Blitzschnecke
Die Blitzschnecke (Sinistrofulgur perversum, Syn.: Busycon perversum)[1] ist eine sehr große Schneckenart mit linksgewundenem Gehäuse aus der Familie der Buccinidae, die im westlichen Atlantik an der Küste Nordamerikas lebt. Unter dem Artnamen Busycon perversum von Linné sind nach aktuellen Forschungsergebnissen alle rezenten linksgewundenen Schnecken der Gattung Busycon zusammenzufassen, so auch die bisher unter den Namen Busycon contrarium und Busycon sinistrum geführten.[2]
Blitzschnecke | ||||||||||||
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Blitzschnecke (sehr hell) in Smyrna Dunes Park | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Busycon perversum | ||||||||||||
(Linnaeus, 1758) |
Merkmale
Das linksgewundene, sehr kräftige und dicke, birnenförmige Schneckenhaus der Blitzschnecke, das bei ausgewachsenen Schnecken etwa 6 bis 41 cm lang werden kann, hat ein niedriges Gewinde, einen langen und breiten, über die ganze Länge aufgeblasenen Körperumgang und eine lange, eiförmige Gehäusemündung, die in einen langen, offenen Siphonalkanal ausläuft. Die bis zu 8 kantigen Umgänge sind zum Apex hin an der Kante mit einer Reihe Knoten besetzt, die auf den letzten Umgängen zu schuppenförmigen Stacheln werden können und von denen mitunter in Richtung Kanal axiale Leisten verlaufen. Das dicke, hornige, dunkelbraune Operculum ist eiförmig. Die Oberfläche des Gehäuses ist beigefarben und mit axial verlaufenden violett-braunen Streifen gezeichnet. Junge Tiere haben noch leuchtend gefärbte Gehäuse, doch verblassen die Farben mit zunehmendem Alter, so dass das Gehäuse eine stumpfe gräulich weiße Färbung annimmt.
Die Schnecke selbst ist dunkelbraun bis schwarz, manchmal aber auch sehr hell. Der Sipho ragt bei der aktiven Schnecke kaum aus dem Kanal hervor. Der Fuß ist kleiner als bei der zur selben Unterfamilie gehörenden, dünnschaligeren Art Busycotypus spiratum, und die Blitzschnecke kriecht langsamer.[3]
Die Blitzschnecke ähnelt stark der Schwesterart Busycon carica, von der sie sich insbesondere durch die Windungsrichtung des Gehäuses unterscheidet.
Vorkommen
Die Blitzschnecke findet sich im westlichen Atlantik an der Küste Nordamerikas von New Jersey südwärts, an der Küste Floridas und im Golf von Mexiko.
Sie lebt in der Gezeitenzone, um Flussmündungen und auf Austernbänken.
Lebenszyklus
Wie andere Neuschnecken ist die Blitzschnecke getrenntgeschlechtlich. In der Zeit vom Spätherbst bis zum frühen Winter begatten die Männchen die Weibchen mit ihrem Penis. Die Weibchen legen im frühen Frühling bis zu 86 cm lange Schnüre mit bis zu 3 cm großen diskusförmigen Eikapseln ab. Die Gelege werden im Sand verankert und lösen sich ab, wenn die Jungschnecken schlüpfen. Eine Eikapsel enthält etwa 20 bis 100 Eier, von denen sich etwa jedes fünfte bis zehnte zu einer Schnecke entwickelt, während die anderen als Nähreier dienen. Die Entwicklung des Veliger-Stadiums findet in der Eikapsel statt, so dass je nach Temperatur 3 bis 13 Monate nach Eiablage – an der Golfküste Floridas ab Mai – fertige Schnecken schlüpfen, die etwa 4 mm lange Gehäuse haben. Die Schnecke wächst eher langsam und erst ab einer Temperatur von 20 °C.[3]
Ernährung
Blitzschnecken sind Fleischfresser, die sich vor allem von Muscheln ernähren. Die Schnecke drückt die Schalenhälften der Muschel mit ihrem Fuß auf. Gelingt dies nicht, bricht sie ein Stück der Schale mit ihrem Gehäuserand auf. Sodann führt sie die Proboscis an das Fleisch der Beute, die mit Hilfe der Radula zerkleinert wird. In Alligator Harbor (Florida) wurde eine 30 cm lange Blitzschnecke beobachtet, die durch rhythmisches Ausüben von Druck mit ihrem Gehäuserand auf den Wirbel einer 6 cm langen Amerikanischen Auster und einen anschließenden kräftigen Stoß die Schale der Beute öffnete und sodann innerhalb von 2 Minuten einen Großteil des Fleisches verzehrte, während der Rest weggespült wurde.[4]
Anders als dünnerschalige räuberische Schnecken wie Busycotypus spiratus frisst die Blitzschnecke vor allem Muscheln mit dicker Schale.[3] Zu den Beutetieren gehören kräftige, dickschalige Muscheln wie Lucina floridana, Chione cancellata, Cardita floridana, Macrocallista nimbosa, Noetia ponderosa und Modiolus americanus.[5] Die Blitzschnecke kann die Populationsdynamik ihrer Beutetiere erheblich beeinflussen. Eine große Blitzschnecke kann 3 ausgewachsene Austern an einem Tag bzw. 60 Austern in 3 Wochen fressen.[4]
Nutzung durch den Menschen und Gefährdung
Bereits seit Jahrtausenden werden Blitzschnecken wegen ihres Fleisches und ihres Gehäuses gesammelt. Aus den Häusern wurden Werkzeuge wie Spachtel und Meißel hergestellt. Außerdem wurden die Schalen zu Schmuck verarbeitet. Das linksgewundene Gehäuse der Blitzschnecke hatte bei manchen Ethnien eine magische Bedeutung.[6][7]
Als wichtiger Fressfeind von Austern ist die Blitzschnecke bei kommerziellen Muschelproduzenten unerwünscht. Bis heute ist die Schnecke aber wegen ihres Fleisches und großen Gehäuses ein beliebtes Sammlerobjekt. Durch Überfischung ist die durchschnittliche Gehäusegröße in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.[3]
Sonstiges
Nach dem Tod der Blitzschnecke wird das Gehäuse oft von Pantoffelschnecken (Crepidula) sowie von Einsiedlerkrebsen besiedelt.
Systematik
Die Schneckenart wurde von Carl von Linné 1758 im Systema Naturae als Murex perversus, eine Schnecke mit offenstehendem und rückwärts gekrümmtem Gehäuse mit linksgewundenem, schwach gekröntem Gewinde beschrieben.[8] Der Gattungsname Busycon wird erstmals 1798 von Peter Friedrich Röding im Katalog der Conchyliensammlung von Joachim Friedrich Bolten mit 6 Arten erwähnt, darunter 2. B. Perversum, die linksgewundene Feige.[9] 1840 beschrieb Timothy Abbott Conrad eine fossile Schnecke mit „wenig entwickelten Stacheln“ aus dem Pliozän aus North Carolina als Busycon contrarium.[10] Burnett Smith betrachtete 1939 die an der Ostküste der USA lebenden Blitzschnecken als bloße „Rasse von Busycon contrarium Conrad“.[11] In Ablehnung dieser Annahme beschrieb S. C. Hollister 1958 drei verschiedene rezente Arten der nordamerikanischen Küste: Busycon sinistrum (verbreitet von Cape Hatteras bis Yucatán), Busycon aspinosum (um Sarasota, Florida) und Busycon pulleyi (von Louisiana bis zum nördlichen Mexiko). Eine weitere Artbeschreibung folgte für Busycon laeostomum Bretton W. Kent, 1983 (Verbreitung vom südlichen New Jersey bis zum nördlichen Virginia). Bereits 1959 vertrat jedoch T. E. Pulley die Ansicht, dass alle rezenten linksgewundenen Busycon zu einer Art gehörten.[12] Dies wird durch molekulargenetische Untersuchungen aus den Jahren 1997 und 1998 bestätigt. Danach hat der auf Linné zurückgehende Name Vorrang, es handelt sich hiernach also um die Art Busycon perversum (Linnaeus, 1758) mit den Unterarten Busycon perversum perversum (Linnaeus, 1758) an der Küste von Yucatán, Busycon perversum sinistrum (Hollister, 1958) im Nordteil des Golfs von Mexiko und Busycon perversum laeostomum (Kent, 1983) an der Atlantikküste.[2]
Früher wurden die Gattung Busycon und die verwandte Gattung Busycotypus zu den Melongenidae gezählt. Auf Grund anatomischer Untersuchungen des Verdauungssystems und einer kladistischen Analyse auf molekulargenetischer Grundlage durch Kosyan und Kantor (2004) werden diese beiden Gattungen nunmehr zur Familie der Hornschnecken (Buccinidae) gezählt.[13]
Einzelnachweise
- World Register of Marine Species, Sinistrofulgur perversum (Linnaeus, 1758), Busycon perversum (Linnaeus, 1758)
- J. Wise, M. G. Harasewych, R. T. Dillon Jr. (2004): Population divergence in the sinistral whelks of North America, with special reference to the east Florida ecotone (Memento des Originals vom 24. August 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 657 kB). Marine Biology 145, S. 1167–1179.
- Bretton W. Kent (1983): Natural history observations on the busyconine whelks Busycon contrarium (Conrad) and Busycotypus spiratum (Lamarck). Journal of Molluscan Studies 49 (1), S. 37–42.
- Winston R. Menzel, Fred E. Nichy (1958): Studies of the Distribution and Feeding Habits of Some Oyster Predators in Alligator Harbor, Florida. Bulletin of Marine Science 8 (2), S. 125–145.
- Robert T. Paine (1962): Ecological Diversification in Sympatric Gastropods of the Genus Busycon. Evolution 16 (4), S. 515–523.
- Frederick Starr (1897): A Shell Gorget from Mexico. Proceeding Davenport Academy of Natural Sciences VI, S. 173–178.
- W.M. Marquardt: Shell Artifacts from the Caloosahatchee Area. In: W. H. Marquardt (Hrsg.): Culture and Environment in the Domain of the Calusa, S. 191-228. Institute of Archaeology and Paleoenvironmental Studies, Monograph 1. University of Florida, Gainesville 1992.
- Carolus Linnaeus: Systema Naturae. 10. ed., Lars Salvius: Stockholm 1758, p. 746. 290. Murex, p. 753. 485. Murex perversus. M. testa patulo-repandoque caudata, spira contraria subcoronata. Habitat in O. Americano.
- Peter Friedrich Röding (1798): Museum Boltenianum, sive, Catalogus cimeliorum e tribus regnis naturae quae olim collegerat Joa. Fried. Bolten: pars secunda continens conchylia sive testacea univalvia, bivalvia et multivalvia. Trappi, Hamburg, viii. + 199 S. Nachdruck durch British Museum, London 1906. Seite 149, Lade 77, Busycon. 1866 2 B. Perversum. Die linksgewundene Feige.
- Timothy Abbott Conrad: Fossils of the medial tertiary of the United States, part I. Philadelphia 1840.
- Burnett Smith (1939): Type specimen of Busycon perversum (Murex perversus Linné) . Nautilus 53, S. 23–26.
- T. E. Pulley (1959): Busycon perversum (Linné) and some related species. Rice Institute Pamphlet 46, S. 70–89.
- A. R. Kosyan, Yu. I. Kantor (2004): Morphology, taxonomic status and relationships of Melongenidae (Gastropoda: Neogastropoda) (PDF; 191 kB). Ruthenica 14 (1), pp. 9-36.
Literatur
- Robert Tucker Abbott, Percy A. Morris: A Field Guide to Shells: Atlantic and Gulf Coasts and the West Indies. Houghton Mifflin Harcourt, Boston 2001. Lightning Whelk, Busycon contrarium (Conrad, 1840): S. 228f., Perverse Whelk, Busycon perversum (Linnaeus, 1758): S. 229. ISBN 978-0-618-16439-4.
- Edward E. Ruppert, Richard S. Fox: Seashore Animals of the Southeast: A Guide to Common Shallow-Water Invertebrates of the Southeastern Atlantic Coast. University of South Carolina Press, Columbia (South Carolina) 1988. Busycon: S. 112f.
- John W. Tunnell, Jean Andrews, Noe C Barrera, Fabio Moretzsohn: Encyclopedia of Texas Seashells: Identification, Ecology, Distribution, and History. Texas A&M University Press, College Station (Texas) 2010. 512 pp. Busycon: S. 222ff.
- Hulda Magalhaes (1948): An Ecological Study of Snails of the Genus Busycon at Beaufort, North Carolina. Ecological Monographs 18 (3), S. 377–409. (jstor)
- Wilhelm Kobelt: Die Gattungen Pyrula und Fusus; nebst Ficula, Bulbus, Tudicla, Busycon, Neptunea und Euthria. Systematisches Conchylien-Cabinet. Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg 1881. S. 45–53. V. Gattung. Busycon Bolten. S. 51ff. Nr. 5. Busycon perversum Linné sp.