David (Michelangelo)
Der David von Michelangelo (1475–1564), zwischen 1501 und 1504 in Florenz entstanden, ist die erste Monumentalstatue der Hochrenaissance und gilt als die bekannteste Skulptur der Kunstgeschichte. Das aus einem einzigen Marmorblock gehauene Original befindet sich seit 1873 in der Galleria dell’Accademia in Florenz. Die 5,17 Meter hohe Figur wiegt schätzungsweise fast sechs Tonnen.[1]
Die Skulptur, die David in Vorbereitung auf den Kampf gegen Goliath zeigt, wurde 1504 auf der Piazza della Signoria aufgestellt, als Symbol der Florentiner Republik, gegen deren Feinde David wacht.
Beschreibung
Die Skulptur stellt den biblischen David in dem Augenblick dar, in dem er, die Steinschleuder bereits auf der Schulter angelegt, den Kampf gegen den Riesen Goliath aufnimmt (1 Sam 17 ). Davids Körper erscheint in entspannter Kontrapost-Stellung, lässig trägt er die Schleuder über der linken Schulter. Die kampfbereite Spannung wird in den hervorstehenden Adern der rechten Hand erkennbar, die das Wurfgeschoss umschließt, vor allem aber in der Nacken- und Gesichtspartie: in den straffen Halssehnen, den angespannten Lippen und Nasenflügeln, der gerunzelten Stirn. Davids Blick ist auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.
Michelangelos Darstellung unterscheidet sich von früheren Versionen aus der Florentiner Renaissance, da sie David vor dem Kampf gegen den Riesen zeigt. Die Bildhauer Donatello und Verrocchio und der Maler Andrea del Castagno[2] stellen den jugendlichen Helden mit dem abgeschlagenen Kopf von Goliath dar. Michelangelo hingegen lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters nicht mehr auf den zu Ende gegangenen Kampf, sondern auf den unmittelbar bevorstehenden Sieg.
Entstehung
1501 erhielt der 26-jährige Michelangelo von der einflussreichen Arte Della Lana, der Wollweberzunft, in Florenz den Auftrag für eine kolossale Davidstatue. Als Lohn wurden 400 Gulden vereinbart.[3] Ihm stand ein riesiger Carrara-Marmorblock, genauer ein Statuarioblock, zur Verfügung, der nach aufwändiger, zweijähriger Reise seit 1468 im Domgarten lagerte. Dieser Block war über fünf Meter lang, etwa zwölf Tonnen schwer und wies aber auch kleine Löcher und Adern auf.[4] Bereits 1464 war Agostino di Duccio beauftragt worden, aus dem Block eine David-Figur zu schaffen, sowie 1476 desgleichen Antonio Rossellino; beide Bildhauer hatten die Arbeit aufgegeben und den wuchtigen Block in grob behauenem Zustand hinterlassen. Michelangelo sollte nunmehr den fast vierzig Jahre zuvor von der Domopera gefassten Plan vollenden, das Figurenprogramm der äußeren Strebepfeiler von Santa Maria del Fiore durch einen David zu ergänzen.
Die auf den ersten Blick mangelhaft erscheinenden Proportionen der Figur waren der starken Untersicht des vorgesehenen Standorts in großer Höhe außen am Domchor angepasst.
Im Frühjahr des Jahres 1504 entschied sich eine von der Signoria der Stadt eigens eingesetzte Kommission, der neben anderen auch die Künstler Piero di Cosimo, Sandro Botticelli und Leonardo da Vinci angehörten, jedoch für einen anderen Standort für den fast fertiggestellten David. Die Kommission wählte mehrheitlich den Platz vor dem Palazzo Vecchio, dem Sitz der Signoria.
Beim vier Tage dauernden Transport der Statue, während einer Nachtpause, griff eine Gruppe von jungen Leuten, die der pro-Medici-Fraktion treu waren und von der Macht verdrängt wurden, die Statue an, indem sie das Symbol der republikanischen Regierung mit Steinen bewarf; der symbolische Wert des Werkes war offensichtlich – David wurde als Kämpfer gegen die 1494 vertriebenen Medici gesehen.[5]
Am 8. September 1504 wurde die Skulptur vor dem Palazzo Vecchio feierlich enthüllt.
Geschichte der Skulptur
Am 26. April 1527, als Aufständische in Florenz Steine aus dem Palazzo Vecchio warfen, wurde der linke Arm getroffen, der in drei Stücke zerbrach.[6][7] Der junge Giorgio Vasari sammelte die Bruchstücke ein gab sie in Verwahrung. Nachdem die Herrschaft der Medici endgültig gesichert war, wurden sie 1543 Cosimo I. übergeben, der die Figur restaurieren ließ.[8]
Um die Marmorskulptur vor der Witterung zu schützen, wurde 1873 beschlossen, sie von der Piazza della Signoria zu entfernen und in der Florentiner Accademia unterzubringen. Für diesen Zweck hatte der italienischen Architekt Emilio de Fabris einen eigenen Kuppelraum, die sogenannte Tribuna, entworfen. Durch bürokratische und bauliche Verzögerungen wurde der Umzug der Figur zunächst verhindert und sie wurde in einer Holzverschalung in der Nähe der Accademia untergebracht. 1882 konnte die Tribuna fertiggestellt und mit ihrem David der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[9]
1991 wurde die Statue von einer Person beschädigt, die einige Stücke Marmor aus den Zehen des linken Fußes mit einem Hammer herausschlagen konnte, bevor sie von Sicherheitskräften überwältigt wurde.[10][11]
2010 erhob der italienische Kulturminister Sandro Bondi Eigentumsansprüche des italienischen Staates an der Figur.[12] Der Staat hat es bislang unterlassen, die fünf Meter hohe Skulptur vor Erdbeben zu schützen und auf einen erdbebensicheren Sockel zu stellen, um ihr Sturz- und Zerstörungsrisiko zu mindern.[13]
Kopien der Statue
In Florenz wurde 1910 am ursprünglichen Platz der David-Statue vor dem Palazzo Vecchio eine Marmorkopie aufgestellt. Ein Bronzeabguss bildet den Mittelpunkt eines Ensembles auf dem um 1900 angelegten Piazzale Michelangelo, das von – ebenfalls in Bronze abgegossenen – weiteren Florentiner Skulpturen Michelangelos flankiert ist.
Inzwischen gibt es weltweit zahlreiche Kopien des David, darunter unter anderem:
- Eine maßstabsgetreue Replikation wurde für das Puschkin-Museum für bildende Künste in Moskau zu Lehrzwecken für Studierende geschaffen, wo sie zusammen mit Replikationen anderer Künstler zum selben Sujet steht.[14]
- 1896 schenkte der deutsche Verleger Arnold Hirt dem Leipziger Museum der bildenden Künste eine maßstäbliche Kopie aus Gips.[15]
- Der italienische Künstler Clemente Papi fertigte im 19. Jahrhundert eine Gipskopie für Königin Victoria von England an, sie zeigte sich jedoch über die Nacktheit der Figur so schockiert, dass zusätzlich ein maßstäbliches Feigenblatt angefertigt wurde, das bei zukünftigen königlichen Besuchen die Genitalien verhüllte. Die Figur befindet sich heute (samt einer Kopie des Feigenblattes) im Victoria and Albert Museum in London.[16]
- 1995 wollte die Stadt Florenz der Stadt Jerusalem eine Kopie aus Anlass des 3000-jährigen Jubiläums der Eroberung der Stadt durch David schenken. Nach heftigen Widerstand seitens orthodoxer Juden lehnten die Behörden von Jerusalem das Geschenk ab, weil die Statue einerseits nackt und andererseits unbeschnitten war und somit zwar einen Italiener, aber keinen Juden darstellen konnte.[17][18][19]
- In Kalifornien dekorierte jemand sein Haus und sein Grundstück mit 23 verkleinerten Kopien des David, allerdings alle mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck.[20]
- Eine grell rosafarbene Kopie des David aus Metall und Epoxidharz von Hans-Peter Feldmann hat von 2010 bis 2016 im Kant-Park vor dem Lehmbruck-Museum in Duisburg gestanden, musste danach jedoch wegen Witterungsschäden demontiert und eingelagert werden.
- Mit einer Größe von 1 mm und 0,1 mm[21] ist eine Kopie aus Kupfer, welche durch ein spezielles 3D-Druckverfahren gefertigt wurde, die wahrscheinlich kleinste David-Statue der Welt.
Literatur
- Willi Adelmann u. a.: Florenz. Frankfurt am Main 1982; S. 236–256.
- Aurelio Amendola (Fotografien), Antonio Paolucci (Text): Michelangelos David. DuMont-Literatur-und-Kunst-Verlag, Köln 2002, ISBN 3-8321-7189-4. Geschichtliche Einführung, großformatige Fotodokumentation (s/w) mit vielen Detailaufnahmen
- My Heilmann: Florenz und die Medici. Köln 1981.
- HoIlaria Ferraris, Christopher McDowall (Hrsg.): Michelangelo’s David. A Masterpiece Restored. Text: Franca Falletti; Fotos: Antonio Quattrone; Übersetzung: Joan Reifsnyder. Giunti / Firenze Musei, Mailand 2006, ISBN 978-88-09-03760-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Digital Michelangelo Project, Untersuchung der Stanford-Universität von 1999
- Andrea del Castagno: David mit dem Kopf Goliaths, Wikimedia Commons
- L'avarizia e la mancanza di Michelangelo Buonarroti. In: Elisa Rossini. 6. März 2020, abgerufen am 30. August 2021 (it-IT).
- Sam Anderson: Nobody is perfect. Der David von Michelangelo hat Arthrose. Und unserem Autor ging es auch nicht so gut. Das Magazin N° 36, Tamedia Zürich, 10. September 2016, Seiten 10–19
- Marta Alvarez Gonzáles: Michelangelo. Mondadori Arte, Mailand 2007, ISBN 978-88-370-6434-1, S. 142.
- Patricia Lee Rubin, Maurice Rubin: Giorgio Vasari: Art and History. Yale University Press, 1995, ISBN 978-0-300-04909-1 (google.de [abgerufen am 28. August 2021]).
- Umberto Baldini: The Sculpture of Michelangelo. Rizzoli Intl Pubns, 1984, ISBN 978-0-8478-0447-4.
- Florenz. Ein Reisebuch. Universität Bremen. Syndikat, Frankfurt am Main 1982. 2. Auflage 1983, S. 252. (Das Buch ist vergriffen. Eine Neuauflage unter Lizenz des Syndikat Verlags erschien 1989 bei Athenäum, Frankfurt am Main, unter dem Titel: Florenz. Ein Reisebuch durch die Stadtgeschichte. ISBN 978-3-610-04731-3)
- La Tribuna del David di Michelangelo. In: Accademia.org. Abgerufen am 28. August 2021 (italienisch/englisch).
- Säuberung: Davids neue Leuchtkraft. In: FAZ.NET (Frankfurter Allgemeine Zeitung), 24. Mai 2004
- Michelangelo’s David is damaged. In: nytimes.com (The New York Times), 15. September 1991
- Zank um Michelangelo-Skulptur: Alle wollen David. In: Spiegel Online, 16. August 2010
- Sam Anderson: Nobody is perfect. Der David von Michelangelo hat Arthrose. Und unserem Autor ging es auch nicht so gut. Das Magazin N° 36, Tamedia Zürich, 10. September 2016, Seiten 10–19
- Fünf gute Gründe, das Puschkin-Museum zu besuchen. In: Russia beyond. Abgerufen am 2. Mai 2021.
- Verzeichnis der Kunstwerke im Museum der bildenden Künste zu Leipzig. In: Internet archive. 1903, abgerufen am 2. Mai 2021.
- The story of Michelangelo's David. The Royal Albert and Victoria Museum, abgerufen am 2. Mai 2021 (englisch).
- Michelangelo's David all over the world. Italy tickets, abgerufen am 2. Mai 2021 (englisch).
- Gil Zohar: How should we reconcile free speech with hate. In: Religion unplugged. 17. Juli 2020, abgerufen am 2. Mai 2021 (englisch).
- Jerusalem says no to David statue because he’s nude. AP News, 21. Juli 1995, abgerufen am 2. Mai 2021 (eb).
- Daniel Yi, "House of 'David': When 17 replicas of Michelangelo's famed statue adorn the outside of a home, is it art or excess?," Los Angeles Times, Metro (Nov 17, 1997): 1.
- Peter Rüegg: Auf Millimetergrösse geschrumpfter David. In: ethz.ch. 18. Dezember 2019, abgerufen am 3. Januar 2020.