Dmitri Wadimowitsch Kowtun
Dmitri Wadimowitsch Kowtun (russisch Дмитрий Вадимович Ковтун; * 1965) ist ein russischer international tätiger Geschäftsmann.
Er ist möglicherweise in den Mordfall Alexander Litwinenko verwickelt, da er sich kurz vor dessen Tod mit ihm in London getroffen hat. Kowtun soll nach Angaben der Moskauer Staatsanwaltschaft selbst mit Polonium kontaminiert worden sein, sie hat daher ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Kowtun wurde in einer Moskauer Klinik behandelt, in der sich auch sein Geschäftspartner, der gleichfalls in die Affäre verwickelte Ex-KGB-Mitarbeiter Andrei Lugowoi, zur Untersuchung befand.
Nach Angaben des leitenden Hamburger Oberstaatsanwalts Martin Köhnke gebe es „einen zulänglichen Anfangsverdacht, dass er nicht nur Opfer, sondern auch Täter sein kann“, aber eine „eindeutige Klärung, ob Kowtun Opfer oder Täter ist, lassen die bisherigen Ermittlungen nicht zu“. Gegen ihn läuft in Deutschland in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht auf unerlaubten Umgang mit radioaktiven Substanzen (§ 328 StGB) und wegen des Verdachts des Missbrauchs ionisierender Strahlen (§ 309 StGB). Die Polizei und das Bundeskriminalamt haben für die Ermittlungen zu Kowtun die Sonderkommission Dritter Mann eingerichtet.
Kowtun sollte im Juli 2015 als Zeuge per Videolink aus Moskau in der Untersuchung vor dem Londoner Strafgerichtshof zum Tod Litwinenkos aussagen. Nachdem er sich dazu im März 2015 bereiterklärt hatte, zog er seine Bereitschaft drei Tage vor dem geplanten Aussagetermin zurück und gab seine Verpflichtungen in der russischen Untersuchung zu dem Fall als Grund dafür an.[1]
Kowtun bestreitet, jemals Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gewesen zu sein. Er sei aber auf die gleiche Moskauer Kommandeursakademie gegangen wie Andrei Lugowoi, den er schon seit seiner Jugendzeit kenne. „Wir wohnten zwölf Jahre lang im selben Haus, unsere Väter arbeiteten im gemeinsamen Verteidigungsministerium“, sagte Lugowoi gegenüber Radio Echo Moskwy (zitiert nach Volksstimme.de).
Biografie
Nach Abschluss der Militärakademie 1986 war Kowtun nach eigenen Angaben fünf Jahre als Offizier in der DDR und der Tschechoslowakei stationiert. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 sei er zwölf Jahre in Deutschland geblieben. Er wohnte in Hamburg-Ottensen und war bis vor kurzem mit einer dort wohnenden Deutschen verheiratet. Mit ihr habe er seine erste Firma aufgebaut (VFBS, siehe unten), eine Beratungsfirma, jedoch keine Sicherheitsfirma, wie in den Medien behauptet. Im Jahr 2003 sei er nach Moskau zurückgegangen. Er hat nach eigenen Angaben in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung. Nach Ansicht der Zeitung Neues Deutschland (ND) deutet dies „mit Sicherheit“ auf eine Verbindung Kowtuns zum BND hin. „Wie sonst war es dem Sowjet-Offizier, der in der DDR stationiert war und […] nach dem Zusammenbruch der UdSSR desertierte, problemlos möglich, in Deutschland zu heiraten, eine Unternehmungsberatung aufzubauen und sofort ein uneinschränktes Aufenthaltsrecht zu erhalten?“ fragt ND.
Kowtun hat einen Abschluss in International Business Administration des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO) und den Master im Fach Jura. Er spricht Russisch, Englisch und wohl auch Deutsch.
Kowtun war in Russland zunächst beim russischen Energiekonzern Gasprom tätig. Später ging er zur Alfa Group, dem größten privaten Industrie- und Finanzkonzern Russlands. Danach wurde er einer der geschäftsführenden Gesellschafter bei dem Unternehmen VISTA Foreign Business Support (VFBS), das westliche Unternehmen juristisch und anderweitig bei Geschäftsanbahnungen, Markteintritt und ihren Aktivitäten in Russland berät. VFBS ist nach eigenen Angaben ein Partnerunternehmen des US-amerikanischen Anwaltsbüros Fragomen Global Immigration Services, LLC sowie Mitglied und in engem Kontakt stehend mit der Amerikanischen Handelskammer (AmCham) in Russland. Zu den Klienten zählen laut Firmenhomepage auch zahlreiche renommierte deutsche Unternehmen. Kowtun war bei VFBS verantwortlich für die Bereiche Geschäftsentwicklung, Unternehmensstrategie und Marketing. Seither war er als Berater für westliche Firmen tätig. Er hat nach eigenen Angaben Litwinenko am 16. Oktober durch Vermittlung von Lugowoi in London kennengelernt und am 17. Oktober in einem Londoner Büro zum Zwecke der Anbahnung eines Geschäftes mit einem britischen Unternehmen getroffen. Am 1. November trafen sie sich in der Bar des Hotels Millennium in London ein weiteres Mal.[2][3]
Quellen
- Frank Pergande: „War Kowtun der Polonium-Kurier?“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Dezember 2006 Fall Litwinenko: War Kowtun der Polonium-Kurier?
- Nachrichtenagentur Reuters/ New York Times, 10. Dezember 2006 Regulators Study Tighter Controls on Polonium 210
- Radio Echo Moskau, zitiert nach EuroNews, 10. Dezember 2006 Verfahren gegen Litvinenko-Kontaktmann (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
- VISTA Foreign Business Support Homepage (Google-Cache-Version)
- Stern-Interview mit Kowtun, 8. Dezember 2006
- spiegel.de, 11. Dezember 2006 Polonium-Affäre erreicht Hamburg: Unheimlicher Besucher in der Kieler Straße 12
- Neues Deutschland, 12. Dezember 2006 Kowtun mit Kontakten zum BND von René Heilig
Einzelnachweise
- Alexander Litvinenko inquiry: key figure pulls out of giving evidence in: The Guardian, 24. Juli 2015, abgerufen am 25. Juli 2015
- UK inquiry into Litvinenko's poisoning death wraps up, CNN, 1. August 2015
- Litvinenko inquiry: Russia involved in spy's death, Scotland Yard says, The Guardian, 30. Juli 2015