Andreas W. Friedrich
Andreas W. Friedrich (AWF) (* 24. April 1954 in Hamburg) ist ein deutscher Taiji-Meister des Yang-Stils.
Leben und Werk
Friedrich wurde als jüngstes Kind des Unternehmers Otto A. Friedrich und Halbbruder der Journalistin Karin Friedrich geboren. Er ist der Enkel des Chirurgen und Hochschullehrers Paul Leopold Friedrich.
Nach dem Abitur im Jahr 1973 studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Philosophie, Wissenschaftstheorie und Psychologie.
Friedrich praktiziert seit 1983 Taijiquan. Er erlernte ab 1983 bei Toyo Kobayashi (München) Taijiquan und begann ein Jahr später seine Ausbildung im traditionellen Yang-Stil bei Frieder Anders, Ping-Liong Tjoa und Chu King-Hung, einem Meister des „alten, authentischen“ Yang-Stils. Im Januar 1986 legte er bei Chu King-Hung die Prüfung ab und wurde offiziell zum Lehrbeauftragten der International Tai Chi Chuan Association (ITCCA) ernannt. Diese Lehrtätigkeit übte er bis Mai 1993 in eigener Schule in München aus. Am 1. Juni desselben Jahres eröffnete er in München sein eigenes, freies und unabhängiges Tai Chi Chuan Institut (TCCI).
Er absolvierte weitere Ausbildungslehrgänge bei namhaften Meistern anderer Stile des Taijiquan und des Qigong, wie z. B. Bruce Frantzis, Jan Silberstorff, Howard Choy, Zhi Chang Li und Jumin Chen. Bei Jumin Chen legte er die Prüfung in der langen Form des traditionellen Yang-Stils ab und erhielt den Meister-Titel im Jahr 1993. Durch das Studium dieser inneren Kampf- und Bewegungskünste und insbesondere durch die Integrierung der Alexander-Technik, die er bei Daniel Süsstrunk studierte, gelang eine tiefgreifende Adaption der Inneren Kampfkunst-Bewegungsprinzipien. Der „alte, authentische Yang-Stil“ diente als Grundlage für eine umfassende Neuerung gemäß den traditionellen Prinzipien.
So wurden von Friedrich die von Chu King-Hung eingeführten Vertiefungsstufen modifiziert und abgewandelt im Sinne der klassischen Schriften. Nach dem universalen Rhythmus des Yin und Yang lehrt er die „Arbeit am Yin“, die Zentrums-Bewegung, samt Bein-Spiralen und „online-offline“ in den Füßen. Erst dann folgt die „Arbeit am Yang“, die Ausdifferenzierung der Arm-, Hand- und polaren Kopfbewegung (Nacken- oder Hals-Spirale). Er kreierte die bewusste Technik und die Terminologie „SfHD“, der „Schrittfunktionalen Hüft-Drehung“, um die Knie zu schonen und die optimale Kraftentwicklung zu ermöglichen. Weiterhin führte er den Begriff „ASoFB“ ein, die „Anwendung- und Struktur-optimierende Fuß-Bewegung“, die dem Übenden didaktisch auf die Möglichkeiten verweist, seine Schrittpositionen individuell zu optimieren. Er klärte die etwas diffusen unterschiedlichen Zählweisen der überlieferten, langen Yang-Stil-Form (108 bzw.124) in eine dem Yin-Yang-Rhythmus entsprechende Nomenklatur: 169 Yin-Phasen oder Bewegungen und 169 Yang-Bewegungen. Der integrale Yang-Stil in 169-Yin-Yang-Phasen bewahrt den klassischen Ablauf der Langen Form, ergänzt aber anwendungsorientierte Variationen der wichtigsten Taiji-Techniken: 4 Peng (abwehren), 3 Lü (zurückrollen), 2 Ji (drücken) und 5 Yin-Yang-An (schieben); 2 Nadeln, 2 Fächer, 5 verschiedene Kicks und 3 unterschiedliche Wolkenhände, um nur die wichtigsten zu nennen.
Das ganzheitliche AWF-Lehrsystem umfasst auch Elemente der beiden anderen inneren Kampfkünste Xing Yi Quan und Ba Gua Zhang, in denen er von Jumin Chen ausgebildet wurde. Ebenso gehören die drei Richtungen des Bewegten-, des Stillen- und des Chan Mi-Qigong zum System, nicht zuletzt die Experimentellen Zen Künste,[1] in denen er von Michael Vetter zum Lehrmeister berufen wurde und berechtigt ist, diesen Titel zu tragen. Diese drei Säulen, Tai Ji Quan, Qigong und Experimentelle Zen Künste, sind vielfältig miteinander vernetzt und bilden damit ein Integrales System (vgl. Jean Gebser, „Ursprung und Gegenwart“).
Resultierend aus diesem eigenen integralen Ansatz nannte er sein freies und unabhängiges Tai Chi Chuan Institut (TCCI) im Jahr 2007 in Institut Integrales Tai Ji Quan und Qi Gong um.
Zu seinen Entwicklungen gehören eine Gehstock-Waffen-Form, eine Langstock-Waffen-Form in 94 Aktionen, als „Baby“ der langen traditionellen Form eine Kurzform in 16 Sequenzen in Links- und Rechtseröffnung inklusive deren Kontakt-Form mit 32 Kontaktpunkten. In Anlehnung an die Kontakt-Combat-Form Teil I von Chu King-Hung entwickelte AWF auch zu den Teilen II und III der Integralen Langform einen Ablauf mit 291 Kontaktpunkten, sowie ein umfassendes System „Die Kunst des Stehens“ mit 64 Positionen und integrierten Yiquan-Momenten. Auch die Schwert-Kontakt-Form, die von Chu King-Hung kreiert wurde, hat er im Jahre 2011 maßgeblich kampfkunstorientiert modifiziert. Im Jahre 2014 choreographierte er eine beidhändige Kurz-Keulenform („Neun-Cun-Keulen“), die mit zwei Tai Ji Rulern ausgeführt wird.
Seit 2007 ist er Mitglied im Dachverband Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan und anerkannter Ausbilder für Taijiquan und Qigong.
Einem breiteren Publikum ist er aus mehreren Serien in der Reihe Tele-GYM und als Autor verschiedener Veröffentlichungen bekannt.
Neben Tai Ji Quan, Qi Gong und Experimentellen Zen Künsten gilt sein besonderes Interesse der Kunst, der er sich ebenso leidenschaftlich widmet.[2]
Ausgewählte Veröffentlichungen
- Meisterübung – Kaiserübung. 2. Auflage 2014, ISBN 978-3-942830-06-5, eBook 2014, ISBN 978-3-8442-9377-7
- Alles Mögliche I, Allerlei, Artikel. 2014, eBook: ISBN 978-3-8442-8982-4; Print: ISBN 978-3-942830-04-1
- Alles Mögliche II, Dies & Das, Brosamen. 2014, eBook: ISBN 3-7375-0015-0; Print: ISBN 978-3-942830-07-2
- Tai JI Waffenformen – Speer – Schwert – Stock – Säbel – Gehstock. DVD, 2012, ISBN 978-3-942830-03-4
- Die Tai Ji Kurzform in 16 Sequenzen. Einführung in die Grundprinzipien, Lehrteil und Lehrsystem. DVD, 7. Auflage 2011, ISBN 978-3-942830-02-7
- Tai Ji Quan. Übungs DVD zum Integralen Yang Stil – Teil I Die Erde. DVD, 2. Auflage 2010
- Tai Ji Quan. Übungs DVD zum Integralen Yang Stil – Teil II Der Himmel. DVD, 2. Auflage 2010
- Tai Ji Quan. Übungs DVD zum Integralen Yang Stil – Teil III Der Mensch. DVD, 2. Auflage 2010
- Die 4 Wundertiere und andere Übungen des Bewegten Qi Gong. DVD, 2010, ISBN 978-3-942830-00-3
- Ba Duan Jin & Tai Chi Gong. (Tele-Gym 12 & 16), DVD, PSF Film- + Video, 2008
- Tai Ji Quan. Ruhe und Bewegung in Balance. (GU Multimedia), Gräfe und Unzer Verlag; 1. Auflage 2005, ISBN 978-3-7742-7197-5
- Integrales Qi Gong. (Tele-Gym 22), VHS / DVD, 2005
- Qi Gong Ba Duan Jin: Die acht edlen Übungen. Verlag Peter Kirchheim; 2. neu bearb. Auflage 2003, ISBN 978-3-87410-061-8
- Qi Gong – der Weg zur Vitalität und Ausgeglichenheit. Durch Entspannung und Vorstellungskraft die Selbstheilungskräfte… Südwest-Verlag; 2002, ISBN 978-3-517-01868-3
- Integrales Qi Gong. Lebensenergie für den Alltag. Das Begleitvideo zur Fernsehserie des BR Tele-Gym., 2000