Collection de l’Art Brut
Die Collection de l’Art Brut ist ein 1976 eröffnetes Museum in der Stadt Lausanne im schweizerischen Kanton Waadt. Es ist dem Kunstgenre Art brut gewidmet.
Geschichte
Die Sammlung des Museums umfasst Werkgruppen von Künstlern, die in ihrem Schaffen oft ungewohnte Materialien und eigenwillige Ausdrucksformen verwendet haben. Es handelt sich um Werke, die ausserhalb des allgemeinen oder offiziellen Kunst- und Kulturbetriebs entstanden. In vielen Heilanstalten für psychisch beeinträchtigte Personen diente die Beschäftigung mit Kunstformen einem therapeutischen Zweck. In einigen Institutionen wurden auf diese Weise entstandene Arbeiten von Patienten für weitere Studien archiviert. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg begannen sich die Surrealisten teilweise für die «art des fous» zu interessieren, die damals manchmal auch in Ausstellungen zu sehen war.
Die Sammlung in Lausanne geht auf den französischen Maler Jean Dubuffet zurück, der in den 1920er-Jahren auf die vom deutschen Psychiater Hans Prinzhorn in Heidelberg zusammengestellten Objekte aufmerksam wurde, die heute in der Sammlung Prinzhorn aufbewahrt werden. Dubuffet begann selber solche Arbeiten zu erwerben und schuf für diese Werke den Begriff der art brut. Zusammen mit Paul Budry von Vevey besuchte Dubuffet unter anderem die psychiatrischen Kliniken der Schweiz auf der Suche nach Archiven mit Werken von Patienten. Auch in Gefängnissen stiess er auf vergleichbare Arbeiten, die von Insassen hergestellt worden waren. Er veröffentlichte Werke der art brut in verschiedenen Büchern. Seine erste Publikation der Reihe Les Fascicules de l’art brut mit dem Titel Les Barbus Müller et autres pièces de la statuaire provinciale konnte zunächst nicht gedruckt werden und erschien erst 1979 beim Musée Barbier-Mueller in Genf.
Von 1947 bis 1951 veranstaltete Dubuffet in Paris Ausstellungen mit Werken aus seiner wachsenden Sammlung. Zusammen mit andern Künstlern gründete er die Compagnie de l’art brut, die sich 1951 in den USA niederliess. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich wohnte Dubuffet ab 1962 wieder in Paris, wo er lange Zeit erfolglos einen festen Platz für den bei ihm befindlichen Teil seiner Sammlung suchte. Weil er damit keinen Erfolg hatte, ging er schliesslich eine Vereinbarung mit der Stadt Lausanne ein, die ihm für die Kunstwerke einen geeigneten Aufbewahrungsort angeboten hatte. Am 28. Februar 1976 wurde dort der neue Ausstellungsort im Château de Beaulieu eröffnet.
Ausgehend von Dubuffets Grundlage hat das Museum seit 1976 seine Sammlung stetig um neue Werkgruppen erweitert, zahlreiche Ausstellungen organisiert und Schriften zur Art brut herausgegeben. Von 1976 bis 2001 leitete Michel Thévoz das Museum, 2001 wurde Lucienne Peiry, die eine Dissertation zur Art brut geschrieben hatte, seine Nachfolgerin. Sie blieb bis 2012 im Amt, als Sarah Lombardi die Leitung des Museums interimistisch übernahm; 2013 wurde Lombardi zu dessen Direktorin gewählt.[1] Die Sammlung des Museums umfasst gemäss dessen eigener Angabe inzwischen Werke von rund 1000 Urhebern.[2]
Die Collection de l’Art Brut und das Château de Beaulieu zählen heute zu den Waadtländer Kulturgütern mit nationaler Bedeutung.
In Zusammenarbeit mit dem Waadtländer Fotografen Mario Del Curto und der 1998 gegründeten Gesellschaft Société des Arts Indisciplinés in Montreal realisierte die Collection de l’Art Brut 2005 eine Wanderausstellung über den unkonventionellen Künstler Richard Greaves, der aus diesem Anlass in den Strassen der Stadt Lausanne verschiedene Installationen errichtete.
Für einige aus den USA zurückgebrachten Sammlungsbestände der Compagnie de l’art brut und für die Bibliothek von Jean Dubuffet ist die 1974 in Paris gegründete Fondation Jean Dubuffet verantwortlich.
Künstler (Auswahl)
- Ataa Oko
- Ursula Bluhm
- Benjamin Bonjour
- Marguerite Burnat-Provins
- Gaston Chaissac
- Aloïse Corbaz
- Jean Vincent de Crozals
- Henry Darger
- Paul Goesch
- Helga Goetze
- Carl Fredrik Hill
- Rosemarie Koczy
- Ernst Kolb
- Hans Krüsi
- Heinrich Anton Müller
- Jean-Joseph Sanfourche
- Eugenio Santoro
- Philipp Schöpke
- Friedrich Schröder Sonnenstern
- Armand Schulthess
- Somuk
- Louis Soutter
- Oswald Tschirtner
- August Walla
- Alois Wey
- Scottie Wilson
- Josef Wittlich
- Adolf Wölfli
- Carlo Zinelli
Literatur
- Céline Delavaux: L’Art brut, un fantasme de peintre. Jean Dubuffet et les enjeux d’un discours. Paris 2010.
- Lucienne Peiry, Sarah Lombardi: Collection de l’Art Brut. Genf 2012.
Weblinks
- Website der Collection de l’Art Brut
- Collection de l’Art Brut. lausanne-musées
- Une Collection pour l’Art Brut. Dossier RTS
Einzelnachweise
- Collection de l’Art Brut Lausanne. Historique, abgerufen am 11. November 2020.
- La Collection de l’Art Brut aujourd’hui, abgerufen am 11. November 2020.