Bahnstrecke Greifswald–Lubmin
Die Bahnstrecke Greifswald–Lubmin ist eine eingleisige Nebenbahn zwischen der Kreisstadt Greifswald und dem Seebad Lubmin. Sie diente ab 1969 vorrangig dem 1995 stillgelegten Kernkraftwerk Lubmin. Der Personenverkehr wurde zum 30. Mai 1999 eingestellt, heute gibt es noch Güterverkehr zum Hafen Vierow und sporadisch zum Zwischenlager Nord.
Greifswald–Lubmin | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Baureihe 202 im Lubminer Werkbahnhof, 1995 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckennummer (DB): | 6326 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kursbuchstrecke (DB): | 196 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 24,9 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenklasse: | CM 4 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Höchstgeschwindigkeit: | 80[1] km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Geschichte
Der Bau des Kernkraftwerks Lubmin ab 1968 machte den Bau einer Eisenbahnverbindung zu diesem notwendig. In den Jahren von 1967 bis 1969 wurde daher die eingleisige Verbindung errichtet, die neben dem Werkbahnhof des Kraftwerks (später Lubmin Personenbahnhof) auch den Ort selbst anschloss. Am Bahnhof Greifswald erfolgte gleichzeitig ein Ausbau der Anlagen und die Errichtung eines eigenen Bahnsteigs für die Züge nach Lubmin. Von dort aus nutzten die Züge zunächst die Hauptbahn Berlin–Stralsund bis zur fünf Kilometer südlich gelegenen Abzweigstelle Schönwalde. Dort beginnt die Strecke nach Lubmin. Sie führt knapp 20 Kilometer nach Nordosten, die einstigen Halte Seebad Lubmin, Lubmin ZBE und Lubmin Werkbahnhof folgen dann im Abstand von etwa jeweils einem bis zwei Kilometern. Weitere Unterwegshalte wurden nicht eingerichtet, dafür allerdings ein Gleisanschluss zum Kernkraftwerk.
Nachdem am 28. September 1969 der Güterverkehr aufgenommen wurde, folgte der Personenverkehr am 31. Mai 1970. Zum Einsatz kamen vorrangig Diesellokomotiven der Baureihe 110 mit Doppelstockzügen. Zu Schichtwechselzeiten fuhren Garnituren, bestehend aus drei fünfteiligen so genannten Doppelstockgliederzügen und zwei Lokomotiven dazwischen (DBGq + BR 110 + DBG + BR 110 + DBGq), die eine Kapazität von 1500 bis 1600 Sitzplätzen hatten. Bei solchen Zügen waren immer zwei Lokführer im Einsatz: Einer im voranlaufenden Steuerwagen, der zweite auf der hinteren Lokomotive. Diese mit einer Ausnahmegenehmigung der Hauptverwaltung des Betriebs- und Verkehrsdienstes für die Zugbildung betriebene Zugkomposition entsprach der Vorschrift, dass ein geschobener Zugteil maximal 32 Achsen haben darf.[2] Die Verbindung wurde mit bis zu neun Zugpaaren täglich bedient.
Im Winter 1978/79 machten Schneestürme und -verwehungen die Bahnstrecke ab dem späten Abend des 13. Februar 1979 für mehrere Tage unpassierbar. Trotz des Einsatzes von schwerer Räumtechnik konnte auch einem Schienenersatzverkehr am nächsten Morgen kein Weg zum Kraftwerk gebahnt werden. Die im Kraftwerk eingeschlossene, aus etwa 1000 Personen bestehende Nachtschicht konnte witterungsbedingt erst ab dem 16. Februar mit Hubschraubern, in denen jeweils 12 Passagiere Platz fanden, schrittweise abgelöst werden.[3]
Nach der Wende gingen die Beschäftigungszahlen im Kraftwerk zurück. 1990 wurden die ersten Reaktoren stillgelegt, das gesamte Kraftwerk 1995 abgeschaltet. Da der Verkehr dementsprechend abnahm – die steigende Motorisierung kam hinzu – ging die Bedienhäufigkeit auf vier bis sechs Zugpaare pro Tag zurück. Zum Einsatz kamen zuletzt Lokomotiven der Baureihen 202 (ehemalige DR-Baureihe 110) und 232 mit meist drei angehängten Halberstädter Wagen.
Angesichts der geringen Fahrgastzahlen stellte die Deutsche Bahn den Personenverkehr zum 30. Mai 1999 ein. Am 31. Dezember 2000 wurde die Infrastruktur der Strecke vom Abzweig Schönwalde bis zum Werksbahnhof Lubmin an die Energiewerke Nord GmbH abgegeben. Der Anschluss zum Zwischenlager Nord auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks besteht noch und wird selten für Castortransporte benutzt.
2006 begannen konkrete Planungen zum Gleisanschluss des 2004 neu errichteten und 2006 in Betrieb gegangenen Hafen Lubmin. 2009 wurden die Hafengleise und neuen Anlagen über den vorhandenen Anschluss Kernkraftwerk in Betrieb genommen. Ebenfalls fanden bauliche Veränderungen bzw. Neubau der Gleisanlagen auf dem Gelände des KKW statt.
Am 15. Februar 2009 wurde die Förderzusage für den Gleisanschluss des Hafens Vierow erteilt. Daraufhin wurde ab Juni 2011 ein 1½ Kilometer langes Anschlussgleis von der Strecke in nördlicher Richtung abzweigend zum Hafen gebaut. In der Fördersumme von 4,7 Millionen Euro waren neben der Schieneninfrastruktur auch weitere Ausbauten enthalten.[4][5] Mitte Juni 2012 wurde der neue Gleisanschluss erstmals von einem Güterzug bedient.[6]
Literatur
- Dieter Grusenick, Erich Morlok, Horst Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. transpress, Stuttgart 1999, ISBN 3-613-71095-1
Weblinks
Einzelnachweise
- Bedingungen für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur Greifswald Schönwalde–Lubmin Werksbahnhof der Energiewerke Nord GmbH (EWN). (PDF; 256 kB) 21. Mai 2013, archiviert vom Original am 26. April 2016; abgerufen am 26. April 2016.
- Rudi Buchweitz: Die Wendezüge Greifswald – Lubmin In: Die Deutsche Reichsbahn – 45 Jahre Eisenbahngeschichte in der DDR, Kapitel 4.2, Ausgabe 1 / 2012, Geramond-Verlag, Gilching (keine ISBN angegeben)
- Lebensretter: Winter 1978/79: Menschen in Not (2) | ARD Mediathek. Abgerufen am 19. Februar 2022.
- 4,7 Millionen Euro für Hafen Vierow – Schlotmann: Neue Gleisanbindung. Pressemeldung auf regierung-mv.de. 15. Februar 2010. Abgerufen am 3. Juni 2011.
- Baustart für Gleisanschluss des Hafens Vierow. Nachricht auf zughalt.de. 13. Juni 2011. Abgerufen am 12. September 2011.
- Andreas Görs: Erster Güterzug erreicht den Hafen Vierow. 15. Juni 2012, abgerufen am 16. Juni 2012.