Andreas Gottschalk
Andreas Gottschalk (* 28. Februar 1815 in Düsseldorf; † 8. September 1849 in Köln) war Arzt und politisch in der entstehenden Arbeiterbewegung aktiv.
Leben
Gottschalk wurde als Sohn eines Schächters und Talmudkundigen in Düsseldorf geboren. Nach dem Umzug der Familie nach Köln besuchte er dort das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Nach dem Abitur studierte Gottschalk hauptsächlich Medizin, daneben auch Altphilologie, Philosophie und englische Literatur. Er beendete das Medizinstudium mit einer Dissertation über den Blutandrang zum Gehirn und wurde zum Doktor der Medizin promoviert.
Er eröffnete 1842 eine eigene Praxis in Köln und verfasste eine Reihe medizinischer Aufsätze. Als anerkannter Mediziner war Gottschalk Korrespondierendes Mitglied der medizinischen Gesellschaft von Brüssel. Von Anfang an behandelte er vornehmlich und oft kostenlos ärmere Patienten. Gottschalk, ursprünglich aus jüdischer Familie, trat 1844 zum Protestantismus über.
Politische Betätigung
Zum ersten Mal trat Gottschalk 1841 im Vormärz politisch öffentlich hervor. Bei der Gründung der Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe führte er das Protokoll. Vor allem der Schriftsteller und Journalist Moses Hess übte auf Gottschalk einen starken politischen Einfluss aus. Diese Einflüsse zeigten sich 1846, als Gottschalk zusammen mit einigen anderen Kollegen auf einem Ärztekongress verschiedene Forderungen aufstellte. Dazu gehörte die Abschaffung des Promotionszwangs für Ärzte, aber auch eine bessere Unterstützung der Armen. Er gehörte mit dem Barbier Egelbert Bedorf und mit dem Geodäten Jean Jansen vor 1848 zu den Begründern der Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten.[1][2]
Märzrevolution 1848
Zu Beginn der Märzrevolution in Köln engagiert sich Gottschalk dann führend in der entstehenden demokratischen Bewegung. Am 3. März 1848 gehört er zu den Organisatoren einer Massenversammlung, die vor dem Kölner Rathaus politische Reformen wie das allgemeine Wahlrecht, Presse- und Versammlungsfreiheit aber auch den Schutz der Arbeit fordern. Gottschalk wird der Zugang zur Stadtverordnetenversammlung gewährt, der er die Forderungen des Volkes präsentiert. Der Rat will diese nicht akzeptieren. Dann zieht Militär auf, ein Teil der Menge sucht Zuflucht im Rathaus, das lässt zwei Ratsherren aus dem Fenster springen. Ein Ereignis, das als Kölner Fenstersturz bekannt wird. Durch das Nachdrängen der Menge beginnen Tumulte, die vom Militär gewaltsam beendet werden. Unter den dabei Festgenommenen ist auch Gottschalk. Nachdem sich die Revolution auch in Berlin durchgesetzt hat, wurde er wieder freigelassen.
Unmittelbar nach seiner Freilassung war Gottschalk führend an der Gründung des Kölner Arbeitervereins beteiligt und wurde am 13. April 1848 zu dessen Vorsitzenden gewählt. Als Präsident des Kölner Arbeitervereins, mit nach wenigen Wochen über 8000 Mitgliedern einem der größten seiner Art in ganz Deutschland, tat Gottschalk sich zu Beginn mit ganz konkreten sozialreformerischen Forderungen hervor. Durch sein Engagement geriet Gottschalk bald in Konflikt mit Personen der durch Bildungs- und Wirtschaftsbürger dominierten protestantischen Gemeinde, die ihm vorwarfen, durch seine materialistische Haltung den Armen die Hoffnung auf das Jenseits nehmen zu wollen.
Im Juni 1848 gehörte Gottschalk zu den Mitbegründern des Centralmärzvereins, dem Zusammenschluss demokratischer Vereine auf nationaler Ebene. Im Juli 1848 wurde er zusammen mit Fritz Anneke und Christian Joseph Esser erneut verhaftet. Aber erst im Oktober desselben Jahres kam es zu einem Prozess wegen Anstiftung zur gewaltsamen Änderung der Staatsordnung. Für die Staatsanwaltschaft völlig überraschend war, dass die Geschworenen auf nicht schuldig plädierten. Unmittelbar darauf wurde Gottschalk freigelassen. Zunächst ging er nach Paris und Brüssel, kehrte aber bald nach Köln zurück. Dort hatte inzwischen Karl Marx die Führung im Arbeiterverein übernommen. Diesen nannte Gottschalk einen „gelehrten Sonnengott“ und warf ihm vor: „das Elend des Arbeiters, der Hunger des Armen hat für Sie nur wissenschaftliches, doktrinäres Interesse.“
1849
Als sich die Niederlage der Revolution immer deutlicher abzeichnete, überlegte er zeitweise, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben. Aber er blieb weiter als Arzt in Köln tätig. Als im Sommer 1849 eine Choleraepidemie ausbrach, die in der Stadt mehr als 10.000 Tote forderte, hat Gottschalk versucht, vor allem den erkrankten Armen zu helfen. Dabei steckte er sich bei den Patienten an und starb an der Seuche.
An seiner Beerdigung im September 1849 auf dem Melaten-Friedhof (Lage: Lit. K zwischen HWG und Lit. P) nahmen tausende Kölner Teil und erwiesen Gottschalk die letzte Ehre. Allerdings fand die Trauerfeier ohne einen Seelsorger statt, da der zuständige evangelische Pfarrer zunächst nur einen Beerdigungstermin morgens um 5.30 Uhr angeboten und dann aus Protest gegen die Ansichten des religiösen Sozialisten Gottschalk zu Hause geblieben war. Die Leichenrede hielt Friedrich Leßner. Auf dem Grabstein steht: „Eins ist nöthig, dass das Gute stets geschehe, ob man falle oder stehe, ist und bleibt dann einerlei.“ Die Grabplatte wurde 1998 auf Veranlassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes restauriert.
In Köln-Bocklemünd ist die Gottschalkstraße nach ihm benannt.[3]
Veröffentlichungen
- Christian Friedrich Nasse (Hrsg.): Sammlung zur Kenntnis der Gehirn- und Rückenmarks-Krankheiten aus dem Engl. u. Franz. von Andreas Gottschalk. Hallberger, Stuttgart 1837–1840
- De congestionis ad cerebrum ratione. Georgi, Bonnae 1839
- Bemerkungen zur Behandlung der Bleichsucht, Blasenlähmung und des nervösen Hüftweh. Ritzefeld, Köln 1841
- Darstellung der rheumatischen Krankheiten auf anatomischer Grundlage. Kölner Verlagsverein, Köln 1845
- Meine Rede vor dem Geschworenengerichte zu Köln am 23. Dezember 1848. Sulzbach, Bonn 1849 online
Literatur
- Hans Stein: Der Kölner Arbeiterverein (1848–1849). Ein Beitrag zur Frühgeschichte des rheinischen Sozialismus. Gilsbach, Köln 1921
- Karl Stommel: Der Armenarzt Dr. Andreas Gottschalk, der erste Kölner Arbeiterführer 1848. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 166, Köln 1964, S. 55–105
- Dr. Andreas Gottschalk. In: Helmut Dressler: Ärzte um Karl Marx. Volk und Gesundheit, Berlin 1970, S. 73–84
- Arno Herzig: Andreas Gottschalk und der Kölner Arbeiterverein. In: Köln und das rheinische Judentum. Festschrift Germania Judaica 1959–1984. Bachem, Köln 1984, S. 177–182
- Klaus Schmidt: Andreas Gottschalk. Armenarzt und Pionier der Arbeiterbewegung. Jude und Protestant. Greven, Köln 2002, ISBN 3-7743-0336-3.
- Alexis Heitmann: Arbeiter an Rhein und Elbe. Vergleich zweier Zentren der frühen deutschen Arbeiterbewegung. Hamburg und Köln 1845–50. München 2009. ISBN 978-3-89975-816-0
- Armin Beuscher/Asja Bölke/Günter Leitner/Antje Löhr-Sieberg/Anselm Weyer: Melaten erzählt von protestantischem Leben. Ein Rundgang. Herausgegeben von Annette Scholl im Auftrag der Evangelischen Gemeinde Köln. Köln 2010. ISBN 978-3-942186-01-8
Weblinks
- Literatur von und über Andreas Gottschalk im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Andreas Gottschalck – Ein des Andenkens würdiger Kölner, museenkoeln Bild der Woche, 14. bis 21. Mai 2001
- Klaus Schmidt: Porträt. Die Medizin der Freiheit, Die Zeit, 31. Oktober 2002
Fußnoten
- Aussage von Peter Gerhard Roeser über den Bund der Kommunisten in Köln (Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien, S. 967.)
- Hans Stein: Der Amsterdammer Arbeiterverein. E. J. Brill, Leiden 1937, S. 112.
- Rüdiger Schünemann-Steffen: Kölner Straßennamen-Lexikon, 3. erw. Aufl., Jörg-Rüshü-Selbstverlag, Köln 2016/17, S. 294