Bordetella holmesii
Bordetella holmesii ist ein gramnegatives, stäbchenförmiges Bakterium aus der Ordnung der Burkholderiales. Es ist verwandt mit Bordetella pertussis und Bordetella parapertussis, zwei der bekanntesten Erreger des Keuchhustens (auch Stickhusten genannt), einem Krankheitsbild, welches klassischerweise als Kinderkrankheit bezeichnet wird und mit anfallsartigem, blechern tönenden Husten einhergeht.
Bordetella holmesii | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Bordetella holmesii | ||||||||||||
Weyant et al., 1995 |
Bordetella holmesii wurde erst Jahrzehnte nach Bordetella pertussis entdeckt und nach seinem Entdecker, dem Biologen Barry Holmes benannt.[1]
Geschichte und humanmedizinische Bedeutung
Nachdem Bordetella pertussis bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Bordet und Gengou entdeckt worden war (damals: Bordet-Gengou-Bacillus),[2] wurde Keuchhusten (auch Pertussis convulsiva, also anfallsartiger Husten) über lange Zeit als Folge einer Infektion mit diesem Bakterium definiert. Wahrscheinlich aber verursachen etwa vier bis sechs Arten der Gattung Bordetella Keuchhusten-artige Erkrankungen. Dies wird durch besser werdende diagnostische Mittel deutlich. Diskutiert wird rückblickend die Möglichkeit, dass es in der Vergangenheit zu gelegentlichen Fehldiagnosen gekommen ist. Mancher Stickhusten wird vermutlich von anderen Arten als Bordetella pertussis ausgelöst worden sein. Noch in den 2010er Jahren wurde wissenschaftlich auf die Schwierigkeit hingewiesen, dass es mit Routine-Verfahren, bzw. mit Routine-PCR zu inkorrekten Diagnosen kommt.[3] Auch wenn in mehreren Arbeiten zu lesen steht, dass Infektionen mit Nicht-pertussis-Arten mildere Krankheitsverläufe nach sich ziehen, steht dem gegenüber, dass Bordetella holmesii mit schweren Krankheitsverläufen assoziiert sein kann. Wurde B. holmesii zunächst aus dem Blut septischer Patienten isoliert,[1]konnte man die Art auch bei Endocarditis, Spondylodiscitis, Pneumonie, Meningitis und andere schwere Erkrankungen nachweisen.[4][5][6][7] So werden diese Bordetellen auch als Emerging pathogens anerkannt bzw. werden Infektionen mit diesen Pathogenen als Emerging infectious diseases bezeichnet.[4][8] Bordetealla-pertussis-wirksame Impfungen, bieten dabei keinen Schutz gegen B. holmesii.[9]
Merkmale
Bortedella holmesii besitzt gramnegative, kleine kokkoide oder kurze stäbchenförmige Zellen, wobei selten auch längere Stäbchen beobachtet werden.[10] Sie können keine Kohlenhydrate verwerten (asaccharolytischer Stoffwechsel), sind Oxidase-negativ, unbeweglich und anspruchsvoll. Sie produzieren ein lösliches, braunes Pigment, was sie von den ihnen verwandten Bakterien unterscheidet. Ein ähnliches Pigment ist bisher nur von Moraxella canis bekannt.[11] Auf MacConkey-Agar wachsen sie, wenn überhaupt, mäßig und benötigen drei bis sieben Tagen Inkubation bei 35 °C. Der GC-Gehalt ist zwischen 61,5 und 62,3 mol%. Es kommt nur im Blut von Menschen vor.[1]
Diagnose
Nach Impfung, bei sehr kleinen Kindern, bei sehr alten Menschen oder nach bereits durchgemachter Erkrankung, sind Keuchhustensymptome oft nicht typisch.[9] Da es im Rahmen von Infektionen mit B. holmesii zu Pertussis-artigen Erkrankungen kommen kann (oder auch nicht)[7] ist eine Diagnose anhand gebotener Symptome kaum möglich. Erschwert wird dies weiterhin durch die bisher immer noch lückenhaften Kenntnisse zur Epidemiologie, auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass es in den letzten Jahren unter Umständen häufiger Fälle gibt und diese eher Jugendliche betreffen.[12][13] In dieser Altersklasse kann es sogar zu gemischten Ausbrüchen von B. pertussis und holmesii kommen, so dass dies das Bild noch komplexer macht.[13] Bei gesunden Menschen jungen (oder mittleren) Alters, macht sich eine Erkrankung unter Umständen nicht bemerkbar, bzw. hat sie weniger Relevanz als für sehr kleine Kinder oder alte Menschen, so dass zunächst die Frage beantwortet werden muss, ob und welchen Unterschied eine Diagnose ergibt. Je nach Erkrankungsstadium stehen dann unterschiedliche diagnostische Mittel zur Verfügung.
Wie lange die Inkubationszeit vor einer Erkrankung dauert, ist nicht sicher belegt, sie könnte aber ähnlich wie bei Pertussis sein und zwischen 10 und 21 Tagen betragen.[14] Da Antikörper erst nach etwa drei Wochen gebildet werden, ist vor diesem Zeitpunkt den direkten Nachweisverfahren der Vorzug zu geben. Hierbei muss sogenanntes tiefes Material gewonnen werden, da die Bakterien sich nicht im oberen/vorderen Nasen-Rachen-Raum befinden und vermehren.[9] Das heißt es sollten tiefe Abstriche durchgeführt oder ein echtes Sputum gewonnen werden. Hierzu muss Schleim aus der Tiefe der Atemwege abgehustet werden, da sonst keine Bakterien nachgewiesen werden können (auch wenn sie sich in tieferen Regionen des Atemtrakts befinden). Zudem könnte Bakterienflora der oberen Atemwege die Diagnose erschweren, wenn das gewonnene Material eher Speichel entspricht. Mit dem richtig gewonnenen Material können kulturelle Verfahren durchgeführt werden oder PCR. Wobei die PCR verglichen mit der Kultur das schnellere Verfahren darstellt und eine höhere Sensitivität aufweist, vorausgesetzt das Material wurde richtig gewonnen und die PCR kann die wichtigsten Bordetellen differenzieren. Es können zum Beispiel mittels Kombination aus 16s-Sequenzierung und PCR-Nachweis von IS481 und bhoE, Gene detektiert werden, die in Pertussis nicht nachweisbar sind.[15] Bei Ausbrüchen ist aber zumindest die vereinzelte Kultur der Erreger sinnvoll, weil nur so ein Resistogramm ermittelt werden kann.[9]
Therapie und Prävention
Die Behandlung einer Infektion und Erkrankung an Bordetella holmesii ist diffizil, da sie mittels Standardverfahren teilweise als Pertussis diagnostiziert wird. Die Unterscheidung der beiden Erreger ist nicht akademisch, sondern hat eine reelle Bedeutung, da B. holmesii deutlich weniger empfindlich für die Antibiotika ist, mit denen Pertussis üblicherweise behandelt wird (zum Beispiel Makrolidantibiotika).[16][17] Darum ergibt es Sinn ein Resistogramm durchzuführen und die antibiotische Behandlung entsprechend anzupassen.
Eine Prävention im Sinne einer Impfung existiert nicht.[9] Prävention muss darum am ehesten im Sinne einer Expositionsprophylaxe erfolgen, beispielsweise als physischer Abstand zu erkennbar Erkrankten (analog allgemeiner Maßnahmen bei Erkrankungen des Atemtrakts). Erhöhte räumliche Abstände vermindern die Anzahl infektiöser Partikel die, ausgehend von der potentiell infektiösen Quelle, beim suszeptiblen Individuum ankommen.[18] Dies ist insbesondere für Immunkompromittierte (Menschen mit eingeschränkt funktionsfähigem Immunsystem), sehr alte Menschen und sehr kleine Kinder von Bedeutung. Letztere können durch keuchhustenartigen Erkrankungen schwerste Luftnot und Krampfanfälle erleiden und müssen unter Umständen intensivmedizinisch betreut werden.[9] Eine Arbeit aus 2008 beschreibt, dass jährlich gerundet 300.000 Kinder an den Folgen von Keuchhustenerkrankungen versterben.[19]
Einzelnachweise
- R. S. Weyant, D. G. Hollis, R. E. Weaver, M. F. Amin, A. G. Steigerwalt: Bordetella holmesii sp. nov., a new gram-negative species associated with septicemia. In: Journal of Clinical Microbiology. Band 33, Nr. 1, Januar 1995, ISSN 0095-1137, S. 1–7, doi:10.1128/jcm.33.1.1-7.1995, PMID 7699023, PMC 227868 (freier Volltext).
- M. Wollstein: THE BORDET-GENGOU BACILLUS OF PERTUSSIS. In: The Journal of Experimental Medicine. Band 11, Nr. 1, 9. Januar 1909, ISSN 0022-1007, S. 41–54, doi:10.1084/jem.11.1.41, PMID 19867243, PMC 2124697 (freier Volltext) – (nih.gov [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Laure F. Pittet, Stéphane Emonet, Patrice François, Eve-Julie Bonetti, Jacques Schrenzel: Diagnosis of Whooping Cough in Switzerland: Differentiating Bordetella pertussis from Bordetella holmesii by Polymerase Chain Reaction. In: PLoS ONE. Band 9, Nr. 2, 19. Februar 2014, ISSN 1932-6203, S. e88936, doi:10.1371/journal.pone.0088936, PMID 24586447, PMC 3929760 (freier Volltext).
- Israel Rivera, Bodo Linz, Eric T. Harvill: Evolution and Conservation of Bordetella Intracellular Survival in Eukaryotic Host Cells. In: Frontiers in Microbiology. Band 11, 15. Oktober 2020, ISSN 1664-302X, S. 557819, doi:10.3389/fmicb.2020.557819, PMID 33178148, PMC 7593398 (freier Volltext).
- Y. W. Tang, M. K. Hopkins, C. P. Kolbert, P. A. Hartley, P. J. Severance: Bordetella holmesii-like organisms associated with septicemia, endocarditis, and respiratory failure. In: Clinical Infectious Diseases: An Official Publication of the Infectious Diseases Society of America. Band 26, Nr. 2, Februar 1998, ISSN 1058-4838, S. 389–392, doi:10.1086/516323, PMID 9502460 (nih.gov [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Safia Nadji, Marie-Charlotte Chopin, Camille Bourdon, Renaud Desbarbieux, Jean-Marie Marissael: Spondylodiscitis caused by Bordetella holmesii, a misrecognized pathogen emerging in invasive infections. In: International Journal of Infectious Diseases. Band 75, 1. Oktober 2018, ISSN 1201-9712, S. 95–97, doi:10.1016/j.ijid.2018.07.014, PMID 30031801.
- Laure F Pittet, Klara M Posfay-Barbe: Bordetella holmesii infection: current knowledge and a vision for future research. In: Expert Review of Anti-infective Therapy. Band 13, Nr. 8, 3. August 2015, ISSN 1478-7210, S. 965–971, doi:10.1586/14787210.2015.1056161 (tandfonline.com [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Alba Mir-Cros, Gema Codina, M. Teresa Martín-Gómez, Anna Fàbrega, Xavier Martínez: Emergence of Bordetella holmesii as a Causative Agent of Whooping Cough, Barcelona, Spain. In: Emerging Infectious Diseases. Band 23, Nr. 11, November 2017, ISSN 1080-6040, S. 1856–1859, doi:10.3201/eid2311.170960, PMID 29052540, PMC 5652430 (freier Volltext).
- RKI-Ratgeber Keuchhusten (Pertussis). RKI, 6. April 2020, abgerufen am 21. Januar 2022.
- UK Standards for Microbiology Investigations – Identification of Bordetella species. Abgerufen am 22. Januar 2022 (englisch).
- Pittet et al.: Bordetella holmesii: an under-recognised Bordetella species. 2014, abgerufen am 22. Januar 2022 (englisch).
- Winkie Fong, Verlaine Timms, Nadine Holmes, Vitali Sintchenko: Detection and incidence of Bordetella holmesii in respiratory specimens from patients with pertussis-like symptoms in New South Wales, Australia. In: Pathology. Band 50, Nr. 3, April 2018, ISSN 1465-3931, S. 322–326, doi:10.1016/j.pathol.2017.10.014, PMID 29455870 (nih.gov [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Loren Rodgers, Stacey W. Martin, Amanda Cohn, Jeremy Budd, Mario Marcon: Epidemiologic and Laboratory Features of a Large Outbreak of Pertussis-Like Illnesses Associated With Cocirculating Bordetella holmesii and Bordetella pertussis—Ohio, 2010–2011. In: Clinical Infectious Diseases. Band 56, Nr. 3, 1. Februar 2013, ISSN 1537-6591, S. 322–331, doi:10.1093/cid/cis888 (oup.com [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Parapertussis and Holmesii. Minnesota Health Department, abgerufen am 21. Januar 2022 (englisch).
- Frits R. Mooi, Sylvia Bruisten, Ineke Linde, Frans Reubsaet, Kees Heuvelman: Characterization of Bordetella holmesii isolates from patients with pertussis-like illness in the Netherlands. In: FEMS Immunology & Medical Microbiology. Band 64, Nr. 2, 14. Dezember 2011, ISSN 0928-8244, S. 289–291, doi:10.1111/j.1574-695x.2011.00911.x.
- Laure F. Pittet, Klara M. Posfay-Barbe: Bordetella holmesii: Still Emerging and Elusive 20 Years On. In: Microbiology Spectrum. 25. März 2016, doi:10.1128/microbiolspec.EI10-0003-2015 (asm.org [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Laure F Pittet, Stéphane Emonet, Jacques Schrenzel, Claire-Anne Siegrist, Klara M Posfay-Barbe: Bordetella holmesii: an under-recognised Bordetella species. In: The Lancet Infectious Diseases. Band 14, Nr. 6, Juni 2014, S. 510–519, doi:10.1016/S1473-3099(14)70021-0 (elsevier.com [abgerufen am 21. Januar 2022]).
- Binish Ather, Taaha M. Mirza, Peter F. Edemekong: Airborne Precautions. In: StatPearls. StatPearls Publishing, Treasure Island (FL) 2022, PMID 30285363 (nih.gov [abgerufen am 22. Januar 2022]).
- Christopher D. Paddock, Gary N. Sanden, James D. Cherry, Anthony A. Gal, Claire Langston: Pathology and pathogenesis of fatal Bordetella pertussis infection in infants. In: Clinical Infectious Diseases: An Official Publication of the Infectious Diseases Society of America. Band 47, Nr. 3, 1. August 2008, ISSN 1537-6591, S. 328–338, doi:10.1086/589753, PMID 18558873 (nih.gov [abgerufen am 21. Januar 2022]).