Belarus und der russische Überfall auf die Ukraine
Belarus arbeitet beim russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 mit Russland zusammen. Das Land unter seinem Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka hat das Staatsgebiet für den russischen Aufmarsch zur Verfügung gestellt. Von dort wie von Russland aus haben russische Truppen die Grenze zur Ukraine am 24. Februar 2022 überschritten. Belarussische Soldaten sind nicht in der Ukraine.
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Westliche Staaten und die EU haben angekündigt, dass sie außer Russland auch Belarus mit verschärften Sanktionen belegen werden.
Vorgeschichte
Belarus beziehungsweise Präsident Lukaschenka ist von Russland unter Putin abhängig, der ihm 2020 geholfen hatte, die größte Krise seines Regimes zu überwinden: Proteste nach der Präsidentschaftswahl vom 20. August 2020. Innenpolitisch ist der Ukraine-Konflikt für Lukaschenka bedeutsam, um seine Unterstützer für ihn zu mobilisieren: Arbeiter und Bauern staatlicher Betriebe bzw. Kolchosen.[1] Laut dem belarussischen Politikanalysten Valerij Karbalewitsch braucht Lukaschenko die russische Unterstützung und ist daher in der Außen- und Verteidigungspolitik von Russland abhängig.[2]
Seit dem 10. Februar fand ein Manöver mit Russland statt. Dazu kamen 30.000 russische Soldaten nach Belarus. Es sollte am 20. Februar beendet werden, erhielt dann aber eine Verlängerung ohne Angabe eines Endzeitpunktes.[3] Am 19. Februar war Lukaschenka im russischen Verteidigungsministerium in Moskau: Gemeinsam mit Russlands Präsident Putin beobachtete er über Bildschirme Militärübungen und den Start von Raketen und Marschflugkörpern.[1]
Putin hatte am 21. Februar 2022 die ukrainischen Separatisten-Regionen Donezk und Luhansk als unabhängig anerkannt. Tags darauf verlangte Lukaschenka von der Ukraine, die Zusammenarbeit mit den USA zu beenden.[1]
Grenzübertritte
Am 24. Februar bestritt der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka eine Beteiligung belarussischer Streitkräfte an dem Konflikt.[4] Am 27. Februar sagte er, dass russische Truppen „zwei“ Raketen von Belarus aus abgefeuert hätten, wegen ukrainischer Raketendivisionen, die an der Grenze stationiert seien. Er bestritt weiterhin, dass belarussische Soldaten in der Ukraine kämpften.[5] Belarus helfe Russland aber etwa mit der Versorgung von Verwundeten.[6]
Am selben 24. Februar berichtete der ukrainische Grenzschutzdienst über den Versuch russischer Truppen, die belarussisch-ukrainische Grenze am Grenzübergang Wiltscha nördlich von Kiew zu durchbrechen.[7] Es wurde ein Hubschrauber ohne Erkennungszeichen beobachtet, der eine Brücke bei Slawutytsch angriff.[8] CNN veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie Panzer über den Grenzübergang Senkivka in die Ukraine eindringen.[9] Später am selben Tag meldete der ukrainische Oberbefehlshaber, dass vier ballistische Raketen von Belarus aus in Richtung Südwesten abgeschossen wurden.[10] Am 27. Februar bestätigte Lukaschenka, dass Russland von Belarus aus Raketen auf die Ukraine abgefeuert hat.[11]
Tschornobyl wurde eingenommen, nachdem russische Truppen von Belarus aus über die unbewohnte Sperrzone von Tschernobyl in die Ukraine eingedrungen waren.[12] Die Sperrzone ist wenig bewacht, weil sie 1986 radioaktiv verseucht wurde. Hundert Kilometer südlich liegt Kiew.[13]
Am 26. Februar veröffentlichte Maxar Technologies Satellitenbilder mit 150 Hubschraubern und Hunderten von Bodenfahrzeugen in der Nähe von Khoyniki.[14] Neunzig Hubschrauber nutzten die gerade Straße in der Nähe als vorübergehenden Luftwaffenstützpunkt.[14] Belarussische Medien und Telegram-Kanäle veröffentlichten zahlreiche Videos und Fotos, die Bewegungen russischer gepanzerter Fahrzeuge und Hubschrauber im südlichen Belarus zeigen.[15][16][17]
Belarussische Truppen befinden sich an der Grenze zur Ukraine. Es gibt aber laut Karbalewitsch mit Stand 2. März 2022 keine Belege dafür, dass sie sich an den Kämpfen beteiligen.[2]
Reaktionen und Rezeption
Swetlana Tichanowskaja, die belarussische Oppositionsführerin im Exil, verurteilte Aljaksandr Lukaschenka für seine Beteiligung an der Invasion.[18] Sie erklärte sich als mit der Ukraine solidarisch und kritisierte die verspätete Hilfe des Westens: Beispielsweise im Falle von Belarus habe es erst 10 Monate nach der Niederschlagung des belarussischen Aufstandes scharfe westliche Sanktionen gegeben. Ihr zufolge steht die Hilfe Lukaschenkas für Putin im Zusammenhang mit der Unterstützung Putins im Jahr 2020, die Lukaschenka gegen die Opposition in Belarus erfahren hatte. Die meisten Menschen in Belarus würden die Beteiligung an Russlands Feldzug nicht befürworten.[19]
Laut Chatham House halten 79 Prozent der Belarussen den Tod belarussischer Soldaten im Krieg zwischen Russland und der Ukraine für inakzeptabel, und mehr als 50 Prozent sind der Meinung, dass Belarus neutral bleiben sollte.[20]
Karbalewitsch zufolge ist der Krieg sogar unter Anhängern des Staatspräsidenten unpopulär. Lukaschenka sei wegen der Abhängigkeit von Russland selbst nicht frei in seinen Entscheidungen. Die Anwesenheit russischer Truppen schränke seine eigene Kontrolle über Belarus ein. Der Krieg habe für ihn keine Vorteile. Wirtschaftlich noch schwerwiegender als westliche Sanktionen würde für Belarus ein Ausfall des Handels mit der Ukraine werden.[2]
Diplomatie
Lukaschenka behauptete am 27. Februar, Russland würde Verhandlungen mit der Ukraine in der belarussischen Stadt Homel akzeptieren. Russland zufolge befinde sich dort bereits eine Delegation. Die Ukraine jedoch verweist darauf, dass Belarus nicht neutral sei.[6] Zeit Online zufolge bietet Lukaschenka Verhandlungen an, weil dies für ihn eine Chance für ein Comeback auf die weltpolitische Bühne sein könnte. Die EU beispielsweise erkenne den belarussischen Diktator nicht mehr als rechtmäßigen Präsideten an. Am selben Tag haben Lukaschenka und Selenskyj miteinander telefoniert. Selenskyj zufolge habe Lukaschenka ihm zugesagt, nicht in den Krieg einzugreifen.[21].[5]
Sanktionen
Am 24. Februar 2022 verhängte das US-Finanzministerium erste Sanktionen gegen Belarus wegen der Unterstützung der russischen Invasion. Mehrere Unternehmen der Rüstungsindustrie und Generäle wurden mit Sanktionen belegt.[22]
Der EU-Sondergipfel vom selben Tag hat Sanktionen gegen Russland und auch gegen Belarus beschlossen.[23]
Am 2. März verhängte die EU Einreise- und Vermögenssperren gegen folgende 22 hochrangige belarussische Militärs:[24]
- Aleksandr Viktorovich Naumenko
- Alexander Ivanovich Bas
- Anatoliy Anatolievich Bulavko
- Dmitri Ivanovich Surovich
- Dmitry Alexandrovich Zabrotsky
- Dmitry Anatolievich Miholap
- Dmitry Leontevich Bekren
- Igor Vladimirovich Mozhilovsky
- Ivan Josephovich Boguslavsky
- Leonid Viktorovich Kasinsky
- Oleg Leonidovich Voinov
- Oleg Nikolayevich Kopyl
- Sergei Anatolievich Sauta
- Sergey Nikolayevich Grinyuk
- Vadim Anatolyevich Lukashevich
- Vadim Evgenievich Shadura
- Valery Ivanovich Yanushkevich
- Victor Vladimirovich Soyko
- Vitaly Fridrikhovich Kilchevsky
- Vladimir Vladimirovich Kulazhin
- Vyacheslav Aleksandrovich Lenkevich
- Yuri Mikhailovich Peyganovich
Großbritannien hat am 1. März ein erstes Sanktionspaket gegen Belarus angekündigt. Gerichtet ist es gegen belarussische stellvertretende Verteidigungsminister sowie gegen zwei Rüstungsunternehmen. Laut britischem Außenministerium ist einer der Betroffenen, der Generalstabschef Viktor Gulewitsch, für die Führung der belarussischen Streitkräfte verantwortlich, die den Überfall unterstützt haben. Schon zuvor hatte Großbritannien mehr als 100 belarussische Funktionäre wegen der Niederschlagung der Proteste von 2020 sanktioniert.[25]
Sportler aus Belarus wurden, genau wie ihre Kollegen aus Russland, von den Paralympischen Spielen in Beijing ausgeschlossen.[26] Ab dem 7. März 2022 dürfen Sportler und Offizielle aus Russland und Belarus bis auf Weiteres nicht an Wettbewerben des Turn-Weltverbands FIG teilnehmen.[27]
Verfassungsreferendum
Für die Festigung der Diktatur setzt Lukaschenka unter anderem auf eine Verfassungsänderung, die am 27. Februar 2022 durch ein Referendum bestätigt werden sollte.[1] Die Volksabstimmung ergab nach offiziellen Angaben eine Mehrheit von 65,16 Prozent für die Verfassungsänderung. Dadurch erhalten ehemalige Staatspräsidenten eine lebenslange Immunität.[28]
Außerdem entfällt die Bestimmung, dass Belarus eine atomwaffenfreie Zone sein muss. Lukaschenko hatte schon Mitte Februar gesagt, das Land sei zur Stationierung von Atom-Raketen bereit, wenn es durch den Westen bedroht werde. Das französische Außenministerium kommentierte: „Diese Verfassungsreform bedeutet eine neue Quelle der Instabilität und Ungewissheit mit Blick auf die Sicherheit des europäischen Kontinents.“ Staatspräsident Macron warnte Lukaschenka davor, russische Atomwaffen auf dem Gebiet von Belarus zu erlauben. Laut EU sei die Abstimmung und ihr Ergebnis vor dem Hintergrund von Menschrenrechtsverletzungen in Belarus zu sehen. Sie gebe Lukaschenka Instrumente für eine weitere Festigung seiner Macht an die Hand.[29]
Belege
- Sonja Thomaser: Panzer rollen aus Belarus in die Ukraine – doch was will Lukaschenko? In: fr.de. 26. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- "Durchgangshof für russische Truppen". In: tagesschau.de. 2. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Isabelle Wermke: Warum hilft Belarus Putin? In: handelsblatt.com. 1. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Лукашенко: белорусские войска не принимают никакого участия в российской спецоперации в Донбассе. In: BelTAru. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Belarus könnte ab heute für Russland in Krieg eingreifen. In: allgaeuer-zeitung.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Belarus greift in den Krieg in der Ukraine ein. In: Berliner Zeitung. 27. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Враг пошел на прорыв границы в Киевской области. In: Ukrayinska Pravdaru. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Погранслужба Украины: вертолет с территории Беларуси атаковал украинский пункт пропуска «Славутич». In: reform.byru. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- WATCH: Tanks enter Ukraine via Belarus border. In: CNN. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Из Беларуси выпущено 4 баллистические ракеты в направлении Украины — ВСУ. In: tsn.ua. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Лукашенко подтвердил, что с территории Беларуси были запущены ракеты по позициям в Украине, но это был вынужденный шаг. In: BelTAru. 27. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Lukashenko Is Letting Putin Use Belarus to Attack Ukraine. In: Foreign Policy. Abgerufen am 26. Februar 2022 (englisch).
- Sonja Thomaser: Panzer rollen aus Belarus in die Ukraine – doch was will Lukaschenko? In: fr.de. 26. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Images show new deployments of forces, 150 helicopters in southern Belarus -Maxar. In: Reutersen. 26. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Как Лукашенко втянул Беларусь в конфликт с Украиной и чем это грозит экономике. In: BBCru. 25. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Russian Hybrid War Report: Belarus joins conflict against Ukraine. In: Atlantic Council. 24. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022 (englisch).
- Як Беларусь саўдзельнічае ў нападзе на Украіну: паказваем на мапе. In: Nasha Nivabe. Abgerufen am 26. Februar 2022.
- Как Лукашенко втянул Беларусь в конфликт с Украиной и чем это грозит экономике. In: BBC. 25. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Tichanowskaja: "Belarussen wollen nicht in der Ukraine kämpfen". In: dw.com. Deutsche Welle, 26. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Как Лукашенко втянул Беларусь в конфликт с Украиной и чем это грозит экономике. In: BBC. 25. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Belarus könnte ab heute für Russland in Krieg eingreifen. In: zeit.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- US Treasury Targets Belarusian Support for Russion Invasion of Ukraine. In: home.treasury.gov. Department of the Treasury, 24. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022 (englisch).
- EU-Krisengipfel: Auch gegen Belarus sollen offenbar Sanktionen verhängt werden — wegen Mittäterschaft. In: businessinsider.de. 25. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2022/353 DES RATES vom 2. März 2022 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (PDF; 720 KB), abgerufen am 2. Februar 2022.
- Patrick Wintour: UK announces first wave of sanctions against Belarus. In: theguardian.com. The Guardian, 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022 (englisch).
- Sascha Mehr: Ukraine-Krieg: Russland und Belarus von Paralympics in Peking ausgeschlossen. In: fr.de. 3. März 2022, abgerufen am 2. März 2022.
- Nächster Ausschluss für Russland. 4. März 2022, abgerufen am 5. März 2022.
- Lukaschenko sichert sich mit Referendum Machterhalt. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Referendum in Weißrussland: Worum geht es? In: swp.de. Südwest-Presse, 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.