Brit Schalom
Die Brit Schalom (hebräisch בְּרִית שָׁלוֹם; arabisch تحالف السلام Taḥāluf as-salām ‚Friedensbund‘) war ein pazifistischer[1] Verband im Jischuv in Palästina. Er wurde von einer Gruppe mittel- und westeuropäischer Intellektueller gegründet, die sich ab 1925[2] und bis 1933[2] die Förderung einer jüdisch-arabischen Verständigung in einem angedachten binationalen[2] Staat zur Aufgabe machten. Die Gruppe gab die Zeitschrift She'ifoteinu[3] heraus.
Es ging ihnen darum, ein politisches Schema zu finden, das ein gerechtes Zusammenleben von Juden und Arabern ermöglichen sollte. So sollten alle jüdischen Einrichtungen, wie Schulen,[1][4] Freizeitklubs,[4] Banken[1] und Krankenhäuser[1] auch der arabischen Bevölkerung offen stehen. Auch sollte Arabisch gleichwertig[1] neben Hebräisch an jüdischen Schulen unterrichtet werden. Staatsbeamte sollten dreisprachig[4] (Englisch, Hebräisch, Arabisch) sein. Es sollten gemeinsame jüdisch-arabische Parteien,[4] gemeinsame Handelskammern[4] in Jaffa[4] und Haifa,[4] gemischte Gewerkschaften[4] und Fabrikantenverbände[4] entstehen. Produkte aus Palästina sollten unter dem Dach einer gemeinsamen Werbeorganisation[4] vermarktet werden. Auch sollte es gemischte Landwirtschaftskooperativen[4] mit gemeinsamem Kreditwesen[4] geben. Die Ergebnisse aus der landwirtschaftlichen Forschung der Hebräischen Universität Jerusalem sollten ins Arabische übersetzt[4] werden. Eine arabischsprachige Zeitung[4] sollte es der Jewish Agency erlauben, direkt mit der arabischen Leserschaft zu kommunizieren. Das Ziel des Zionismus, die Schaffung einer freien, kulturell autonomen, ihre eigenen Lebensformen entwickelnden jüdischen Gemeinschaft, sollte dabei nicht aufgegeben werden. Präsidiert wurde die Organisation von Judah Leon Magnes.[1]
Auf arabischer Seite suchte Brit Schalom Kontakt zu Musa Kasim Pascha (1850–1934), dem Präsidenten der Arabischen Exekutivkomitees, und zum Familienverband der Naschaschibi, insbesondere zum Jerusalemer Bürgermeister Raghib an-Naschaschibi, die beide in der Frage der jüdischen Einwanderung einige Verhandlungsbereitschaft zeigten. Doch zogen es die arabischen Offiziellen meist vor, mit Personen zu sprechen, die über eine eigentliche Entscheidungsmacht verfügten. So antwortete Aouni Abdul-Hadi,[4] Mitglied des Exekutivkomitees, seinem Gesprächspartner, dem Agrarwissenschaftler[3] Chaim Margolis-Kalvaryski, der daneben 1939[3] auch Gründer der Liga für die jüdisch-arabische Annäherung und Kooperation[3][5] war:
- „As for me, I'll tell you frankly that I'd rather deal with Jabotinsky or Ussischkin than with you. I know that those men are sworn enemies who want to crush us, take our land and force us to leave the country, and that we must fight them. But you, Kalvarysky, seem to be our friend, while deep-down I don't see any difference between your goal and Jabotinsky's. You, too, stick firmly to the Balfour Declaration, the National Home, unrestricted immigration and uninterrupted acquisition of lands occupied by the Arabs.“[4]
- deutsch etwa:
- „Was mich betrifft, das sage ich dir ganz offen, verhandle ich lieber mit Jabotinsky oder Ussischkin als mit dir. Ich weiß, diese Männer sind eingeschworene Feinde, die uns zerdrücken, unser Land nehmen und uns zum Verlassen des Landes zwingen wollen, und dass wir gegen sie kämpfen müssen. Aber du, Kalvarysky, scheinst unser Freund zu sein, während ich doch im Grunde keinen Unterschied zwischen deinen Zielen und denen von Jabotinsky sehe. Auch du klammerst dich an die Balfour Declaration, die Nationale Heimstätte, unbegrenzte Einwanderung und den ununterbrochenen Kauf von Land, das von Arabern bewohnt ist.“
Mitbegründer von Brit Schalom waren Gershom Scholem,[6][3] Martin Buber,[3] Arthur Ruppin,[2][3] Hugo Bergmann,[3] Hans Kohn,[3] Ernst Simon,[2][3] Felix Weltsch, Robert Weltsch,[3] Yehoshua Radler-Feldman Ha-Talmi, Chaim Margolis-Kalvaryski[2] und Yaakov Yonathan Thon. Die Organisation vereinte damit ein Spektrum unterschiedlicher Meinungen und stand der Hebräischen Universität Jerusalem[1] nahe. Die Organisation hatte nach überwiegender Meinung von Historikern nur sehr wenig[1][2] Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Auch aus Geldmangel[4] stellte sie ihre Arbeit ein, bevor sich im Zuge des Arabischen Aufstands das politische Klima verschlechterte. Formell aufgelöst wurde Brit Schalom jedoch nicht.[4] Eine Nachfolgeorganisation war 1942 die Gruppe Ihud, die als Partei entstand. Ihud wurde von Jehuda Leon Magnes, Martin Buber, Hugo Bergmann und Henrietta Szold[3] geleitet.
Literatur
- Neil Caplan: Palestine Jewry and the Arab question, 1917–1925. 1978, ISBN 978-0-7146-3110-3.
- Anita Shapira: Land and power: the Zionist resort to force, 1881–1948. 1999, ISBN 978-0-8047-3776-0.
- Leslie Stein: The hope fulfilled: The rise of modern Israel. 2003, ISBN 978-0-275-97141-0.
- Walter Laqueur: A history of Zionism. 3. Auflage, 2003. ISBN 978-1-86064-932-5.
- Dimitry Shumsky: Brit Shalom. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 1: A–Cl. Metzler, Stuttgart/Weimar 2011, ISBN 978-3-476-02501-2, S. 422–427.
- Dimitry Shumsky: Zweisprachigkeit und binationale Idee. Der Prager Zionismus 1900–1930. Aus dem Hebr. von Dafna Mach. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2013 ISBN 978-3-525-36955-5.
Einzelnachweise
- Michel Abitbol: Histoire des juifs. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.): Collection tempus. 2. Auflage. Nr. 663. Éditions Perrin, Paris 2016, ISBN 978-2-262-06807-3, S. 678 f.
- Angelika Timm, Johannes Glasneck: Israel – Geschichte des Staates seit seiner Gründung. 3. Auflage. Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02753-1, S. 27.
- Thomas Vescovi: L’échec d'une utopie – Une histoire des gauches en Israël. Éditions La Découverte, Paris 2021, ISBN 978-2-348-04311-6, S. 92 ff.
- Kay Schweigmann-Greve, in: Zionismus – Theorien des jüdischen Staates. In: Samuel Salzborn (Hrsg.): Staatsverständnisse. Band 76. Nomos Verlag, Baden-Baden 2015, ISBN 978-3-8487-1699-9, Zwischen libertärsozialistischem Königtum Gottes und nahöstlicher Realität. Martin Bubers Verständnis von Gesellschaft und Staat und sein Verhältnis zum Staat Israel, S. 155–185, hier 177 f.
- Joel Beinin: Was the Red Flag Flying There? – Marxist Politics and the Arab-Israeli Conflict in Egypt and Israel, 1948–1965. University of California Press, Berkeley and Los Angeles 1990, ISBN 0-520-07036-4, S. 28.
- Eleonore Lappin: Der Jude (1916–1928). S. 267, books.google.de