Bauphysik
Die Bauphysik handelt von der Anwendung der Physik auf Bauwerke und Gebäude. Hauptaugenmerk sind dabei Sicherheitsaspekte.
Die Bedeutung der Bauphysik hat in den letzten Jahrzehnten – ab etwa 1970 – erheblich zugenommen: Verstärkte Bemühungen beim Wärmeschutz von Gebäuden führten zu einer stärkeren Einbeziehung bauphysikalischer Überlegungen in die Gebäudeplanung. Ein weiterer Schwerpunkt der Bauphysik ist die Realisierung von Schallschutz in Wohnungen und Gebäuden. Zum Beispiel soll die Schallausbreitung in Mehrfamilienhäusern minimiert werden; man möchte 'hellhörige' Wohnungen vermeiden.
Die Bemühungen zum Wärmeschutz von Gebäuden waren und sind getrieben von folgenden Faktoren:
- Ökonomische Erwägungen: zwei Ölkrisen – 1973/74 und 1979/80 – machten Öl und Gas deutlich teurer.
- In den 1970ern wurde – zum Beispiel durch den Bericht des Club of Rome – bewusst, dass die Energiereserven endlich sind.
- Das Ölfördermaximum der USA im Jahre 1970 bestätigte die Thesen von Marion King Hubbert.
- In den 1970ern und 1980ern wurden die Schäden durch Umweltverschmutzung (zum Beispiel durch sauren Regen) bekannter.
- Fortschritte bei vielen Baustoffen.
- In den 1970ern wurden viele Bauschäden bzw. Baumängel an Bauten der 1950er und 1960er Jahre sichtbar. Diese konnten nicht oder nur mit großem Aufwand behoben werden und führten sogar zum Abriss einiger Gebäude.
- Das Komfortbedürfnis vieler Menschen (Bauherren, Mieter, Käufer) ist gestiegen.
- Die Bereitschaft, gegen Bauschäden und -mängel zu klagen, ist stark gestiegen.
Diese Faktoren führten 1979 zur Gründung der Fachzeitschrift Bauphysik, einer wissenschaftlich-technischen Zeitschrift, die zweimonatlich erscheint und die Gebiete Wärme, Feuchte, Schall, Brand, Licht und Energie in Bezug auf Hochbauten abdeckt.
Abgrenzung
Bauphysik ist ein Arbeits- und Forschungsfeld der Architektur und des Bauingenieurwesens an Universitäten und Fachhochschulen.
Zum Beispiel heißt an der Universität Siegen eine Professur "Gebäudetechnologie, Bauphysik und Bauökologie".
Es gibt das Berufsbild des Bauphysikers.
Nicht zur Bauphysik zählen
- statische Berechnungen, diese sind Teil der Tragwerkslehre
- die Materialbeschaffenheit von Baustoffen – diese wird in den Disziplinen Baustoffkunde und Bauchemie behandelt
Anwendungen
Bauphysik und bauphysikalische Überlegungen fließen heute bereits in der Entwurfsphase in Baukonstruktion und Architektur ein. Zahlreiche technische Regelwerke, Normen und Gesetze beinhalten bauphysikalische Fragestellungen und Festlegungen:
- DIN 4108 – Wärmeschutz und Energieeinsparung im Hochbau
- DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau
- EN ISO 6946 Bauteile – Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient – Berechnungsverfahren
- In Deutschland gilt das GEG, seine Vorgänger waren die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die Wärmeschutzverordnung
Bauphysikalische Betrachtungen und Gutachten spielen auch bei der Bewertung von Baumängeln und Bauschäden eine Rolle.
Teilgebiete und Themen
- Baufeuchte/Wasserdampfgehalt/Feuchtetransport (siehe auch Dampfbremse)/Kondensation von Wasser/Schimmelbildung in Wohnungen
- Sowohl Bauakustik, d. h. Schallübertragung/Schalldämmung innerhalb von Gebäuden als auch Raumakustik, d. h. Schallausbreitung und Schallverteilung in Räumen, und Schallimmissionsschutz, d. h. Schallübertragungen im Freien und Schutz gegenüber Verkehrs-, Gewerbe- und Freizeitlärm
- Funktion von Gebäuden als Schutz vor "Unbilden der Witterung", Ansprüche von Nutzern eines Gebäudes an dessen "Raumklima", Schädliche Wirkung der klimatischen Gegebenheiten auf Bauwerke
Auseinandersetzungen
Von normativen und gesetzlichen Regelungen im Bereich der Bauphysik sind mitunter unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Branchen innerhalb der Baustoffindustrie betroffen. In Deutschland hatte die Energieeinsparverordnung dazu geführt, dass Neubauten mit Ziegelaußenwänden lange Zeit praktisch ausschließlich mit Wärmedämmung realisiert werden. In diesem Zusammenhang haben seit den 1980er Jahren in den Medien und im Internet zum Teil heftige Kontroversen zur Bauphysik stattgefunden. Da die ersten Veröffentlichungen in Zeitschriften von Ziegelindustrie-Verbänden erfolgten, erhielt ein Zeitschriftenaufsatz zur Richtigstellung den Titel Ziegelphysik – Eine neue Bauphysik? (Das Stuckgewerbe, 1983.[1]). Der Begriff „Ziegelphysik“ hat sich seitdem bei einem Kreis von Diskutanten – auch in Internet-Fachforen – eingebürgert, oft als Synonym für Pseudowissenschaft.
Seit Jahren ist eine neue Generation von höchstwärmedämmenden Mauerziegeln auf dem Markt, die alle Anforderung an den Wärmeschutz bis hin zum Passivhaus-Niveau in einschaliger Bauweise ohne zusätzliche Dämmschichten erfüllen. Der monolithische (einschalige) Wandaufbau überwiegt sogar insgesamt in Deutschland und steigt beständig.
Literatur
- Thomas Duzia, Norbert Bogusch: Basiswissen Bauphysik – Grundlagen des Wärme- und Feuchteschutzes. Fraunhofer IRB Verlag, 2014, ISBN 978-3-8167-9135-5.
- Heinz-Martin Fischer (Hrsg.): Lehrbuch der Bauphysik. Schall – Wärme – Feuchte – Licht – Brand – Klima. 6. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-519-55014-3.
- Claus Meier: Mythos Bauphysik – Spiegelbild der Gesellschaft: Irrtümer, Fehldeutungen, Wegweisungen. 2., erweiterte Auflage. Deutsch expert-verlag, 2011, ISBN 978-3-8169-2989-5.
Siehe auch
- Dämmtechnik
- Atmende Wand
- Bauphysik – Fachzeitschrift