Hanna Mittelstädt
Hanna Mittelstädt (geboren 1951 in Hamburg) ist eine deutsche Autorin, Übersetzerin und Verlegerin. Sie begründete 1974 den Verlag Edition Nautilus mit, den sie bis 2018 leitete. Sie brachte u. a. Andrea Maria Schenkels Debütroman Tannöd heraus und politische Sachbücher von Deniz Yücel.
Leben und Werk
Hanna Mittelstädt ist von der 68er-Bewegung und der Philosophie des Anarchismus geprägt. Mit dem Berufswunsch Städteplanerin studierte sie Soziologie, brach das Studium jedoch ab, um mit Lutz Schulenburg und dem französischen Übersetzer und Lyriker Pierre Gallissaires 1974 den Buchverlag Edition Nautilus aufzubauen.[1][2] Die Gruppe orientierte sich an den Ideen der Situationisten und nahm damit in der Linken jener Zeit eine Außenseiterposition ein. Nach dem Tod Schulenburgs 2013 leitete sie den Verlag allein weiter.
Mittelstädt war Verlagsleiterin, Herausgeberin und las als Lektorin alle eingehenden Manuskripte. Mit Pierre Gallissaires übersetzte sie für die Edition Werke aus dem Französischen, vor allem in den Anfangsjahren Texte von Situationisten, darunter Guy Debord, von Surrealisten wie Benjamin Péret, Francis Picabia und Tristan Tzara. Übersetzungen nahmen einen großen Teil des Verlagsprogramm ein. 2004 wandte sich Andrea Maria Schenkel an Hanna Mittelstädt, nachdem das Manuskript ihres Debütromans Tannöd von anderen Verlagshäusern abgelehnt worden war. 2005 erschien der Roman bei Nautilus und wurde für den Verlag ein großer finanzieller Erfolg.[3] Unter Mittelstädts Leitung gab der Verlag 2012 mit Fleischmarkt in der Reihe „Flugschriften“ erstmals in deutscher Übersetzung ein Buch der britischen feministischen Autorin Laurie Penny heraus, 2014 Deniz Yücels politisches Sachbuch Taksim ist überall, dem 2018 Wir sind ja nicht zum Spaß hier folgte.
In den 1990er Jahren begann Hanna Mittelstädt eigene Prosa zu publizieren. Auf ihre Initiative entstand ein Briefprojekt mit der Schriftstellerin Anna Rheinsberg. Von März 1997 bis März 1998 schrieben sich die Hamburger Verlegerin und die in Marburg lebende Autorin einmal pro Woche „Briefe über Liebe und Literatur“. Sie erschienen 1999 unter dem Titel Liebe Hanna – Deine Anna in der Edition Nautilus.[4]
Zum Jahresbeginn 2018 übergab Hanna Mittelstädt die Edition Nautilus nach einer Übergangsphase vollständig an ihre fünf Mitarbeiterinnen, die ihn seitdem gleichberechtigt als Kollektiv führen.[5] Seit ihrem Rückzug aus dem Verlag schreibt sie die Verlagschronik und veranstaltet szenische Lesungen.
Sie lebt in Hamburg.
Veröffentlichungen als Autorin
- Die Notwendigkeit des Mondes, Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2016
- Liebe Hanna, Deine Anna. Briefe über Liebe und Literatur, mit Anna Rheinsberg, Edition Nautilus, Hamburg 1999
- Augenblicke (Biografie), Verlag Peter Engstler, 1998
- Reise in die Wirklichkeit des mexikanischen Südostens, Edition Nautilus, Hamburg 1996
- Mit den Augen hören. Zehn Tage in Chiapas, Mexiko, Verlag Peter Engstler, 1995
- Die Hacienda muss gebaut werden, Verlag Peter Engstler, 1994
Literatur
- Jan-Frederik Bandel: Fantasie und Aufklärung. Ein Gespräch mit Hanna Mittelstädt und Lutz Schulenburg. In: ders.:Fantasie und Aufklärung. Historische Miniaturen, Textem-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-941613-43-0, S. 121–154 (pdf)
Weblinks
- Literatur von und über Hanna Mittelstädt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (als Autorin)
- Literatur von und über Hanna Mittelstädt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (als Verlegerin)
- Hanna Mittelstädt auf der Webseite der Edition Nautilus
- Die Verlegerin Hanna Mittelstädt, Deutschlandfunk, 17. März 2019
- Frank Keil: „Es war schön, aber auch die Hölle“, taz, 27. Juli 2021
Einzelnachweise
- Martin Eimermacher, Luisa Hommerich: Vom Protest zur Opposition. Hanna Mittelstädt, in: ZEIT Nr. 21/2018, 17. Mai 2018
- Anarchie ist seit 40 Jahren druckbar. Klaus Pokatzky im Gespräch mit Hanna Mittelstädt, Deutschlandfunk Kultur, 3. April 2014
- Andreas Fanizadeh: Das späte Glück des kleines Verlages Nautilus. Und plötzlich ein Bestseller, Taz, 14. November 2007
- Belletristik. Von Tobias Gohlis, 22. Juli 1999, DIE ZEIT, 30/1999
- Kollektive Führung der Edition Nautilus. Die Crew tritt an, boersenblatt.net, 26. April 2018