Cementbaugeschäft Rudolf Wolle
Das Cementbaugeschäft Rudolf Wolle, zuletzt Tief- und Betonbau Fa. Rudolf Wolle,[1] zuvor Bauunternehmung Rudolf Wolle, war ein Bauunternehmen in Leipzig. Das Unternehmen gehörte zu den Pionieren des Stahlbetonbaus und trug wesentlich zu dessen Verbreitung in Deutschland bei.
Geschichte
Rudolf Wolle (1864–1933) und sein 1896 gegründetes Bauunternehmen trugen wesentlich zur Durchsetzung des neuen Baustoffs Stahlbeton (damals noch Eisenbeton) bei. So wurde auch der erste Vortrag vor dem Deutschen Beton-Verein, in dem Eisenbeton erwähnt wurde, im Februar 1900 von einem Ingenieur dieses Unternehmens gehalten.[2] Rudolf Wolle war um 1909 Mitglied im Schiedsgericht des Deutschen Beton-Vereins.[3]
Rudolf Wolle wurde vor dem Ende der Monarchie in Deutschland mit dem Ehrentitel eines (königlich sächsischen) Kommerzienrats ausgezeichnet. Am 19. November 1920 verlieh ihm die Technische Hochschule Braunschweig die Ehrendoktorwürde (als Dr.-Ing. E. h.) in Anerkennung seiner außerordentlich erfolgreichen Tätigkeit für die Entwicklung der Beton- und Eisenbetonbauweise, seiner regen Mitwirkung bei der Schaffung praktischer Unterlagen für den Aufbau der Theorie und seines Wirkens auf wirtschaftlich-technischen Gebieten.[4]
Um 1926 bestand eine Niederlassung der Bauunternehmung in München.[5]
Rudolf Wolle wurde 1933 auf dem Leipziger Südfriedhof begraben, in einem bis heute erhaltenen Familiengrab mit monumentalem Grabmal.[6]
Das Unternehmen scheint mindestens bis in die 1950er Jahre aktiv gewesen zu sein: Im Jahr 1952 erhielt es die Zulassung 20/52 des Ministerrats der DDR zum Stahlbeton-Deckensystem Rapid.
Bauten
Das Unternehmen war beim Bau von feuer-, schall- und schwammsicheren Zwischendecken engagiert. Dabei kam sowohl die sogenannte Viktoria-Decke der Hansa Gesellschaft für Wand und Deckenbau als auch die selbstentwickelte Wolle’sche Konsolendecke zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Eisenbetondecke, die zwischen I-Trägern oder kontinuierlich über Mauern hinweg mit voutenförmigen Anschluss an die Träger oder Mauern hergestellt wird. Die maximale Spannweite betrug zehn Meter.[7]
Sämtliche Brücken in Sachsen und Thüringen nach dem Konstruktionsprinzip des Hängegurtträgers wurden durch Wolle erbaut.[8][9] Rudolf Wolle hatte zur Gründung von Bauwerken ein Patent auf fünfeckig ausgeführte Eisenbetonpfähle, die bis auf die tragfähige Schicht reichten. Diese wurden auf der Baustelle ausgeführt und nach vier Wochen gerammt. Auf die Pfähle wurde in Verbindung damit 1 m hoch eisenbewehrter Beton aufgebracht.[10]
Bekannte Bauten
- Völkerschlachtdenkmal
- Betonhalle (später Messehalle 12 bzw. 16) auf der Internationalen Baufach-Ausstellung 1913 in Leipzig (gemeinsam mit Bauunternehmung Kell & Löser, Leipzig)[11]
- Eisenbetonkuppel der Bismarcksäule bei Rothenburg am Kyffhäuser[12]
- sämtliche Möllerbrücken in Thüringen und Sachsen[Anmerkung 1] u. a.:
- Überbrückung des Pleißemühlgrabens in Leipzig (als mit 300 Metern breiteste bekannte Brücke dieser Konstruktionsart)[8][Anmerkung 2]
- Straßenbrücke über den Elstermühlgraben zu Großzschocher bei Leipzig, ausgeführt 1900[13]
- Brücken der Bahnstrecke Könnern–Rothenburg[14]
- Zeppelinbrücke über das Elsterbecken in Leipzig[15]
- Walchenseekraftwerk[16]
Anmerkungen
- Einzige Ausnahme ist die Brücke über den Pleißemühlgraben vor dem Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, die von der Bauunternehmung Drenckhahn & Sudhop ausgeführt wurde.
- Sie verfügt dementsprechend über die größte Anzahl von Hängegurtträgern in einem Bauwerk.
Schriften
- Rudolf Wolle (Hrsg.): Beton- und Eisenbeton-Bauten. Arnold, Leipzig 1905.
- Rudolf Wolle: Das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig. Seinen Freunden und Gönnern gewidmet von Rudolf Wolle. Selbstverlag, Leipzig 1913.
Literatur
- Lutz Reinboth: Eine Bauweise gefördert und weiter entwickelt. In: Bauen im Bestand, Ausgabe 05/2015. (Auszug online auf www.bauenimbestand24.de, abgerufen am 13. Juni 2019)
Weblinks
Einzelnachweise
- Staatsarchiv Leipzig. 20726 - Leipziger Baugewerke (Memento des Originals vom 14. Dezember 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Michael Fischer: Steineisendecken im Deutschen Reich 1892–1925. Dissertation, Brandenburgische Technische Universität Cottbus, 2008, Band 1 (Entwicklungsgeschichte, Typologie und Bewertung), S. 29. (online als PDF beim kobv)
- Zentralblatt der Bauverwaltung, 29. Jahrgang 1909, Nr. 26 (vom 31. März 1909), S. 177.
- Zentralblatt der Bauverwaltung, 40. Jahrgang 1920, Nr. 95 (vom 27. November 1920) (Digitalisat), S. 599.
- laut wiederholten Anzeigen in der Zeitschrift Beton und Eisen, Jahrgang 1926
- Grabmal der Familie Rudolf Wolle
- Franz Stade: Die Steinkonstruktionen. Reprint-Verlag, Leipzig 2002, ISBN 3-8262-1922-8 (Repr. der Orig.-Ausg., Schäfer, Leipzig 1907).
- Stärkung für Pleiße-Brücken. Die Sanierung von Möllerträgern (Memento des Originals vom 15. Februar 2005 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF)
- Zeitschrift für Bauwesen, 47. Jahrgang 1897, Heft I bis III (online als PDF; 8,6 MB), Spalte 143–148.
- Das neue Amtsgericht und Gefängnis in Weißenfels an der Saale. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, 34. Jahrgang 1914, Nr. 2 (vom 7. Januar 1914) (Digitalisat), S. 9.
- Internationale Baufachausstellung mit Nebenausstellungen Leipzig 1913 auf kmkbuecholdt.de, abgerufen am 13. Juni 2019
- Die Säule an der Rothenburg. Der Bismarckturm im Kyffhäuser-Gebirge
- Carl Kersten: Brücken in Eisenbeton. Platten- und Balkenbrücken. 6. neubearb. Auflage. Ernst, Berlin 1928.
- 80 Jahre Kleinbahn Könnern Rothenburg (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF)
- Adolf Kleinlogel: Bewegungsfugen im Beton- und Eisenbetonbau. Ernst & Sohn, Berlin 1927. (eingeschränkte Vorschau bei Google Bücher)
- Wilhelm Füßl: Oskar von Miller (1855–1934). Eine Biographie. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52900-3.