Athanasisches Glaubensbekenntnis
Das so genannte Athanasische oder Athanasianische Glaubensbekenntnis, auch Athanasianum (lateinisch Symbolum Athanasianum) und Quicumque nach dem lateinischen Anfang (Quicumque vult salvus esse) genannt, gehört zu den drei großen christlichen Glaubensbekenntnissen der westlichen Kirchen, wo es etwa seit dem 13. Jahrhundert ähnliches Ansehen[1] genießt wie das Apostolikum und das Nicäno-Konstantinopolitanum.
Textgeschichte
Die Frage nach dem Autor und der Entstehung ist offen. Traditionell wird Athanasius von Alexandria (4. Jh.) als der Autor dieses Bekenntnisses bezeichnet. Die älteste bekannte Nennung eines Glaubens des Heiligen Athanasius findet sich jedoch erst in den Bestimmungen des Konzils von Autun (ca. 670),[2] womit zwar nicht sicher, aber doch wahrscheinlich der Text „Quicumque“ gemeint ist.
Schon 1642 wies der niederländische Humanist Gerhard Johannes Vossius nach, dass dieses Bekenntnis nicht von Athanasius stammen könne. Unter anderem ist es klar lateinisch verfasst, während Athanasius griechisch schrieb. Ebenso lässt es alle theologischen Ausdrücke aus, die für Athanasius wichtig waren, wie z. B. homoousion, während es das typisch westliche Filioque einschließt. Zudem ist dieses Bekenntnis in den Ostkirchen unbekannt, obwohl der Name des Athanasius dort größte Hochachtung genießt.
Volker Drecoll wies nach, dass der rezipierte Text fast vollständig aus Zitaten verschiedener lateinischer Kirchenväter (überwiegend augustinischer Tradition) zusammengesetzt ist und dabei auf Ambrosius von Mailand, Vincent von Lérins, Fulgentius von Ruspe und zuletzt Caesarius von Arles zurückgeht.
Wahrscheinlich hat zwischen 540 und 670 ein namentlich nicht bekannter Kompilator den Text als „theologischen Grundkurs“ zur Klerikerausbildung zusammengestellt. Die ältesten Handschriften, die den Text des Symbols enthalten, stammen aus dem 8. Jahrhundert, eine davon möglicherweise sogar aus dem 7. Jahrhundert.
Struktur
Das Bekenntnis besteht aus vierzig sorgfältig gegliederten Versen, aufgeteilt in zwei deutlich unterschiedene Hauptabschnitte:
- Einleitung
- Der erste Abschnitt konzentriert sich auf die Lehre von Gott als Trinität. Die Formulierungen zeigen den Einfluss der Theologie des Augustinus von Hippo und grenzen sich gegen den Modalismus und Arianismus ab.
- Der zweite Abschnitt schärft den Glauben an die Inkarnation ein und grenzt sich dabei gegen die Lehren von Sabellianismus, Apollinarianismus, Arianismus und Monophysitismus ab.
- Bekräftigung
Volltext
Latein (nach dem Liber Usualis) | Deutsche Übersetzung |
---|---|
Quicumque vult salvus esse, |
Jeder, der selig werden will, |
Quam nisi quisque integram inviolatamque servaverit, |
Jeder, der diesen nicht unversehrt und unverletzt bewahrt, |
Fides autem catholica haec est: |
Dies aber ist der katholische Glaube: |
Neque confundentes personas, |
ohne dabei die Personen zu vermischen |
Alia est enim persona Patris, alia Filii, |
Denn eine Person ist die des Vaters, eine andere die des Sohnes; |
Sed Patris, et Filii, et Spiritus Sancti una est divinitas, |
Aber der Vater und der Sohn und der Heilige Geist haben nur eine Gottheit, |
Qualis Pater, talis Filius, |
Wie der Vater ist, so ist der Sohn |
Increatus Pater, increatus Filius, |
Ungeschaffen der Vater, ungeschaffen der Sohn, |
Immensus Pater, immensus Filius, |
Unermesslich der Vater, unermesslich der Sohn, |
Aeternus Pater, aeternus Filius, |
Ewig der Vater, ewig der Sohn, |
Et tamen non tres aeterni, |
Und doch sind es nicht drei Ewige, |
Sicut non tres increati, nec tres immensi, |
wie es auch nicht drei Ungeschaffene oder drei Unermessliche sind, |
Similiter omnipotens Pater, omnipotens Filius, |
Ebenso ist allmächtig der Vater, allmächtig der Sohn, |
Et tamen non tres omnipotentes, |
Und doch sind es nicht drei Allmächtige, |
Ita Deus Pater, Deus Filius, |
So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, |
Et tamen non tres Dii, |
Und doch sind es nicht drei Götter, |
Ita Dominus Pater, Dominus Filius, |
So ist der Vater Herr, der Sohn Herr, |
Et tamen non tres Domini, |
Und doch sind es nicht drei Herren, |
Quia sicut singillatim unamquamque personam Deum ac Dominum confiteri christiana veritate compellimur: |
Denn wie wir gezwungen sind, in christlicher Wahrheit jede einzelne Person für sich als Gott und als Herrn zu bekennen, so verbietet uns der katholische Glaube, von drei Göttern oder Herren zu sprechen. |
Pater a nullo est factus: |
Der Vater ist von niemandem gemacht, |
Filius a Patre solo est: |
Der Sohn ist vom Vater allein, |
Spiritus Sanctus a Patre et Filio: |
Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohn, |
Unus ergo Pater, non tres Patres: |
Es ist also ein Vater, nicht drei Väter, |
Et in hac Trinitate nihil prius aut posterius, |
Und in dieser Dreifaltigkeit ist nichts früher oder später, |
Ita ut per omnia, sicut iam supra dictum est, |
so dass in allem, wie schon oben gesagt worden ist, |
Qui vult ergo salvus esse, |
Wer also selig werden will, |
Sed necessarium est ad aeternam salutem, |
Aber zum ewigen Heil ist es nötig, |
Est ergo fides recta, ut credamus et confiteamur, |
Der richtige Glaube ist nun dieser: Wir glauben und bekennen, |
Deus est ex substantia Patris ante saecula genitus: |
Gott ist er, aus der Wesenheit des Vaters vor den Zeiten gezeugt, |
Perfectus Deus, perfectus homo: |
Vollkommener Gott, vollkommener Mensch, |
Aequalis Patri secundum divinitatem: |
Dem Vater gleich der Gottheit nach, |
Qui, licet Deus sit et homo, |
Doch obwohl er Gott und Mensch ist, |
Unus autem non conversione divinitatis in carnem, |
Einer aber nicht durch Verwandlung der Gottheit in Fleisch, |
Unus omnino non confusione substantiae, |
Er ist ganz und gar einer nicht durch eine Vermischung der Wesenheit, |
Nam sicut anima rationalis et caro unus est homo: |
Denn wie vernünftige Seele und Fleisch einen Menschen ergeben, |
Qui passus est pro salute nostra, descendit ad inferos: |
Er hat gelitten um unseres Heils willen, ist hinabgestiegen in die Unterwelt, |
Ascendit ad caelos, sedet ad dexteram Dei Patris omnipotentis: |
Er ist aufgefahren in die Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, |
Ad cuius adventum omnes homines resurgere habent cum corporibus suis: |
Bei seiner Ankunft müssen alle Menschen mit ihren Leibern auferstehen |
Et qui bona egerunt, ibunt in vitam aeternam: |
Und die Gutes getan haben, werden ins ewige Leben eingehen, |
Haec est fides catholica, |
Dies ist der katholische Glaube. |
Gebrauch in den Kirchen
In der Zeit der Reformation galt das Bekenntnis noch als eines der drei klassischen Glaubensbekenntnisse. Sowohl die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche als auch reformierte Bekenntnisse erkennen seine Autorität an.
In der Gegenwart wird es in der Liturgie der anglikanischen Kirchen verwendet, sowie am Trinitatis-Sonntag in den lutherischen Kirchen. Aus der katholischen Ordnung des Stundengebets, wo es bis zur Liturgiereform an Sonntagen außerhalb der geprägten Zeiten und außer an Hochfesten anstelle eines Psalms gesungen oder gebetet wurde, ist es nach Abschaffung der Prim aus der ordentlichen Form des römischen Ritus verschwunden und wird nur noch im lateinischen Stundengebet der außerordentlichen Form von denen gebraucht, die die Prim beten. In der Handreichung der deutschen römisch-katholischen Bischöfe zur Trinitätstheologie (2006) wird es dementsprechend nicht mehr erläutert. Auch in der jüngeren Theologie und Katechese wird dieses Credo wenig gewürdigt.
Einzelnachweise
- https://web.archive.org/web/20050429143510/http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P1B.HTM Katechismus der Katholischen Kirche, Artikel 193
- Hubert Mordek: Kirchenrecht und Reform im Frankenreich. Die Collectio Vetus Gallica, die älteste systematische Kanonessammlung des fränkischen Gallien. Berlin 1975, S. 84ff.
Literatur
- Volker Henning Drecoll: Das Symbolum Quicumque als Kompilation augustinischer Tradition. In: Zeitschrift für antikes Christentum 11 (2007), S. 30–56.
- Roger John Howard Collins: Athanasianisches Symbol. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 4, de Gruyter, Berlin/New York 1979, ISBN 3-11-007714-0, S. 328–333.
- Friedrich Loofs: Athanasianum. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 2, Hinrichs, Leipzig 1897, S. 177–194. (online)