Anita Ušacka
Anita Ušacka (* 26. April 1952 in Riga, Lettische SSR) ist eine lettische Richterin. Sie war Richterin am Verfassungsgericht der Republik Lettland[1] und von 2003 bis 2015 Richterin am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).
Privatleben und Ausbildung
Anita Ušacka wurde am 26. April 1952 in Riga als einzige Tochter von Arturs Ušackis und Anna Krontāle geboren. Sie hat zwei ältere Brüder, Ivars (* 1944) und Juris (* 1948). Ušacka hat einen Sohn, Aleksejs Ušackis (* 1980). Sie ist mit Peter Wilkitzki verheiratet.[2]
Ušacka verbrachte ihre Kindheit in Riga, Lettland, und besuchte dort die Grundschule und das Gymnasium. 1970 begann sie ihr Studium an der Rechtsfakultät der Universität zu Lettland.[3] Sie erhielt ihren Abschluss im Jahr 1975. Ušacka promovierte später an der Rechtsfakultät der Moskauer Lomonossow-Universität und erhielt 1980 den Doktortitel (Kandidatur). Ihre Doktorarbeit, die sie im Januar 1980 verteidigte, behandelte Rechtsaspekte der Verwaltung der Industrien in Lettland.
1991 studierte Ušacka Menschenrechte am Internationalen Menschenrechtsinstitut in Straßburg, Frankreich. Das akademische Jahr 1993/1994 verbrachte sie an der University of Notre Dame in Indiana, an der sie vergleichendes Recht und Menschenrechte studierte. Ein Forschungsstipendium führte sie 1994 zum Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau.
2006 verlieh die Lewis and Clark Law School in Portland Ušacka den Ehrendoktortitel. In ihrer Dankesrede verwies sie auf die Dringlichkeit eines weltweiten Systems der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes.[4]
Beruflicher Werdegang in Lettland
Seit der Beendigung ihres Studiums im Jahr 1975 ist Ušacka Akademikerin. Sie begann ihre akademische Karriere als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Lettlands in der Abteilung für die Einführung in das Recht und durchlief daraufhin die akademische Laufbahn (1992: Dr. iur.; 1993: Dozent). 1999 erhielt sie einen Lehrauftrag an der Riga Graduate School of Law, 2002 wurde sie zur Professorin an der Universität Lettlands ernannt. Während ihrer Amtszeit an der Universität zu Lettland führte sie einen Kurs über Menschenrechte ein. Vorübergehend lehrte sie an der Robert Schuman Universität in Straßburg (u. a. über lettische Verfassungsgeschichte) und an der Lewis and Clark Law School.
1993, zwei Jahre nachdem die Republik Lettland ihre Unabhängigkeit von der UdSSR erklärt hatte, wurde der lettische Zweig von UNICEF errichtet. Von 1994 bis 1996 war Ušacka die leitende Direktorin dieses Zweigs. Zu ihren Aufgaben gehörte, die Übereinstimmung der lettischen Gesetzgebung mit den Vorgaben der internationalen Kinderrechtskonvention zu überwachen.[5]
Im Juni 1994 änderte die Saeima, das lettische Parlament, das Gesetz über die Gerichtsverfassung und errichtete Lettlands erstes Verfassungsgericht. Als 1996 die ersten Richter am Verfassungsgericht der Republik Lettland gewählt wurden, war Ušacka eine der sechs. Ihre Amtszeit betrug zehn Jahre.[6]
Richteramt am Internationalen Strafgerichtshof
Die Republik Lettland schlug Ušacka 2002 als Kandidatin für das Richteramt am neu errichteten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Niederlande, vor.[7] Die Staatenversammlung des Internationalen Strafgerichtshofs wählte sie als eine der 18 Richter (und eine von sieben Frauen) im Februar 2003 in dieses Amt. Sie war zu diesem Zeitpunkt die einzige Richterin der osteuropäischen Gruppe.
Nach der Richterwahl zog der Präsident der Staatenversammlung für alle 18 Richter Lose, um die erste Amtszeit (3, 6 oder 9 Jahre) zu bestimmen.[8] Diese unterschiedlichen Amtszeiten waren notwendig, um später eine dreijährige Rotation der Richter zu gewährleisten (die Amtszeit der Richter ist in der Regel 9 Jahre). Ušackas erste Amtszeit währte drei Jahre. 2006 wurde sie für eine weitere volle Amtszeit von 9 Jahren wiedergewählt.
Nach dem Amtsantritt im Jahr 2003 wurden die Richter des Internationalen Strafgerichtshofs in die verschiedenen Abteilungen des Gerichts berufen. Ušacka gehörte bis zum Jahr 2009 der Hauptverfahrensabteilung an. Von 2007 bis 2009 arbeitete sie vorübergehend in der ersten Kammer der Vorverfahrensabteilung. Als Richterin in dieser Kammer bestätigte sie die Anklage gegen Germain Katanga und Mathieu Ngudjolo Chui, ein Fall, der die Demokratische Republik Kongo betrifft. Des Weiteren erließ diese Kammer den ersten Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen einen Staatschef, und zwar gegen Umar al-Baschir aufgrund seiner Mitverantwortung an den Massakern in Darfur. Seit 2009 gehörte Ušacka der Berufungsabteilung des Gerichts an, deren Präsidentin sie von April 2011 bis März 2012 war. Sie war Vorsitzende Richterin in verschiedenen Beschwerdeverfahren vor der Berufungskammer.
Forschungsschwerpunkte, Vortragstätigkeit und Mitgliedschaften
Ušacka gilt als Expertin zu Fragen der Entwicklung eines postsowjetischen Rechtssystems in Lettland mit dem Schwerpunkt Öffentliches Recht, des Prozessrechts sowie der prozessbezogenen Grundrechte. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Menschenrechte (insbesondere die von Frauen und Kindern) und deren internationale Umsetzung.
Ušacka hat zahlreiche Vorträge gehalten sowie im Gebiet des Rechts publiziert, insbesondere im öffentlichen und Verwaltungsrecht, im internationalen und vergleichenden Recht und zum Thema Menschenrechte.[9] Kürzlich erschienene Veröffentlichungen sind:
- The International Criminal Court in Action. Challenges in Fighting Impunity. In: Ius novum. ISSN 1897-5577. Jg. 8 (2014), Heft 1, S. 11–45.
- Promises Fulfilled? Some Reflections on the International Criminal Court in Its First Decade. In: Criminal Law Forum, Jg. 22 (2011), S. 473–492.
- Building the International Criminal Court. In: Pacific McGeorge Global Business & Development Law Journal. Jg. 23 (2011), S. 225–242.
Ušacka ist seit 1997 aktives Mitglied der International Association of Women Judges,[10] die auch ihre Kandidatur zum Internationalen Strafgerichtshof mittrug. Im Mai 2006 leitete sie die Diskussionsrunde zum Thema „Eine unabhängige Rechtsprechung: Kultur, Religion, Geschlechtergleichheit, Politik“ auf der 8. Konferenz dieser Vereinigung in Sydney.[11] Seit 2004 is Ušacka Mitglied der Europäischen Gruppe für Öffentliches Recht.
Weblinks
- Kurzbiografie Ušackas auf der Website der Rīgas Juridiskā augstskola (englisch)
- Biografie Ušackas auf der Website des Internationalen Strafgerichtshofes (Memento vom 8. September 2012 im Internet Archive) (englisch)
- Lebenslauf (englisch, abgerufen 4. Juni 2012; PDF; 221 kB)
Einzelnachweise
- Verfassungsgericht von Lettland
- Universität Köln, Peter Wilkitzki.
- Universität zu Lettland (Memento vom 24. Juli 2017 im Internet Archive)
- Lewis & Clark Law School Commencement Address 2006 (Memento vom 30. September 2011 im Internet Archive)
- CICC Fragebogen für Kandidaten zum Richteramt am Internationalen Strafgerichtshof (PDF; 42 kB).
- Die Richter am Verfassungsgericht der Republik Lettland (Official Website of the Latvian Constitutional Court).
- Nomination of Anita Ušacka to ICC (PDF; 48 kB).
- Articles 36 and 41 of the Rome Statute of the International Criminal Court (PDF; 373 kB).
- CV of Anita Ušacka (Official website of the ICC) (PDF; 107 kB).
- Website der International Association of Women Judges.
- Program of the IAWJ May 2006 Biennial Conference in Sydney, Australia. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 15. Februar 2021. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)