Basidsch-e Mostaz'afin
Die Basidsch-e Mostaz'afin (persisch بسيج مستضعفين, DMG Basīǧ-e Mostażʿafīn, ‚Mobilisierung der Unterdrückten‘, kurz auch Bassidsch oder Basidsch)[1] sind eine als inoffizielle Hilfspolizei eingesetzte paramilitärische Miliz des Iran, die sich aus Freiwilligen rekrutiert. Am 26. November 1979 durch einen Erlass von Ruhollah Chomeini gegründet, sind die Basidschi organisatorisch eine Abteilung der Iranischen Revolutionsgarde. Im Ersten Golfkrieg gegen den Irak fanden zehntausende Basidschis in teils jugendlichem Alter bei Himmelfahrtskommandos den Tod.
Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA bezifferte die Anzahl der Basidschis anlässlich eines Besuches von Revolutionsführer Ali Chamene’i am 26. November 2007 mit 12,5 Millionen, darunter 5 Millionen Frauen.[2] Eine Studie aus dem Jahre 2005 des Center for Strategic and International Studies in Washington beschreibt 90.000 aktive „Vollzeit“-Basidschis, 300.000 Reservisten, sowie die Möglichkeit, bis zu eine Million zu mobilisieren.[3] Derzeitiger Kommandeur ist Brigadegeneral Mohammed Resa Nagdi.
Erster Golfkrieg
Rekrutierung
Ruhollah Chomeini forderte 1981 in einer Ansprache an das Volk:
„In diesem heiligen Krieg versuchen die Teufel der Fünften Kolonne euch mit dem Mangel an Benzin, Heizmaterial, Zucker und Fett zu ködern – sterben unsere Söhne denn nur für Benzin und Zucker? Sterben sie nicht vielmehr für den Islam und unsere heldenhafte Nation? Wollt ihr etwa dem Islam und der Nation nur dienen, damit ihr euch die Bäuche füllen könnt? Ich preise jenen zwölfjährigen Helden, der sich Handgranaten um den Leib band und sich unter die Panzer des Teufels Saddam warf.“
Der 14-jährige Hossein Fahmideh sprengte sich am 10. November 1980 bei Chorramschahr mit einer Handgranate vor einem irakischen Panzer in die Luft. Sein Tod wurde in den iranischen Medien als Vorbild gepriesen und mit einer Briefmarke geehrt.[4] Der Vorsitzende des Wächterrates, Ajatollah Ahmad Dschannati, gab als Devise für die Mobilisierung aus:
„Wir brauchen eine 20-Millionen-Armee von Basidschis. Eine solche Armee muss bereit sein, für Gott zu leben, auf dem Wege Gottes zu sterben und den Dschihad zu führen, um Gott zu gefallen.“
Danach erhielten alle Schüler ab dem achten Schuljahr eine militärische Ausbildung. Die geeignetsten Schüler bzw. Freiwilligen wurden von der Organisation der Basidsch übernommen und kamen erstmals gezielt 1982 bei der iranischen Gegenoffensive zum Einsatz.[6] Die Basidschis wurden systematisch in Schulen angeworben und durften ohne Erlaubnis der Eltern nach Erreichen der Volljährigkeit in den Krieg ziehen. Die Volljährigkeit wurde 1980 vom Wächterrat auf 15 Jahre festgelegt.
Die Aufgabe der Kindersoldaten bestand darin, vor den regulären Truppen und Panzern als eine Art lebender Minenräumer über das Kampfgebiet zu gehen.[7] Drögemüller beschreibt arbeitslose Jugendliche aus der Provinz, meist ohne Waffen, mit einer weißen oder roten Stirnbinde mit der Aufschrift “Allahu Akbar”, die über die Minenfelder gegen die Stellungen der Iraker anrennen.[8]
Menschliche Welle
Die Kampftaktik der menschlichen Welle, mit kaum oder nicht ausgebildeten Zivilisten als Vorhut für die paramilitärischen Pasdaran, wurde erstmals am 30. September 1982 am Frontabschnitt bei Mandali eingesetzt. In einer Einzelaktion starben dabei mindestens 4.000 Iraner, dagegen 300 der verteidigenden Iraker.[9] Ein iranisches Schulbuch aus dem Jahre 2004 für die Stufe 10 beziffert 36.000 Schuljungen, die im Krieg starben.[10]
Minenräumer
Bahman Nirumand zitiert eine Ausgabe der Zeitung Ettelā'āt aus dem Jahre 1984:
„Früher sah man freiwillige Kinder, vierzehn-, fünfzehn-, sechzehn- und zwanzigjährige wie Knospen auf Wiesenfeldern, die in der Morgendämmerung zur Blüte gelangt waren. Sie gingen über Minenfelder. Ihre Augen sahen nichts, ihre Ohren hörten nichts. Und wenige Augenblicke später sah man Staubwolken aufsteigen. Als sich der Staub wieder gelegt hatte, war nichts mehr von ihnen zu sehen. Dieser Zustand habe sich – so Ettelaat – verbessert, denn vor dem Betreten der Minenfelder hüllen sich die Kinder in Decken ein und rollen auf dem Boden, damit ihre Körperteile nach der Detonation der Minen nicht auseinanderfallen …“[11]
Den Eltern derjenigen Kinder, die als sogenannte „Märtyrer“ starben, wurden Prämien versprochen. Den Kindern hatte man dabei Plastikschlüssel um den Hals gehängt, die die Pforte zum Paradies aufschließen sollten. Eine halbe Million Plastikschlüssel hatte man aus Taiwan importiert.[11] Bevor man Kinder dazu benutzte, soll man Esel und Maultiere verwendet haben. Diese flüchteten jedoch in Panik, sobald die ersten Tiere von den Explosionen auseinandergerissen worden waren.
Mohsen Rezai, der damalige Kommandeur der Pasdaran und somit auch der Bassitschi, wurde von der „Vereinigung der Mütter der Kindersoldaten“ beschuldigt, für den Tod Tausender verantwortlich zu sein. Eine Anklage vor Gericht wurde abgewiesen; der heutige Revolutionsführer Ali Chamene’i war damals Oberkommandierender der Streitkräfte.
Sichtweise der Pasdaran
In einem Interview mit Ali Sadrzadeh beschrieb der Pasdar Ahmad seine Sichtweise für den Einsatz militärisch unerfahrener Jugendlicher:
„Die Provinz Chusistan war in Gefahr, ohne deren Erdöl der Iran ein Armenhaus wäre, und damit war auch die Revolution in Gefahr, die von 90 Prozent der Bevölkerung getragen wurde. In so einer Situation kommt einem vieles nebensächlich vor. Den Einsatz der jugendlichen Freiwilligen muss man begrüßen, zumal die Armee damals sehr verunsichert war (…) bei den Offensiven im Jahre 1984 mussten wir ein breites Minenfeld durchqueren, und da sind die Freiwilligen ebenso dabeigewesen wie die Pasdaran.“[12]
Internationaler Protest
Am 19. August 1983 wurden mehr als 200 Kinder und Jugendliche von irakischen Truppen gefangen genommen. Das Hilfswerk Terre des Hommes nahm die Kinder auf. Am 9. September 1983 richtete der Ausschuss für Menschenrechte der Vereinten Nationen den dringenden Appell an den Iran, auf die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten zu verzichten.
Heutige Funktion
Einsatz gegen Opposition
Heute dienen die Basidschis dem iranischen Regime zur Unterdrückung der Opposition. Bei den Protesten nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 wurden die Basidschis gezielt gegen Demonstranten eingesetzt. Der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erschien zu einigen offiziellen Veranstaltungen in Basidsch-Uniform, und auch andere hohe Politiker erklären die Basidschis zu nationalen Vorbildern.
Verfolgung religiöser Minderheiten
Die Basidschis werden von der Regierung auch gegen religiöse Minderheiten, darunter die Sufi-Derwische, in Stellung gebracht. Am 13. Februar 2006 setzte die Miliz das Gebetshaus der Derwische in der Stadt Ghom in Brand. Dabei wurden 1.200 Mitglieder des Nematollah-Sufiordens festgenommen.[13] Am 10. und 11. Oktober 2007 räumten die Basidschis Sufi-Gotteshäuser in der südwestiranischen Stadt Borudscherd, Provinz Lorestan. Dabei wurden 80 Personen verletzt. Bei der Räumung kamen Molotowcocktails und Bulldozer zum Einsatz. Nach Meinung des Sufi-Meisters Seyed Mostafa Azmayesh gehe es darum, die Derwisch-Bewegung auszulöschen.[14] Seit Monaten sei eine Kampagne in Zeitungen und von Predigern in Moscheen im Gange. Obwohl der Nematollah-Derwischorden zur Schia zählt, wird die Religionsgemeinschaft im Iran als unislamisch verfolgt.[14] Kommentatoren sehen als Grund die Furcht des iranischen Ajatollah-Regimes um seinen Anspruch auf Meinungsführerschaft in der Umma. Die weltoffene Auslegung des Korans durch die Derwische, verbunden mit Tanz und Musik, lässt die Bewegung unter jungen Leuten im Iran zunehmend Anhänger finden.[14]
Gegen ausländisches Satellitenfernsehen
Im Juli 2016 warnt General Mohammed Resa Nagdi von der Basidsch-e Mostaz'afin die Bürger vor dem „subversiven“ Einfluss ausländischer Satellitensender auf die „Moral und Kultur der Gesellschaft“. Die Nutzung habe „eine Zunahme der Scheidungen, Drogenabhängigkeit und Unsicherheit“ zur Folge. Die staatlichen Behörden haben demnach das im Land geltende Verbot umgesetzt und in Razzien 100.000 illegal montierte Parabolantennen (Satellitenschüsseln) zerstört. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung unter Ali Dschannati plädiert für eine Gesetzesänderung, da „70 Prozent der Iraner“ Parabolantennen nutzen.[15]
Literatur
- Saeid Golkar: Captive Society: The Basij Militia and Social Control in Iran. Columbia University Press, New York 2015, ISBN 978-0-231-70442-7.
Einzelnachweise
- Vgl. Junker/Alavi: Persisch-deutsches Wörterbuch, Leipzig/Teheran 1970, S. 99. Demnach ist ein Angehöriger dieser Miliz ein persisch بسيجى Basidschi, DMG Basīǧī, dt. Plural: Basidschis.
- IRNA vom 26. November 2007 (Memento vom 2. Februar 2009 im Internet Archive)
- http://www.globalsecurity.org/wmd/library/news/iran/2005/iran-050930-rferl01.htm.
- THE ATTITUDE TO 'THE OTHER' AND TO PEACE IN IRANIAN SCHOOL BOOKS AND TEACHER’S GUIDES (Memento vom 7. Juli 2007 im Internet Archive), Oktober 2006, S. 294.
- M. Küntzel: Sind 500.000 Plastikschlüssel genug? (Online)
- Ali Sadrzadeh: Der Pasdar. 1987. Seite 155.
- Sepehr Sepahrom: Mit fünfzehn in die Minen. In: Iran. Wieser Verlag, 2003. Seite 90.
- Hans-Peter Drögemüller: Iranisches Tagebuch. 5 Jahre Revolution. 1983, Hamburg: Libertäre Assoziation, ISBN 3-922611-51-6, Seite 301.
- Economist, 16. Oktober 1982.
- THE ATTITUDE TO 'THE OTHER' AND TO PEACE IN IRANIAN SCHOOL BOOKS AND TEACHER’S GUIDES (Memento vom 7. Juli 2007 im Internet Archive), Oktober 2006, S. 7.
- Bahman Nirumand: Krieg, Krieg, bis zum Sieg. In: Iran-Irak. 1987. Seite 95.
- Ali Sadrzadeh: Der Pasdar. In: Iran-Irak, bis die Gottlosen vernichtet sind. 1987. Seite 156–158.
- https://www.heise.de/tp/features/Der-iranische-Mythos-3405717.html.
- Michael Hanfeld in der FAZ von 14. November 2007, S. 35 unten: Die Derwische auslöschen. In Iran wird die religiöse Minderheit der Sufis verfolgt.
- Iranische Behörden zerstörten 100.000 Satellitenschüsseln. Der Standard, 24. Juli 2016, abgerufen am 24. Juli 2016.