Die Kraft und die Herrlichkeit
Die Kraft und die Herrlichkeit (engl.: The Power and the Glory) ist ein im Jahr 1940 zuerst in London erschienener Roman von Graham Greene. Er beschreibt den blutigen Kampf eines jungen revolutionären Offiziers in Lateinamerika gegen einen der letzten Arme-Leute-Priester der katholischen Kirche auf dem Land.
Handlung
Nach einer linken Revolution in einem Mexiko nicht unähnlichen, fiktiven Staat (vermutlich die republikanische Revolution 1930)[1], verfolgt ein junger Leutnant voller Hass auf die heuchlerische katholische Kirche einen ihrer letzten lebenden Priester. Dieser Pater, der mit der Seelsorge unter den Armen auf dem Land sein Leben riskiert, flieht von Dorf zu Dorf vor den zu seiner Tötung ausgesandten Soldaten, die auch Geiseln ermorden, um seiner habhaft zu werden. Er ist mitnichten ein Heiliger und vor allem ein Mensch, der sich mit einer Anzahl Sünden unterschiedlicher Art beladen hat: Er ist alkoholabhängig, also ein Schnapspriester. Er hat betrunken ein Kind gezeugt und sich um dessen Betreuung jahrelang nicht gekümmert. Und nur zürnend folgt er seinem Gott und der ihm auferlegten Berufung, seine Angst und Erschöpfung im Alkohol ertränkend.[2]
Mehrmals kommt es zu grotesken Situationen: Um sich zum Beispiel Messwein zu besorgen, lässt der Pater sich auf einen Bettler mit Beziehungen ein und landet in einem Hotelzimmer, wo er vom Vetter des Gouverneurs Wein und Schnaps in Flaschen kauft, welche er zusammen mit dem Vetter und dem ihn verfolgenden Polizeichef austrinken muss.
Um der Belohnung Willen verrät schließlich ein Mestize den Pater, der sehenden Auges in die Falle läuft. Zwar wurde er gerufen, um einem angeschossenen Verbrecher die letzte Beichte abzunehmen, aber ein Stück weit sucht er – wieder frevelnd – auch Erlösung durch den Tod, Erlösung von seinen ihn drückenden Sünden, von der Verfolgung und der Gewissenslast der seinetwegen erschossenen Geiseln.
Vor seiner Erschießung kommt es zu Gesprächen zwischen dem Leutnant und dem Priester, in denen sich ein gegenseitiger Respekt entwickelt: Beide Seiten suchen auf ihre Weise den Ausweg aus der Schlechtigkeit dieses Lebens – der eine in der Revolution, der andere in der (geläuterten) Kirche der Armen. Beiden, dem Verfolger und dem Verfolgtem gemeinsam ist die Gewissheit, im Elend der Welt verlassen zu sein.[3]
Die Erzählung kommt auf den letzten Seiten zu einer am Anfang erwähnten Familie zurück, in der eine fromme Mutter ihren Kindern abends Heiligengeschichten vorliest. An ihre Tür klopft eines Nachts leise ein Nachfolger des erschossenen Priesters und ist wie sein Vorgänger auf der Flucht – die Geschichte der Missionierung im Untergrund geht weiter.[4]
Erzählweise
Greene, ein überzeugter, aber der Kirche gegenüber kritischer Katholik erzählt chronologisch in einer linearen Struktur mit gelegentlichen kurzen Rückblicken. Die Darstellung ist zwar überwiegend auktorial aus der Perspektive des verfolgten Priesters, aber auch die Innenwelt anderer Figuren, z. B. die des ihn verfolgenden Offiziers, wird ausgebreitet.[5]
Die Figuren sowohl des Leutnants als auch die des verfolgten Paters haben keine individuellen Namen, sie sind Vertreter zweier weltumspannender Kräfte zur Erleichterung der Mühsal der Beladenen.[6] Aber beide sind in ihren hierarchischen Systemen isoliert: der Leutnant, der nach den Priestern schon die Politiker und sogar seinen eigenen korrupten Chef auf die Liste der zu Verfolgenden setzen will, und der Priester, der im Gegensatz zur ´Kirche der Wohlhabenden´ den Ruf der Armen hört und bei ihnen zu leben versucht.[7] Der Roman beginnt und endet daher nicht zufällig mit Familiensituationen – Erlösung kommt für Greene nicht aus den Gewehren der sozialen Bewegungen oder der ideologischen Mächte, sondern aus der Liebe zum Nächsten.[8]
Greene zeichnet die beiden Repräsentanten ihrer Bewegungen gleichermaßen als im Prinzip positive Figuren und weder der eine noch der andere wird denunziert. Beide sind in die Ideale ihrer gegensätzlichen Bewegungen und zugleich in ihre Verbiegungen verstrickt, auf beiden Seiten sind das Recht und das Unrecht zu finden: „Es muß zuweilen ein Trost für den Soldaten sein, daß die Gräuel auf beiden Seiten dieselben sind: niemand war je allein“ mit seiner Enttäuschung.[9]
Rezeption
Die Veröffentlichung fand zunächst wegen des begonnenen Kriegs in Europa als Erzählung über Amerika keine große Aufmerksamkeit. Bis in die Nachkriegszeit hatten sich dann aber die positiven Reaktionen so weit vermehrt, dass sich hohe Würdenträger der katholischen Kirche gegen den Roman wandten, vor allem wegen seiner moralisch ambivalenten Hauptfigur. Aber als Greene 1965 von Papst Paul VI. zur Audienz empfangen wurde, sagte ihm dieser: "Manche Passagen in ihren Büchern werden sicherlich einige Katholiken kränken. Geben Sie nichts darauf."[10]
Bibliografie
- Graham Greene: The Power and the Glory. Roman. William Heinemann, London 1940
- Deutsche Ausgabe: Die Kraft und die Herrlichkeit. Deutsch von Veza Magd und Bernhard Zebrowski. Zsolnay, Berlin 1948 (auch Heinemann & Zsolnay, London 1947)
- Deutsche Taschenbuchausgabe: Die Kraft und die Herrlichkeit. Aus dem Englischen von Käthe Springer und Veza Magd. dtv, München 2003, ISBN 978-3-423-13154-4
Sekundärliteratur
- Karl Heinz Göller: Graham Greene: The Power and the Glory. In: Horst Oppel (Hrsg.): Der moderne englische Roman – Interpretationen. Erich Schmidt Verlag, 2. rev. Auflage, Berlin 1971, ISBN 3-503-00701-6, S. 245–261.
- Arvin R. Wells: The Power and the Glory. In: John V. Hagopian und Martin Dolch (Hrsg.): Insight II – Analysis of Modern British Literature. Hirschgraben Verlag, Frankfurt am Main 1970, S. 153–164.
Weblinks
Verfilmung
Bereits 1947 wurde Befehl des Gewissens verfilmt. Regie führte John Ford; die Hauptrolle des Priesters spielte Henry Fonda, den Offizier Pedro Armendáriz. 1962 wurde ein Remake vom Regisseur Marc Daniels veröffentlicht, die sich näher an der Romanvorlage orientierte. – Spiegel 50/1960.
Einzelbelege
- "Die Handlung orientiert sich an der Verfolgung der katholischen Kirche in der mexikanischen Provinz Tabasco während der Amtszeit des Gouverneurs Tomás Carrido Canabal." Greene, gläubiger Katholik und Anhänger von Fidel Castro, war 1938 für fünf Wochen nach Mexiko gereist und hatte sich dort über die Ereignisse informieren können. (getabstract.com, siehe Weblinks / ARD Bildungskanal, siehe Weblinks.)
- ARD Bildungskanal (siehe Weblinks): "1926 konvertierte Greene zum Katholizismus, war aber nie ein ´katholischer´ Autor. In der Kirche machte er sich keine Freunde, als er einen "Schnapspriester" zur Hauptfigur (...) machte."
- ARD Bildungskanal (siehe Weblinks): "Am Tag vor der Hinrichtung unterhalten sich die beiden über die Natur des Bösen und der Leutnant erkennt, dass er es hier nicht mit einem schlechten Menschen zu tun hat."
- Die Erscheinung eines Nachfolgers kann als Traum des Jungen der Familie oder als "Überleben des Religiösen schlechthin gedeutet werden." (getabstract.com, siehe Weblinks.)
- Es handelt sich um einen realistisch erzählten Roman, "der Elemente der Unterhaltungsliteratur und der kinematographischen Montage verwendet. (...) Insbesondere der erste der insgesamt vier Teile des Buches erinnert in seinen übergangslosen Schnitten von Schauplatz zu Schauplatz an einen Film." (getabstract.com, siehe Weblinks.)
- Durch die Namenlosigkeit "wird die Allgemeingültigkeit des Konflikts betont." (getabstract.com, siehe Weblinks.)
- Heil, siehe Weblinks: "Ich bewundere den Katholiken Graham Greene, wie er die unbarmherzige und dürre Ideologie der Revolutionäre vorführt, zugleich aber die Kirche und das klerikale Verhalten demaskiert."
- Heil, siehe Weblinks: "Schade nur, dass der Priester diese Erkenntnis (sein Kind "war wichtiger als ein ganzer Kontinent.") nur gegen die neue Politik richtet, nicht aber gegen das eigene Glaubensgebäude."
- Deutsche Ausgabe von 1948, 2. Teil, Ende des 1. Kapitels, S. 124. Greene beleuchtet "exemplarisch das Verhältnis von heilloser Welt und christlicher Heilserwartung." Nur ein Glaube an die Verbesserung der Welt "rettet die menschliche Seele aus dem Schlamm der weltlichen Existenz." (getabstract.com, siehe Weblinks.)
- getabstract.com, siehe Weblinks.