Clärchens Ballhaus
Clärchens Ballhaus ist ein Tanzlokal mit Restaurant an der Auguststraße im Berliner Ortsteil Mitte.
Geschichte
Fritz Bühler (1862–1929)[1] und seine Ehefrau Clara Bühler (1886–1971)[2] eröffneten Bühlers Ballhaus am 13. September 1913 im Hinterhaus der Auguststraße 24/25.[3] Das Haus war um 1895[4] mit zwei Sälen[5] erbaut worden: dem Tanzsaal im Erdgeschoss und dem Spiegelsaal im Obergeschoss.[6] Nach Fritz Bühlers Tod führte Clara das Tanzlokal, das im Volksmund längst nach seiner Betreiberin Clärchens Ballhaus hieß, zunächst allein weiter. 1932 heiratete sie Arthur Habermann (1885–1967), der sie bei der Arbeit unterstützte.[7] Das Vorderhaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört,[8] der Betrieb nach Kriegsende aber wieder aufgenommen. Clärchens Ballhaus blieb auch in der DDR-Zeit immer ein Privatbetrieb.[9] 1965 wurde nach langem Drängen die Ruine des ehemaligen Vorderhauses abgetragen, die Fläche ist bis heute unbebaut. Von 1967 bis 1989 ging die Leitung des Ballhauses an Clärchens Stieftochter Elfriede Wolff (Tochter von Arthur Habermann). Anschließend übernahm deren Sohn Stefan den Betrieb. Nach der deutschen Wiedervereinigung bekam Clara Habermanns leibliche Tochter den Besitz zugesprochen, deren Sohn wiederum als nächster Erbe das Gebäude 2003 verkaufte. Der neue Besitzer Hans-Joachim Sander kündigte dem Familienbetrieb, der seine Tätigkeit daraufhin nach 91 Jahren einstellte.[10]
Nachdem die vorherigen Betreiber das Ballhaus an Silvester 2004 verlassen hatten, übernahmen Christian Schulz und David Regehr die Lokalität und ließen sie weitgehend unverändert. Seitdem wird auch der Platz vor dem Ballhaus bewirtschaftet, dort, wo vor dem Zweiten Weltkrieg das Vorderhaus stand.[11] Der über Jahre nur als Lagerraum genutzte Spiegelsaal im Obergeschoss wird seither als Veranstaltungsraum genutzt.[12]
Im Sommer 2018 wurde das Haus von Yoram Roth gekauft. Er wählte als Partner für den Aufbau einer neuen Gastronomie und als Betreiber der Location das Berliner Catering-Unternehmen Berlin Cuisine Jensen GmbH, mit dem Clärchens Ballhaus im Juli 2020 wiedereröffnet wurde.
Bedeutung
Clärchens Ballhaus ist eines der letzten erhaltenen Ballhäuser aus der Zeit um 1900[13] in Berlin.[14] Während der DDR-Zeit war es sowohl Ost- als auch Westdeutschen als Treffpunkt bekannt.[15] In den Medien war es immer wieder in Reportagen vertreten, zum Beispiel im Film von Wilma Pradetto[16] über den Garderobier Günter Schmidtke,[17] im Dokumentarfilm Edith bei Clärchen (Andreas Kleinert 1985) oder im ZDF.[18] Außerdem diente es als Drehort für die Spielfilme Stauffenberg (2004),[19] Inglourious Basterds (2009)[20] und Wir tun es für Geld (2014). 2019 wurde im Ballhaus das MTV-Unplugged-Konzert von Max Raabe aufgezeichnet.[21]
Neben Abendveranstaltungen finden im Ballhaus auch Tanzkurse statt.
Restaurant & Biergarten
Am 12. Juli 2020 wurde Clärchens Ballhaus von den neuen Betreibern wiedereröffnet. Im Vordergarten, im Ballsaal und im begrünten Hinterhof wird moderne Wirtshausküche serviert. Auch im originalerhaltenen Spiegelsaal kann gegessen werden.
Literatur
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte, Nicolai Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-89479-784-3.
Weblinks
- Website von Clärchens Ballhaus
Einzelnachweise
- Fritz Bühler. In: Berliner Adreßbuch, 1914, I., S. 389. „Gastwirt Fritz Bühler, Zentral-Festsäle, N24, Auguststraße Nr. 24.25, T. Ndn 9451“ (fehlt noch in 1913/4023).
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 316.
- Auguststraße 24/25. In: Berliner Adreßbuch, 1910, III., S. 37., Auguststraße 24/25. In: Berliner Adreßbuch, 1914, III., S. 39. „F. Bühler, Festsäle“.
- Die Grundstücke Auguststraße 24 und 25 sind schon 1850 bebaut (24: Rentier Peters, 25: Riemer Lincke). Adressbuch 1870/906: Eigentümer von 24 ist Schlächter Schliack, von 25 Kaufmann Damerow; 1875/1090: Eigentümer 24 ist Restaurateur Mertens, die 25 verwaltet die Colonialwarenhandlung Graeff & Wolf für den Rentier Wolf. 1880/1158: Der Kaufmann Graeff besitzt 25 mit zwölf Mietern und der Restaurateur Mertens in 24 hat sieben Mieter, davon vier Witwen. 1890/1513 besitzt Kaufmann Graeff beide Häuser. 1894/1759 ist das Doppelhaus 24/25 von Kaufmann H. Graeff notiert und es existiert eine Gastwirtschaft. 1895 geht die Graeffsche Getreidehandlung an S. Levy jun.
- Auguststraße 24/25. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1897, III., S. 28. „Eigentümer Kaufmann H. Graeff, Mieter: Festsäle H. Graeff, Colonialwarenhandlung Graeff&Wolf, Getreidehandlung E. Pleßner und Gebr. Berliner, Agent S. Levy, sowie Großdestillateur, Makler, prakt. Arzt, Zigarrenhändler, Postbeamter und zwei weitere Kaufleute“.
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 84.
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 134.
- Gebäudeschäden 1945: Lage von Auguststraße 24/25: Südseite gegenüber der Mündung der Kleinen Hamburger Straße.
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 181.
- Stefan Strauß: Der letzte Schwof. In: Berliner Zeitung, 11. Januar 2005.
- Mathias Stengel: Neue Betreiber wollen Clärchens Ballhaus eine Zukunft geben. In: Die Welt, 14. Januar 2005.
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 374, 414.
- Marion Kiesow: Berlin tanzt in Clärchens Ballhaus. 100 Jahre Vergnügen – eine Kulturgeschichte. 2013, S. 398.
- Nicht zu verwechseln mit dem Ballhaus Mitte an der Ackerstraße, vgl. Mopo 2005.
- Ost-Berlin für Wessis. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1988, S. 247 (online).
- Schmidtke. In: Der Spiegel. Nr. 19, 1992, S. 322 (online).
- Plutonia Plarre, Andreas Graf: Günter Schmidtke: Der Garderobier. Fotofilm auf taz „berlinfolgen“ #83, 2012.
- Alles Clärchen – Ältestes Tanzlokal der Hauptstadt pflegt Tradition, ZDF 14. März 2009, 5. Januar 2010.
- Alexandra Maria Lara will nicht mit Tom Cruise drehen. In: Die Welt, 9. Juli 2007.
- Eva Kalwa: Quentin Tarantino: „Das ist verdammter Mist!“ In: Der Tagesspiegel, 29. Juli 2009.
- „Langweilig wird uns nie“. Bei: morgenweb.de