Arbeitsstelle Schacht
Die Arbeitsstelle Schacht (auch Arbeitsstelle Dr. Schacht oder Arbeitsstelle Dr. Krämer) war eine im Juni 1932 von dem deutschen Bankier und Politiker Hjalmar Schacht gegründete und von der „Großindustrie“ finanzierte Organisation: Sie erstellte für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein Wirtschaftsprogramm.
Die Arbeitsstelle
Finanziert wurde die Arbeitsstelle von den Industriellen Albert Vögler, Paul Reusch, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Fritz Springorum und August Rosterg und den Bankiers Emil Georg von Stauß und Kurt Freiherr von Schröder, die jeweils 3000 Reichsmark gaben.[1]
Schachts Ziel war, die Unterstützung der Schwerindustrie für die NSDAP zu gewinnen. Hintergrund war die Unsicherheit der Wirtschaft im Hinblick auf die künftige Wirtschaftspolitik der Nazis. Daher wollte Schacht ein Wirtschaftsprogramm für die Nazis entwickeln, „welches Industrie und Handel mitmachen können“.[2]
Mit der Ausarbeitung des Wirtschaftsprogramms war Dr. Carl Krämer vom „Hamburger Wirtschaftsdienst“ betraut. Die Arbeitsstelle befand sich am Schöneberger Ufer 39 in Berlin, in einer Bürogemeinschaft mit der „Zentralstelle für Europa“ des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages und der Redaktion der Deutschen Führerbriefe. Unmittelbar gegenüber befand sich die Zentrale des Reichsverbands der Deutschen Industrie.[3]
Die ersten beiden Ausarbeitungen Krämers trugen die Titel: „Erfahrungen mit der Devalvation in England“ und „Einführung von Handelsmonopolen“. Welche später im Neuen Plan verwirklicht wurden, dessen Kernstück, von dort zu importieren, wohin man auch exportiert auch bereits in der Arbeitsstelle konzipiert wurde.[4]
Die Arbeitsstelle stand in Konkurrenz zur Wirtschaftspolitischen Abteilung der NSDAP und zum Keppler-Kreis, die ebenfalls Wirtschaftsprogramme entwarfen.
Wirtschaftsprogramm
1932 erschien Schachts Buch „Grundsätze deutscher Wirtschaftspolitik“. Darin erhob er folgende Forderungen für die Überwindung der Weltwirtschaftskrise:[5]
- Stop der Auslandsverschuldung
- Steuersenkung für Unternehmen
- Abbau der Bürokratie
- Abschaffung der Tariflöhne und Arbeitszeitbegrenzungen
- Beschränkung der Sozialleistungen, Ersatz durch Wohltätigkeit
- Währungsdeckung über Kredite
- Ablehnung der freien Geldschöpfung
- keinerlei Beschränkung von Einkommen und Vermögen
- Steuerung des Zinssatzes
- Förderung der Wehrhaftigkeit und des Wehrwillens
- Förderung der Autarkie, aber keine vollständige Abkehr vom Weltmarkt
- Selbstversorgung Deutschlands mit Nahrungsmitteln
- Rückgabe der Kolonien
Einschätzung in der Forschung
In der marxistischen Forschung nimmt die Arbeitsstelle einen bedeutenden Platz ein, denn beweise sie doch, dass das Wirtschaftsprogramm der Nazis von der Wirtschaft bestimmt und geschrieben wurde. In der westlichen Geschichtsschreibung wird die Arbeitsstelle dagegen als „Torso“[6] abgetan, deren Bedeutung für das Ende der Weimarer Republik man „vergessen“ könne.[7]
Carl Freytag bezeichnet sie als „Think Tank“ für den Mitteleuropäischen Wirtschaftstag.[8]
Literatur
- Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930-1933. In Archiv für Sozialgeschichte XIII, Bonn-Bad Godesberg 1973.
Einzelnachweise
- Schreiben von Schacht an Reusch vom 6. Juni 1932; gedruckt bei: Kurt Koszyk: Paul Reusch und die „Münchner Neuesten Nachrichten“ - Zum Problem Industrie und Presse in der Endphase der Weimarer Republik. in: VfZ 1/1972, S. 99 f. online (PDF; 5,2 MB)
- Schreiben Schachts an Hitler vom 12. April 1932 sowie Schreiben Schachts an Paul Reusch vom 18. März 1932; beide abgedruckt bei: Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930-1933. In: Archiv für Sozialgeschichte XIII, Bonn-Bad Godesberg 1973, S. 449 ff.
- Manfred Asendorf: Hamburger Nationalklub, Keppler-Kreis, Arbeitsstelle Schacht und der Aufstieg Hitlers, Reinhard Opitz zum Gedenken (2. Juli 1934 - 3. April 1986). in: 1999, Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 3/87, S. 106–150.
- Carl Freytag: Deutschlands „Drang nach Südosten“, Der Mitteldeutsche Wirtschaftstag und der „Ergänzungsraum Südosteuropa“ 1931-1945. Göttingen 2012, S. 174.
- Hjalmar Schacht: Grundsätze deutscher Wirtschaftspolitik. Oldenburg 1932. (Reihenfolge wie im Original)
- Reinhard Neebe: Die Großindustrie und die Machtergreifung. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung. Paderborn 1984, S. 116.
- Volker Hentschel: Weimars letzte Monate. Düsseldorf 1978, S. 127.
- Freytag, S. 174.