Dromologie
Als Dromologie (zu altgriechisch dromos (Rennbahn) und logos (Wissenschaft), „Logik des Laufs“) bezeichnet man eine 1977 von Paul Virilio (1932–2018) in Geschwindigkeit und Politik begründete transhistorische und transpolitische Forschungs- und Sichtweise zur Untersuchung gesellschaftlicher Verhältnisse unter spezieller Berücksichtigung von deren Verhältnis zur Geschwindigkeit. Als Hilfswissenschaften werden Technikgeschichte, Mediengeschichte, Militärwissenschaft, Urbanistik, Physik und Metaphysik genutzt.
Virilio sieht Geschwindigkeit als verborgene Seite von Reichtum und Macht und damit als entscheidenden Faktor, der die Gesellschaft bestimmt. Geschichtliche Epochen und politische Ereignisse werden unter diesem Blickwinkel zu Geschwindigkeitsverhältnissen. Seines Erachtens vernichtet die Geschwindigkeit den Raum und verdichtet die Zeit. Dies sei das verhängnisvollste Phänomen des 20. Jahrhunderts.
Der so genannte Dromologische Stillstand kann als paradoxer Effekt der Selbstblockade verstanden werden. Zwei Beispiele dafür sind:
- Die Menschen werden immer mobiler. Fast jeder Deutsche hat ein Auto, manche Familien sogar zwei oder drei: man steht im Stau.
- Jeder hat immer mehr Telekommunikationsanschlüsse – ist aber dadurch nicht unbedingt besser erreichbar.
Siehe auch
Literatur
- Paul Virilio: Geschwindigkeit und Politik. Ein Essay zur Dromologie. Berlin: Merve 1989.
- Ders.: Ästhetik des Verschwindens. Berlin: Merve 1986.
- Ders.: Die Sehmaschine. Berlin: Merve 1989.
- Ders.: Die Eroberung des Körpers – Vom Übermenschen zum überreizten Menschen. München: Hanser 1994.
- Ders.: Der negative Horizont. Bewegung – Geschwindigkeit – Beschleunigung. München, Wien: Hanser 1989.
- Daniela Kloock: Ästhetik der Geschwindigkeit. Paul Virilio. In: Daniela Kloock, Angela Spahr: Medientheorien – eine Einführung. München: Fink 2000, S. 133–165.
Weblinks
- Georg Christoph Tholen: Geschwindigkeit als Dispositiv. Zum Horizont der Dromologie im Werk Paul Virilios (Auszug). In: Joseph Jurt (Hrsg.): Von Michel Serres bis Julia Kristeva. Rombach Verlag, Freiburg 1999, S. 135–162. ISBN 3-7930-9216-X.