über Minderheitenpositionen, die siebziger Jahre und Bücher, auf die man stolz sein darf. In: Junge Welt vom 30. Dezember 2006
- Hanna Mittelstädt und Anna Rheinsberg: Liebe Hanna, Deine Anna. Briefe über Liebe und Literatur. Hamburg, 1999. ISBN 3-89401-299-4 (U.a. kommt der Verlagsalltag zur Sprache).
- Zwanzigtausend Meilen für die Anarchie. Nina Nadig und Bernd Drücke im Gespräch mit den Edition Nautilus-Verlegerinnen Hanna Mittelstädt und Katharina Picandet. In: Bernd Drücke (Hrsg.): Anarchismus Hoch 3. Utopie, Theorie, Praxis. Interviews und Gespräche. 1. Auflage. Unrast Verlag, Münster 2016, ISBN 978-3-89771-219-5, S. 65–75 (online in der Graswurzelrevolution Nr. 390, Sommer 2014 [abgerufen am 25. November 2018]).
Weblinks
- Webpräsenz des Verlags
- 25 Jahre Edition Nautilus – Interview mit den Verlegern
- Subversive Kopffüßler? Interview mit Hanna Mittelstädt und Lutz Schulenburg zu 30 Jahre Edition Nautilus, in: graswurzelrevolution, Nr. 292, Okt. 2004
- Gernot Knödler: Nach 30 Jahren der erste Bestseller (taz vom 24. Juli 2007)
- „Hindernis des Konsums“ – Lutz Schulenburg über Kunst und Urheberrecht (Frankfurter Rundschau vom 27. April 2012)
- Erklärung von Edition Nautilus zum Tod von Lutz Schulenburg (Schattenblick zum 4. April 2013)
- Jochen Schimmang: Aus der raren Gattung der Selbstdenker. Nachruf auf Lutz Schulenburg, online auf taz.de vom 3. Mai 2013.
- Stefan Kleie: 40 Jahre Edition Nautilus – Vom Spürsinn der Kopffüßer, Frankfurter Allgemeine Zeitung 26. September 2016
Einzelnachweise
- Sebastian Hammelehle: Politischer Verleger: Lutz Schulenburg gestorben. In: Spiegel Online. 2. Mai 2013, abgerufen am 2. Mai 2013.
- Hajo Steinert: Der progressive Unbeugsame. Zum Tod des Verlegers Lutz Schulenburg. In: dradio.de
- Christoph Twickel: Zum Tode Lutz Schulenburgs – Ein radikaler Optimist. In: Spiegel Online, 3. Mai 2013.
- Stefan Kleie: Vom Spürsinn der Kopffüßer. Linkes Kunststück: Die Hamburger Edition Nautilus ist seit mehr als vierzig Jahren als Kleinverlag im Geschäft. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. September 2016, S. 13.
- Die Crew tritt an. In: boersenblatt.net, 26. April 2018, abgerufen am 30. September 2018.
- Zillmer-Verlegerpreis geht an die Edition Nautilus. In: Badische Zeitung online, 7. Juli 2018, abgerufen am 30. September 2018.