Deutsche Nähmaschinen-Fabrik
Die Deutsche Nähmaschinen-Fabrik wurde 1863 von Joseph Wertheim in Frankfurt am Main gegründet. Das Unternehmen wurde bald zum größten deutschen Nähmaschinen-Hersteller.[1] Bis 1920 entstanden in der Fabrikanlage in Frankfurt-Bornheim rund 1,5 Mio. Nähmaschinen, von denen ein großer Teil in den Export nach Australien und Südamerika ging. Die Produktion wurde 1932 nach Spanien verlegt, 1940 erfolgte die Löschung der Firma. Der Markenname Wertheim bestand noch bis 1975.
Deutsche Nähmaschinen-Fabrik von Jos. Wertheim | |
---|---|
Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1863 |
Auflösung | 1940 |
Auflösungsgrund | Löschung |
Sitz | Frankfurt-Bornheim |
Mitarbeiterzahl | 600 |
Branche | Textilmaschinenbau |
Geschichte
Der achtundzwanzigjährige Mechaniker Joseph Wertheim aus Rotenburg an der Fulda kam 1862 nach Bornheim, das damals noch vor den Toren Frankfurts lag. Er hatte die Generalvertretung für Nähmaschinen der amerikanischen Firma Wheeler & Wilson für den süddeutschen Raum übernommen und gründete eine Verkaufsniederlassung auf einem Gelände zwischen Burgstraße und Petterweilstraße, nördlich der Bornheimer Haide. Eine Werkstatt für die Herstellung von Ersatzteilen richtete er in der Großen Friedberger Straße 7 ein. 1863 richtete er in Hanau in der Schloßgasse 7 (heute Graf-Philipp-Ludwig-Straße) seine erste Nähmaschinenfabrik ein, wo bis 1865 bereits 1.000 Nähmaschinen produziert wurden. Ende 1867 errichtete er an der Burgstraße eine neue Fabrik, die 1868 mit 80 Arbeitern ihre Tätigkeit aufnahm. Drei Jahre später wurden schon 300 Arbeiter beschäftigt.[1][2]
Am 6. Mai 1873 wurde die Firma in die "Aktiengesellschaft Deutsche Nähmaschinen-Fabrik von Jos. Wertheim" umgewandelt, deren Anteile nur an Mitarbeiter ausgegeben wurden. Im gleichen Jahr wurde auch eine Zweigniederlassung in Barcelona gegründet. 1883 betrug die Jahresproduktion bereits 35.000 Nähmaschinen, die von 600 Arbeitern an etwa 350 Arbeitsmaschinen hergestellt wurden. Das Fabrikgelände belegte inzwischen den gesamten Straßenblock zwischen Burg-, Eichwald-, Petterweil- und Germaniastraße mit etwa 7800 Quadratmetern.▼ Wertheim war inzwischen der größte Arbeitgeber Bornheims. Ein erheblicher Teil der Produktion wurde nach Australien und Südamerika exportiert.[1] Die Fabrik besaß zwei Dampfkessel von 185 Quadratmetern Heizfläche, zwei Dampfmaschinen von zusammen 95 Pferdestärken, zwei Kupolöfen und eine Gießerei, in der nach eigenen Patenten Formteile gefertigt wurden.
Ab 1875 wurde die Firma durch zwei Geschäftsführer geleitet, Samuel Guckenheimer und Carl Wettach. Sie führten die Geschäfte bis 1890, als Ernst Wertheim, der älteste Sohn von Joseph Wertheim, in die Geschäftsführung mit eintrat.
Am 31. Mai 1883 brach im östlichen Fabrikgebäude, in welchem sich die Schreinerei, Gießerei, ein Teil der Dreherei und die Lackierwerkstatt befanden, mittags ein Brand aus, der durch den starken Ostwind auch auf das westliche Gebäude übergriff; Dachstühle und Decken stürzten ein, und ca. 600 Nähmaschinen wurden zerstört. Brandursache war vermutlich fahrlässiger Umgang mit Feuer in der Lackiererei. Der Schaden war durch Versicherungen gedeckt. Als Folge mussten 1884 ca. 150 Arbeiter wegen 25%igen Produktions-Rückständen entlassen werden.
1907 erwarb die Nähmaschinenfabrik ein 30.000 Quadratmeter großes Grundstück beim Bahnhof Bonames am Frankfurter Berg zum Bau einer Gießerei, die bereits 1908 eröffnet wurde.▼ Im selben Jahr wurde auch die einmillionste Nähmaschine aus der Produktion der Deutsche Nähmaschinen-Fabrik ausgeliefert. 1911 wurde eine Eisengießerei errichtet. Bis 1918 stieg die Gesamtproduktion auf etwa 1,5 Millionen Nähmaschinen.[1]
1920 wurde die 1870 gegründete Zweigniederlassung der Nähmaschinenfabrik von Joseph Wertheim in Barcelona in die "Rápida S.A." umgewandelt, die von einem Sohn von Joseph Wertheim, Karl Wertheim (Carlos Vallin) geleitet wurde. Ab 1932 wurde dann die ganze Fabrikationseinrichtung in Frankfurt demontiert und die Nähmaschinenproduktion nach Barcelona verlegt. Die nationalsozialistische Stadtverwaltung bemühte sich, jegliche Erinnerung an die deutsch-jüdische Familie Wertheim auszulöschen.[3] 1936 wurden die Fabrikgebäude in Bornheim abgerissen und 1938 Wohnhäuser auf dem Gelände errichtet. 1937 erfolgte die Löschung der IHK-Akte, 1940 erfolgte die endgültige Löschung der Firma von Amts wegen.
Die Firma Teves Maschinen und Armaturenfabrik übernahm 1940 die Gießerei am Frankfurter Berg. 1943 übernahm die Olivetti-Gruppe die "Rapida S.A." in Barcelona, wo noch bis 1975 Nähmaschinen unter dem Namen "Wertheim" produziert wurden.
Bekannte Modelle
- Electra
- Griffin
- Rhenania
- Saturn
- Saxonia
- Superba
- Triumph
- Triplex
Produktionszahlen
Jahr | Produktion | Gesamtproduktion | Mitarbeiter | Anmerkungen |
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1862 | ? | ? | ? | |
1863 | ? | ? | 28 | |
1864 | 350 | 350 | ||
1865 | 650 | 1.000 | 90 | |
1866 | 700 | 1.500 | ||
1867 | 1.500 | 3.000 | ||
1868 | 4.000 | 7.000 | Eröffnung der Fabrik in Frankfurt-Bornheim | |
1869 | 6.200 | 13.200 | ||
1870 | 7.500 | 20.700 | ||
1871 | 8.200 | 28.900 | 300 | |
1872 | 9.100 | 38.000 | ||
1873 | 10.000 | 48.000 | ||
1874 | 12.400 | 60.400 | 380 | |
1875 | 14.600 | 75.000 | ||
1876 | 16.800 | 91.800 | ||
1877 | 21.000 | 112.800 | ||
1878 | 25.300 | 138.100 | ||
1879 | 27.900 | 166.000 | ||
1880 | 31.000 | 197.000 | ||
1881 | 32.000 | 229.000 | 540 | |
1882 | 34.000 | 263.000 | ||
1883 | 35.000 | 298.000 | 600 | 31. Mai 1883 Großbrand |
1884 | 26.000 | 324.000 | 450 | 150 Entlassungen |
1885 | 25.000 | 349.000 | 440 | |
1886 | 27.000 | 376.000 | ||
1887 | 25.000 | 401.000 | ||
1888 | 24.000 | 425.000 | ||
1889 | 23.000 | 448.000 | 480 | |
1890 | 20.000 | 468.000 | ||
1891 | 21.000 | 489.000 | ||
1892 | 20.000 | 509.000 | ||
1893 | 18.000 | 527.000 | ||
1894 | 18.000 | 545.000 | ||
1895 | 18.000 | 563.000 | 500 | |
1896 | 19.000 | 582.000 | ||
1897 | 22.000 | 604.000 | ||
1898 | 23.000 | 627.000 | ||
1899 | 25.000 | 652.000 | Todesjahr von Joseph Wertheim | |
1900 | 26.000 | 678.000 | 520 | |
1901 | 28.000 | 706.000 | ||
1902 | 31.000 | 737.000 | ||
1903 | 36.000 | 773.000 | 560 | |
1904 | 45.000 | 818.000 | ||
1905 | 52.000 | 870.000 | ||
1906 | 50.000 | 920.000 | ||
1907 | 51.000 | 971.000 | ||
1908 | 54.000 | 1.025.000 | 620 | Eröffnung der Eisengießerei Bonames |
1909 | 54.000 | 1.079.000 | ||
1910 | 52.000 | 1.131.000 | ||
1911 | 53.000 | 1.184.000 | ||
1912 | 56.000 | 1.240.000 | 1.Mai Brand im neuen Teilemagazin | |
1913 | 54.000 | 1.294.000 | 580 | |
1914 | 36.000 | 1.330.000 | 380 | |
1915 | 32.000 | 1.362.000 | 320 | |
1916 | 25.000 | 1.387.000 | 280 | |
1917 | 20.000 | 1.407.000 | 240 | |
1918 | 18.000 | 1.425.000 | 220 |
Weblinks und Literatur
- NaeMaSchmiede.de
- Deutsche Nähmaschinen-Fabrik von Jos. Wertheim auf www.albert-gieseler.de
- Carlos Guilliard: Das verschollene Erbe der Wertheims. Die Geschichte meiner deutsch-jüdischen Familie. Bastei Lübbe AG, Köln 2018. ISBN 978-3-7857-2633-4.
Einzelnachweise
- Volker Rödel: Fabrikarchitektur in Frankfurt am Main 1774–1924. Die Geschichte der Industrialisierung der Stadt Frankfurt am Main im 19. Jahrhundert (= Beiträge zur Stadtentwicklung). Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-7973-0435-8, S. 94–95 und 290.
- Carla und Heinz Schutt: Das Bornheim Buch. Gesellschaft in Bornheim, Frankfurt 1988, ISBN 3-926016-01-9. S. 50
- Brendan Berk: Wo einst die Nähmaschinen ratterten. In: Frankfurter Rundschau. 28. September 2007.