Durchbindung
Eine Durchbindung, auch Umlaufverbund oder Linienwechsel, bezeichnet ein Konzept im öffentlichen Personennahverkehr, mitunter auch im Fernverkehr, bei dem Fahrten nicht am Ende einer Verkehrslinie oder einer Eisenbahnstrecke enden, sondern auf einer anschließenden Linie oder Strecke fortgesetzt werden. Eine Durchbindung kann sowohl innerhalb eines Netzes erfolgen (Fahrzeug setzt seine Fahrt unter einem anderen Liniennamen fort), als auch eine Verknüpfung zwischen verschiedenen Verkehrsträgern (Tram-Train) oder Betrieben (wie in Japan) ermöglichen. So entfallen für Fahrgäste das Umsteigen und der Betrieb wird rationalisiert. In der Regel sind weniger Fahrzeuge nötig, da am Verknüpfungsbahnhof Wende- und Standzeiten reduziert und Rangierfahrten eingespart werden. Allerdings sinkt durch eine Durchbindung die Resilienz des Verkehrsnetzes, da sich Verspätungen leichter ausbreiten können.
Beispiele
Regionalverkehr
Viele Regionalzuglinien (RE, IRE) verknüpfen regelmäßig mehrere Bahnstrecken zu einer längeren Fahrtstrecke, zum Beispiel der Ems-Leine-Express (Braunschweig–Hannover–Minden–Löhne–Rheine), der Franken-Sachsen-Express (Nürnberg–Bayreuth–Hof–Zwickau–Dresden) und der Schleswig-Holstein-Express (Hamburg–Neumünster–Flensburg–Padborg). Da die Verantwortung für den Nahverkehr in Deutschland regional aufgeteilt ist, bringen solche Durchbindungen einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich, selbst wenn nur eine innerdeutsche Zuständigkeitsgrenze überschritten wird.
Stadtbahn Karlsruhe
Das Stadtbahnnetz in Karlsruhe kombiniert innerstädtische Straßenbahnstrecken mit Eisenbahnstrecken im Umland. Die eingesetzten Triebzüge kommen mit zwei Stromsystemen zurecht und entsprechen den betrieblichen Vorschriften sowohl der Straßenbahn als auch der Eisenbahn. Dieses als Karlsruher Modell oder Tram-Train bezeichnete System diente als Vorbild für Stadtbahnnetze in Deutschland und anderen Ländern.
City-Bahn Chemnitz
Eine Variante des Karlsruher Modells ist das Chemnitzer Modell, bei dem abweichend von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung eine besonders niedrige Bahnsteighöhe mit entsprechend niederflurigen Fahrzeugen zum Einsatz kommt. An den abgesenkten Bahnsteigen können dann allerdings keine regulären Eisenbahnfahrzeuge mehr halten.
Straßenbahn in Halle (Saale)
Die Linie 9 fährt von Neustadt auf einer südlichen Trasse über Franckeplatz zum Hauptbahnhof. Ohne Fahrtrichtungswechsel fährt sie als Linie 10 in großem Bogen auf einer nördlichen Trasse über Steintor und Marktplatz zurück nach Neustadt. Ein Großteil der Fahrten der Linie 7 führt von der Endhaltestelle Kröllwitz auf einer anderen Trasse zurück in die Innenstadt, tagsüber als Linie 4, abends als Linie 94. In der Gegenrichtung wechseln die Liniennummern entsprechend umgekehrt.
U-Bahn-Netze in Japan
10 der 13 U-Bahn-Linien in Tokio sind an Vorstadt- und Regionallinien des Umlandes angeschlossen. Züge der beiden U-Bahn-Betreiber fahren umsteigefrei auf den Linien der kooperierenden Bahnunternehmen weiter, umgekehrt kommen auch Triebwagen der kooperierenden Bahnunternehmen auf den Streckenabschnitten der U-Bahn zum Einsatz. Oft ähneln sich die Züge der U-Bahn- und der Vorortbahn sehr. Zum Beispiel sind die Serien 13000 der U-Bahn und 7000 der Privatbahn Tobu bis auf Front und Lackierung weitgehend identisch. Auch außerhalb von Tokio gibt es umsteigefreien Durchbindungen von der Stadt ins Umland: In den U-Bahn-Netzen von Fukuoka, Kōbe, Kyōto, Nagoya und Ōsaka.
Internationale Zugverbindungen
Im Fernverkehr können vor allem grenzüberschreitende Zugläufe als Durchbindungen bezeichnet werden. Besonders bekannt ist der Orient-Express, der dem Namen nach von 1883 bis 2009 existierte und zunächst Paris mit Konstantinopel verband, später aber mit verschiedenen Linienführungen und einem Kurswagensystem ergänzt wurde und zuletzt nur noch von Straßburg bis Wien verkehrte. Daneben gab es viele andere internationale Schnell- und Nachtzüge.
Ein weiterer Meilenstein waren Verbindungen der Zuggattungen Trans-Europ-Express ab 1957 und EuroCity seit 1987. Heute verkehren zahlreiche nationale und internationale Zugmarken wie der ICE, TGV, EuroStar und Thalys regelmäßig auf grenzüberschreitenden Strecken.
Andere Varianten der umsteigefreien Verbindung
Bei der Flügelung fahren Zugteile auf einer Strecke zunächst gemeinsam und werden an einem Unterwegsbahnhof aufgeteilt. Die einzelnen Zugteile können dann auf unterschiedlichen Strecken weiterfahren, oder die Fahrt wird nur mit einem der Zugteile fortgesetzt.
Ein Kurswagen kann nacheinander an mehrere reguläre Züge angekuppelt werden. Somit sind umsteigefreie, individuelle Laufwege über große Entfernungen möglich. Allerdings ist der Zeit- und Arbeitsaufwand für diese Variante relativ hoch.