Alvise Cadamosto
Alvise Cadamosto (* ≤ 1432[1] in Venedig; † 16. Juli 1483),[2] auch Ca’ da Mosto oder Da Mosto genannt, war ein venezianischer Fernhändler und von 1454 bis 1463/64 Entdecker im Dienste des portugiesischen Infanten Heinrich des Seefahrers. Er hinterließ einen Bericht über seine beiden Seereisen zu den Kapverden, zum Senegal und zum Geba. Nach seiner Rückkehr nach Venedig stieg er bis zum Kommandeur einer Handelsflotte auf.
Herkunft, Ausbildung zum Fernhändler, Fahrten im Mittelmeerraum und nach Flandern
Cadamosto wurde als Sohn des adligen Fernkaufmanns Giovanni Da Mosto geboren und trat in das Geschäft seines Vaters ein. Als Kaufmann und Seefahrer befuhr Cadamosto das Mittelmeer und den Atlantik von Alexandria bis Flandern. So nahm er, wie es im Verlauf der üblichen Kaufmannsausbildung gängig war, 1442 bis 1448 an Unternehmungen des Andrea Barbarigo teil, in deren Rahmen er 1445 zusammen mit seinem Cousin Andrea da Mosto auf den Barberia-Galeeren nach Tunis und 1446 nach Kreta fuhr. 1451 erschien er als Armbrustschütze auf den Alexandria-Galeeren, 1452/53 auf dem Weg nach Flandern. Ersteren Schiffskonvoi führte Alvise Contarini, letzteren Stefano Trevisan. Ab dem 8. August 1454 reiste er unter dem Kommando von Marco Zen erneut mit den Flandern-Galeeren westwärts, an Bord war auch sein Bruder Antonio. Mit diesen Reisen sammelte er Erfahrungen in den für Venedig typischen Schiffskonvois (mudue), mit denen die Waren, geschützt von großen und reichlich bemannten Schiffen, sicher von und nach Alexandria, Konstantinopel, Tunis und Flandern gelangten.
Die Flotte musste auf ihrer Reise nach Flandern an der portugiesischen Küste in der Nähe des Kap São Vicente wegen starken Sturmes ihre Fahrt unterbrechen. Zwei Gesandte Heinrichs des Seefahrers unterbreiteten Alvise Cadamosto als erfahrenem Seefahrer und Kaufmann das Angebot, in den Dienst Heinrichs zu treten. Cadamosto entschied, das Angebot anzunehmen, die Flotte zu verlassen und in Portugal zu bleiben.
Erste Entdeckungsreise in portugiesischen Diensten mit Antoniotto Usodimare (1455)
Mit einer Karavelle von 45 Tonnen lief er am 22. März 1455 zu seiner ersten Reise im Dienste der Portugiesen aus. Über Madeira (27. März), die Kanaren, wo er Gomera und Hierro betrat, und Cabo Branco erreichte er das Mündungsgebiet des Senegal-Flusses. Am Cabo Branco traf er auf Wolof, die er zilofi nannte. Südlich des Senegal ging er an Land und weilte im Land des Budomel. Weiterhin auf südlichem Kurs traf er auf zwei portugiesische Karavellen, die von dem ebenfalls in Diensten Heinrichs stehenden Genuesen Antoniotto Usodimare und einem portugiesischen Adligen befehligt wurden. Die Italiener beschlossen, ihre Kräfte zusammenzufügen und umrundeten das Cap Vert. Dort trafen sie auf die beiden Serer-Reiche von Soloum und Sine, in Cadamostos Worten der sereri und barbarzini. Doch der Versuch Kontakt aufzunehmen misslang, ein Dolmetscher wurde am Strand getötet. Als die Flotte versuchte, den Senegal aufwärtszufahren, wurde sie von Booten aus angegriffen. Zwar wurde der Angriff zurückgeschlagen, doch die Matrosen verweigerten die Fortsetzung der Flussfahrt. Daher kehrten die Schiffe nach Portugal zurück.
Zweite Entdeckungsreise mit Antoniotto Usodimare (1456)
Im Folgejahr beauftragte Heinrich Cadamosto und Usodimare, die Erkundung des Gambia fortzusetzen, wozu er ihnen drei Schiffe zur Verfügung stellte. Anfang März 1456 verließ die Flotte den Hafen von Lagos.[3] Sie passierte erneut die Kanaren. Auf südwestlichem Kurs gerieten die Schiffe in einen Sturm, ein Zufall, der nach drei Tagen zur Entdeckung mehrerer der Kapverdischen Inseln führte, nämlich der beiden östlichen Boa Vista (Kap Verde) und Maio sowie der Hauptinsel Santiago. Nach einem kurzen Landaufenthalt auf Boa Vista und Santiago Ende April/Anfang Mai setzte die Flotte ihre Fahrt zum Gambia-Fluss fort, den die Flotte diesmal ca. 100 km aufwärts befuhr; es gelang ihm, mit den Bewohnern Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Auf Dog Island begruben sie einen Matrosen. Zurück auf dem Atlantik stieß er, nach der Umrundung des Cap Roxo noch bis zum Gêba-Delta vor. Die Italiener wurden vom Herrscher Batimansa (Batimaussa) freundlich empfangen. Nachdem sie dort Handel getrieben hatten, segelten sie weiter südwärts zum Cap Roxo und bis zum Geba-Delta im heutigen Guinea-Bissau vor. Da dort eine Verständigung mit den Einheimischen und somit eine weitere Erkundung des Gebietes nicht mehr möglich war, brachen die Italiener die Reise ab und kehrten nach Portugal zurück.[4]
Rückkehr nach Venedig (1463 oder 1464), Ehe, Aufstieg zum Flottenkommandeur
Nach seiner Rückkehr verbrachte Cadamosto weitere sieben Jahre in Portugal, das er am 1. Februar 1463 verließ (was möglicherweise more veneto dem Jahr 1464 entsprach). An diesem Tag kehrte er nach Venedig zurück, nahm am politischen Geschehen der Stadt teil und betrieb die Handelsgeschäfte seiner Familie. 1466 heiratete er Elisabetta Venier, doch blieb die Ehe kinderlos. 1481 kommandierte er die Alexandria-Galeeren. Dies war seine letzte Seereise.
Reisebericht
Cadamosto war der einzige der im Dienste Heinrich des Seefahrers segelnden Seefahrer, der Berichte über seine Fahrten schriftlich niederlegte. Möglicherweise geschah dies allerdings erst nach seiner Rückkehr nach Venedig. Dafür spricht, dass ein Kartenwerk von 1460 die Kapverden noch nicht erwähnt, während sie in einem anderen Kartenwerk von 1466 bereits erscheinen.[5] In diesen Berichten der Jahre 1464 und 1465 ist auch die erste europäische Beschreibung des bekannten Sternbildes der südlichen Breiten, des Kreuzes des Südens, enthalten. Er beschrieb darin seine Beobachtungen über die Geographie, Flora und Fauna, die Kultur und Bevölkerung sowie über Handelswaren und Bodenprodukte der von ihm erkundeten Gebiete, berichtete jedoch auch über eine von Pedro de Sintra durchgeführte Reise an die westafrikanische Küste. Er berichtete über Entfernungen, Naturalien und Handelsstrategien, aber auch über die sozialen und politischen Praktiken.
Seine Berichte wurden erstmals 1507 von Fracanzano da Montalboddo, möglicherweise unter Mitarbeit von Alessandro Zorzi, in der Anthologie Paesi novamente retrovati (Vicenza) veröffentlicht.[6]
Kartenwerk und Manuskript von Alvise Cadamosto sind nicht erhalten; in der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig finden sich zwei Abschriften. Die ältere der beiden Abschriften dürfte aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen, die andere aus der Zeit um 1520 (It., Cl. VI, 454 bzw. Coll. 10701 und It., Cl. VI, 208 bzw. Coll. 5881).
Der Buchdrucker Georg Stuchs in Nürnberg brachte im Jahr 1508 sowohl eine frühneuhochdeutsche wie eine mittelniederdeutsche Übersetzung dieser Postinkunabel heraus. Übersetzer der mittelniederdeutschen Ausgabe unter dem Titel Nye vnbekande lande Unde eine nye Werldt in korter vorgangener tyd gefunden war Henning van Ghetelen.
Literatur
- Norbert Ankenbauer: „das ich mochte meer newer dyng erfaren“. Die Versprachlichung des Neuen in den Paesi novamente retrovati (Vicenza, 1507) und in ihrer deutschen Übersetzung (Nürnberg, 1508). Frank & Timme, Berlin 2010.
- Andrea Da Mosto: Il navigatore Alvise Da Mosto e la sua famiglia, in: Archivio Veneto, serie V, Band 2 (1927), S. 168–259.
- Joseph Rackl: Die Reisen des Venetianers Alvise da Cà da Mosto an der Westküste Afrikas (1455 u. 1456), Dissertation, Universität Erlangen, 1898. (online)
- Benjamin Scheller: Erfahrungsraum und Möglichkeitsraum. Das subsaharische Westafrika in den Navigazioni Atlantiche Alvise Cadamostos, in: Ingrid Baumgärtner/Piero Falchetta (Hg.), Venezia e la nuova Oikoumene. Cartografia del Quattrocento/Venedig und die neue Oikumene. Kartographie im 15. Jahrhundert, Rom/Venedig 2016, 205–224.
- Benjamin Scheller: Verkaufen, Kaufen und Verstehen. Die Atlantikexpansion der Europäer, die Fernhändler und die neue Erfahrung des Fremden im 14. und 15. Jahrhundert, in: Michael Borgolte/Nikolas Jaspert (Hg), Maritimes Mittelalter: Meere als Kommunikationsräume, Ostfildern 2016, 233-260.
Weblinks
- Literatur von und über Alvise Cadamosto im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie von Alvise Cadamosto (portugiesisch) des portugiesischen Kulturinstitutes Instituto Camões, (Memento vom 15. Dezember 2007 im Internet Archive)
- Ankenbauer, Norbert (Hrsg.): Paesi novamente retrovati - Newe unbekanthe landte. Eine digitale Edition früher Entdeckerberichte. Wolfenbüttel: Editiones Electronicae Guelferbytanae 2017 [work in progress]. online
Anmerkungen
- Er selbst gibt an, im Jahr 1454 ca. 22 Jahre alt gewesen zu sein, in jedem Falle war er im Dezember 1450 mindestens 18 Jahre alt (Ankenbauer, S. 80).
- Ankenbauer, S. 80 f.
- Ankenbauer, S. 84.
- Ankenbauer, S. 86.
- Ankenbauer, S. 81 f.
- Die Frage der Herausgeberschaft ist ungeklärt, wie Ankenbauer (S. 52) vermerkt, der allerdings Fracanzano da Montalboddo den Vorzug gibt.