Anastasia Nikolajewna Romanowa
Großfürstin Anastasia von Russland (Anastasia Nikolajewna Romanowa, russisch Великая Княжна Анастасия Николаевна; * 5. Junijul. / 18. Juni 1901greg. in Peterhof; † 17. Juli 1918 in Jekaterinburg) war die vierte Tochter des letzten russischen Zarenpaares, Nikolaus II. und Alexandra Fjodorowna, vormals Alix von Hessen-Darmstadt. Trotz späterer Legendenbildung ist seit 2007 erwiesen, dass sie zusammen mit der gesamten Familie von den Bolschewiki ermordet wurde.
Leben
Frühe Jahre
Als Kaiser Nikolaus II. und Alexandra bereits drei Töchter hatten, hofften sie auf einen Thronerben. Dennoch liebten Kaiser und Kaiserin ihr neues Baby innig und freuten sich darüber, dass das Baby gesund war. Die Kaiserin war eine sehr fürsorgliche Mutter und stillte auch Anastasia, wie ihre anderen Töchter vorher, selbst. Anastasia war zwar keine gute Schülerin, liebte aber Sprachen. Die Kinder sprachen Englisch mit der Mutter, Russisch mit dem Vater, Deutsch mit den Verwandten der Mutter aus Hessen und lernten Französisch. Von der Mutter wurde sie „Imp“ oder „Shivzik“, das russische Wort für „Kobold“, genannt, da niemand vor ihren Scherzen sicher war. Anastasia war furchtlos und weinte selten, spielte gerne Streiche und hatte ein großes schauspielerisches Talent. Sie imitierte gerne andere Leute und erfreute damit ihr Umfeld. Obwohl sie eine Großfürstin von Russland war, schlief sie, ebenso wie ihre Geschwister, auf Feldbetten und musste jeden Morgen ein kaltes Bad nehmen.
Ein inniges Verhältnis hatte sie zu ihrem jüngeren Bruder Alexei. Ging es ihm aufgrund seiner Krankheit nicht gut, vermochte es meist nur Anastasia, ihren Bruder von den Schmerzen abzulenken und ihn ein wenig zu erheitern. Auch mit ihrer älteren Schwester Maria verband sie ein enges Band, und die beiden waren als „Kleines Paar“ bekannt. Ihre beiden älteren Schwestern Olga und Tatjana waren das „Große Paar“ – die Bezeichnungen stammen von einer Hebamme, die gleich nach Anastasias Geburt zur Kaiserin Alexandra meinte, sie solle nicht traurig sein, dass es wieder ein Mädchen sei, denn nun habe sie ein großes und ein kleines Paar Mädchen.
Anastasia litt an Spreizfüßen und an beidseitigem Hallux valgus. Zudem hatte sie Rückenprobleme, weshalb sie regelmäßig massiert wurde.
- Zarin Alexandra Fjodorowna mit Tochter Anastasia, 1901
- Anastasia, 1904
- Anastasia, 1906
- Anastasia, 1910
- Anastasia (dritte Person von rechts) mit ihrer Familie, 1913
Gefangenschaft und Ermordung
In der Zeit der Gefangenschaft in Tobolsk und Jekaterinburg versuchten die Mädchen, ihre Fröhlichkeit zu erhalten, und am besten gelang dieses Anastasia und Maria. Selbst die Soldaten gingen auf Anastasias Scherze ein. In der Nacht zum 17. Juli 1918 wurde sie im Alter von 17 Jahren von Bolschewiki im Ipatjew-Haus in Jekaterinburg mit dem Rest ihrer Familie ermordet.
- Anastasia (dritte Person von links) mit ihrem Vater und ihren Schwestern in Tobolsk, 1917/18
- Der Kellerraum des Ipatjew-Hauses, in dem die Zarenfamilie ermordet wurde
- Die Kathedrale auf dem Blut wurde an der Stelle des Ipatjew-Hauses errichtet und erinnert an die Ermordung der Zarenfamilie
Identifizierung der Leiche
Die Legende, dass Anastasia überlebt haben könnte, hielt sich lange. Als 1991 die Leichen der Romanows exhumiert wurden, fehlten tatsächlich zwei. Noch bis 2007 war nicht eindeutig geklärt, ob die Leiche von Anastasia oder Maria fehlte. Am 24. August 2007 gab ein russisches Archäologenteam an, im Juli 2007 die sterblichen Überreste des Zarewitsch Alexei und seiner Schwester Maria gefunden zu haben, was durch eine DNA-Analyse bestätigt wurde. Demnach handelte es sich bei den bereits 1991 aufgefundenen Leichen um die des Kaisers und seiner Gemahlin sowie der Töchter Anastasia, Olga und Tatjana.[1][2]
Beisetzung und Heiligsprechung
Anastasia wurde am 17. Juli 1998 in der Peter-und-Paul-Kathedrale in Sankt Petersburg beigesetzt.
Im Jahr 2000 wurde Anastasia mit ihrer Familie von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen.
- Grabraum von Anastasia und ihrer Familie in der Peter-und-Paul-Kathedrale
- Gedenktafeln für Maria und Anastasia
Prätendentinnen
Verschiedene Frauen, wie die Amerikanerin Eugenia Smith und eine Frau, die sich später Anna Anderson nannte, gaben sich als Anastasia, die überlebende jüngste Zarentochter aus. Mittlerweile haben DNA-Tests bestätigt, dass Anna Anderson die westpreußische Fabrikarbeiterin Franziska Schanzkowska war, die Verletzungen aufwies, nachdem sie in einer Waffenfabrik eine Granate fallengelassen hatte. Diese Verletzungen schrieb sie selbst den Bajonetten und Schusswunden durch die Mörder im Ipatjew-Haus zu. Anderson weigerte sich ihr Leben lang, Russisch zu sprechen, was Psychologen einem Trauma durch die Erlebnisse der Hinrichtung der Familie zuschrieben. Zudem wusste sie auch wenig über das Leben der Zarenfamilie, im Gegensatz zur Russin Natalia Bilichodse, die sogar einzelne Tapetenmuster aus dem Palast und einige Details aus dem Intimleben der Romanow-Familie kannte.[3] Anna Anderson, verheiratete Manahan, verstarb am 12. Februar 1984 in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia.
Mediale Rezeption
Filme
Es gibt einige Verfilmungen, die meist davon handeln, dass Anna Anderson Anastasia Romanowa sein könnte:
- 1928: Anastasia, die falsche Zarentochter, Rolle: Lee Parry
- 1956: Anastasia, Rolle: Ingrid Bergman
- 1956: Anastasia, die letzte Zarentochter, Rolle: Lili Palmer
- 1967: Anastasia, Rolle: Lotte Ledl (Fernsehfilm)
- 1986: Anastasia (Anastasia: The Mystery of Anna), Rolle: Amy Irving (Fernsehfilm)
- 1997: Anastasia, Sprechrolle: Meg Ryan (Zeichentrickfilm)
- 1997: Die Zarentochter Anastasia (Anastasia), Zeichentrickfilm
- 1997: Biography – Anastasia: Her True Story (Dokumentarfilm)
- 2019: Netflix – Die letzten Zaren (Dokumentarfilm)
Computerspiele
Anastasia Romanowa ist ein spielbarer Charakter in den Videospielen Shadow Hearts: Covenant und Assassin’s Creed Chronicles Russia.
Literatur
- Hugh Brewster: Anastasias Album. Langen Müller, München 1996, ISBN 3-7844-2596-8.
- Roland Krug von Nidda (Hrsg.): Ich, Anastasia, erzähle. Aufzeichnungen und Dokumente der Grossfürstin Anastasia von Russland.Fackelverlag, Olten/Stuttgart/Salzburg 1962, DNB 1079497781.
- Helen Rappaport: Ekaterinburg. The Last Days of the Romanovs. Hutchinson, London 2008, ISBN 978-0-09-192115-6 (englisch).
Weblinks
- Anastasia Romanowa. In: Biography.com (englisch)
- Anika Helm: Das Schicksal von Anastasia. In: Adelswelt.de, 17. Dezember 2019
- Klaus Welzel Anastasia – die rebellische Zarentochter. In: RNZ.de, 13. Juli 2018
- Romanov Memorial Website (englisch, russisch)
- Literatur von und über Anastasia Nikolajewna Romanowa im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- Marina Koreneva: Forscher entdecken hingerichtete Zarenfamilie. In: Spiegel Online, 8. Juni 2011. Abgerufen am 11. April 2012.
- Wladimir Solowjow: Opfer vorsätzlichen Mordes. In: Der Spiegel. Nr. 30, 2008 (online).
- Yelena Kiseleva: Pseudo-Anastasia comes to Moscow with 1 trillion dollars and distemper. In: Pravda.RU. 12. Juni 2002, archiviert vom Original am 17. September 2004; abgerufen am 26. Dezember 2014 (englisch).