Dietrichswalder Marienerscheinungen
Während der Dietrichswalder Marienerscheinungen berichteten damals die 13-jährige Justyna Szafrynski und die 12-jährige Barbara Samulowski, dass ihnen in Dietrichswalde (heute Gietrzwałd im Powiat Olsztyński in der polnischen Wojewodschaft Ermland-Masuren) im Zeitraum vom 27. Juni bis zum 16. September 1877 mehrere Male die Jungfrau Maria erschienen sei. Anders als bei den nahezu zeitgleich stattfindenden Marpinger Marienerscheinungen reagierten die preußischen Behörden hier mit Zurückhaltung.[1]
Hintergrund: Konfession und Sprache im 19. Jahrhundert
Dietrichswalde liegt im Ermland, das im 19. Jahrhundert eine rein katholische Enklave im ansonsten protestantischen Ostpreußen war. In Dietrichswalde lebten neben Deutschen und Masuren auch polnischsprachige Preußen.
Die Ereignisse
Als im Juni 1877 die zwei Mädchen das erste Mal von den Erscheinungen berichteten, reagierte der zuständige Landrat von Allenstein mit deutlich größerer Umsicht, als dies bei seinen saarländischen Kollegen der Fall gewesen war, wo am 13. Juli 1876 die singende und betende Schar von Wallfahrern mit Hilfe von Militär auseinandergetrieben worden war. Der Landrat besuchte das Dorf in Begleitung von nur zwei Gendarmen. Er ließ zwar gleichfalls den Erscheinungsort absperren. Doch die 13.000 Wallfahrer, die sich gleichwohl in Dietrichswalde im August 1877 einfanden, wurden nur durch einen einzigen Gendarmen beobachtet. Im Sommer 1877 kamen bis zu 2.000 Pilger täglich.[2]
Die beiden Mädchen gerieten in den zu der Zeit herrschenden Kulturkampf und wurden zunächst im Kloster Heilsberg in Sicherheit gebracht. Später traten sie in die Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Kulm an der Weichsel ein. Barbara Samulowska war zeitlebens Nonne und starb 1950 in Guatemala. Justyne Szafrynska lebte 20 Jahre (1877–1897) im Kloster und erneuerte danach ihr Gelübde nicht mehr. Sie heiratete am 27. Dezember 1899 in Paris, Frankreich, Raymond Etienne Bigot und lebte nachweisbar bis 1904 in Malakoff, einem Außenbezirk von Paris. Danach fehlt jegliche Spur von ihr. Die Angabe, dass sie in Westfalen gewohnt haben soll, ist fraglich und es gibt keine Beweise dafür.[3][4]
Kirchen
Die Wallfahrtskirche in Dietrichswalde wurde in den Jahren von 1878 bis 1884 vom Paderborner Dom- und Diözesanbaumeister Arnold Güldenpfennig im neugotischen Stil erbaut. Das Gotteshaus wurde im Jahr 1970 von Papst Paul VI. zur Basilica minor erhoben. Kirchen mit dem Patrozinium der Gottesmutter von Gietrzwałd sind der Marienerscheinung gewidmet.
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Franz Hipler: Die Erscheinungen in Dittrichswalde für das katholische Volk nach amtlichen Berichten dargestellt. Mit Genehmigung des hochwürdigsten Bischofs von Ermland, Ermländische Zeitungs- und Verlagsdruckerei, Braunsberg 1877.
- 2. Auflage unter dem Titel: Erscheinungen in Dietrichswalde. Für das katholische Volk nach amtlichen Berichten dargestellt. Volksblatt-Druckerei, Allenstein 1924.
- Neuausgabe, herausgegeben von A.B. Bergen, unter dem Titel: Die Erscheinungen in Dietrichswalde. Nach Pfarrer F. Hippler (1877). In: Heimatjahrbuch der Kreisgemeinschaft Allenstein-Land e. V., Band 36, 2005, S. 191–201.
- Leon Niborski: Ein neues Marpingen in der Provinz Preußen. oder: Die Vorgänge in Dietrichswalde, für alle Denkenden geschrieben. Strzeczek, Löbau 1877.
- Antonio Pellicani: Apparizioni di Maria Santissima a Dietrichswalde. Collegio degli artigianelli, Turin 1878 (italienisch).
- Bernd Napolowski: Die Erscheinungen von Dietrichswalde. Der Pfarrer, die Mädchen und die Immaculata. Ein biblisch orientierter Deutungsversuch der Erscheinungen in Dietrichswalde. In: Heimatjahrbuch der Kreisgemeinschaft Allenstein-Land e. V., Band 30, 1999, S. 46–48.
- Hubert Orłowski: Rzecz o dobrach symbolicznych. Gietrzwałd 1877. Stiftung Borussia, Olsztyn 2003, ISBN 83-89233-21-5.
- Ulrich Fox: Bischof Philipp Krementz und die Erscheinungen in Dietrichswalde im Jahre 1877. Zu einer Veröffentlichung von Hubert Orłowski. In: Unsere Ermländische Heimat, Jg. 52 (2006), Heft 2 (Pfingsten), S. V–VII.
- Swetlana Fink: Dietrichswalde: Das ostpreußische Marpingen? Die Marienerscheinungen im Vergleich. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands (ZGAE), ISSN 0342-3344, Band 59, 2015, S. 3–30.
- Hubert Orłowski: Dietrichswalde – ein Erinnerungsort?. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands (ZGAE), Band 59, 2015, S. 49–56.
- Alois Bulitta: Der Gnadenort Dietrichswalde. In: Leo – Ein Sonntagsblatt für das katholische Volk, Jg. 1927, Nr. 33, S. 492.
- R. K.: Bei der Madonna von Dietrichswalde. In: Die Gartenlaube. Heft 2, 1878, S. 29–30 (Volltext [Wikisource]).
- Grzegorz Braun: Gietrzwałd 1877. Nieznane konteksty geopolityczne. Warszawa Fundacja Osuchowa, Częstochowa 2018, ISBN 978-83-65964038.
Einzelnachweise
- David Blackbourn: Marpingen – Das deutsche Lourdes in der Bismarckzeit (= Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 6). Vereinigung zur Förderung des Landesarchivs, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-9808556-8-6, S. 298.
- Reinhard Hauf: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Königsberg 1871–1920 (= Studien zur Geschichte Preußens, Band 31). Grote, Köln 1980, ISBN 3-7745-6447-7, S. 128.
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