Alter Hafen (Marseille)
Der Vieux Port (französisch le Vieux-Port, okzitanisch-provenzalisch lo Pòrt Vielh bzw. lou Pouart Vièi) entstand in der Antike. Er ist das historische und kulturelle Zentrum von Marseille und war bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch sein wirtschaftliches Zentrum für den Seehandel im Mittelmeer und für den Handel mit den französischen Kolonien. Das Hafengewerbe verlagerte sich dann allmählich nach Norden zum jetzigen Marseille Europort. Heute ist der Alte Hafen ein Yachthafen, ein beliebter Versammlungsort und das touristische Wahrzeichen der Stadt. Auch einige Fischerboote ankern noch hier, täglich findet am Morgen am Quai de la Fraternité ein Fischmarkt statt.
Alter Hafen (Marseille) | |||
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Daten | |||
Eigentümer | Staatlich | ||
Baubeginn | Hafen seit 6. Jh. v. Chr. Kaie vom 15. bis 17. Jh. | ||
Hafentyp | Yachthafen, Fährhafen, Fischerhafen | ||
Tägliche Schiffskapazität | 3500 Boote mit bis zu 90 m Länge | ||
Gesamtfläche des Hafens | 24 Hektar (800 × 300 m) | ||
Geografische Informationen | |||
Ort | Marseille | ||
Département | Département Bouches-du-Rhône | ||
Staat | Frankreich | ||
Koordinaten | 43° 17′ 41″ N, 5° 22′ 15″ O | ||
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Geschichte
Um 600 vor Chr. landeten die Phokäer ihre Schiffe im Lacydon, wie sie den natürlichen Hafen nannten. In diesem Gebiet konzentrierten sich alle Meeresaktivitäten der Stadt bis ins 19. Jahrhundert.
Am Südufer wurde zwischen dem 3. und dem 9. Jahrhundert die Abtei Saint-Victor de Marseille errichtet.
Die Kaianlagen wurden unter Ludwig XII. bis Ludwig XIII. errichtet und hier wurden die Galeeren auf Kiel gelegt.
Im 19. Jahrhundert reichten die 6 m Tiefgang nicht mehr für die neuen Dampfschiffe. 1854 konnten 1000 bis 1200 Schiffe im Alten Hafen anlegen, im Jahr 18.000 Schiffe mit über zwei Millionen Tonnage. Das entsprach einem Viertel des Umschlags von Liverpool. Im Zweiten Weltkrieg gab es einige Beschädigungen an den Anlagen.
Von 1905 bis 1944 überbrückte eine 50 m hohe und 239 m lange Schwebefähre, der Pont Transbordeur, den Eingang zum alten Hafen.
Seit November 1942 war Marseille von deutschen Truppen besetzt. Auf Anordnung Himmlers wurde das Altstadtviertel am Nordufer des Alten Hafens am 24. Januar 1943 abgeriegelt, die rund 20.000 Bewohner bekamen zwei Stunden Zeit, das Viertel zu verlassen. Ab dem 1. Februar 1943 wurden 1400 Gebäude von deutschen Pioniereinheiten gesprengt, lediglich die erste Häuserreihe direkt am Hafen wurde verschont[1][2]. Der damalige deutsche Konsul in Marseille, Edgar von Spiegel von und zu Peckelsheim, behauptete später als Zeuge vor dem IMG wahrheitswidrig, die Sprengung sei wegen Seuchengefahr und der „Sicherheit der (deutschen) Truppen nötig gewesen“. Günter Hellwing und Rolf Mühler wurden später wegen ihrer Beteiligung an der Sprengung als Kriegsverbrecher verurteilt.
Nach dem 1948 begonnenen Wiederaufbau ankern hier heute nur noch Freizeitschiffe. In der ansonsten in authentischer Gestalt erhaltenen Altstadt von Marseille klafft seither eine Lücke, die mit Wohn- und Geschäftsbauten in Nachkriegsarchitektur gefüllt wurde.
Der Hafen als Drehort
Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden im Hafen die Filme Marius, Fanny, César und die Trilogie marseillaise (von Marcel Pagnol) gedreht.
Fotografiegalerie
- Traditionelles Fischerboot
- Der Vieux Port und der Port autonome
- Le Vieux Port 2006
- Kai vor dem Rathaus um 1820
- Kleine Schiffe aus der Provence im Hafen
- Ansichtskarte um 1900
Siehe auch
Literatur zur Sprengung des Quartiers 1943
- Jacques Delarue: Trafic et crimes sous l’occupation. Fayard, Paris 1968, 2. erw. Aufl. 1993, S. 237–278 (frz.)
- Gérard Guicheteau: Marseille 1943. La fin du Vieux Port. Le Provençal, Marseille 1973 (frz.)
- Anne Sportiello: Le Vieux Port de Marseille a l’heure allemande. in Zs. L’histoire, No. 16, Oct. 1979, S. 115–122
- dies.: La déstruction des vieux quartiers. in Philippe Joutard Hg.: Histoire de Marseille en treize événements. Marseille 1988, S. 198–214
- Serge Klarsfeld: Les transferts de juifs de la region de Nice vers le camp de Drancy en vue de leur deportation 11 Aout 1942 – 24 Juillet 1944. Hg. L’association les Fils et Filles des Déportés Juifs de France. 1992[3]
- Robert Mendierini & Christian Oppetit: Marseille: janvier-fevrier 1943. in Christian Oppetit (Hg.): Marseille, Vichy et les Nazis. Le temps des rafles, la déportation des juifs. Marseille 1993 (2000 als Taschenbuch erschienen, ISBN 2857446578)
- Jean-Louis Parisis Hg.: Une ville en fuite. Marseille 1940–1942. Marseille 1992 (1998 als Taschenbuch erschienen, ISBN 2876781107)
Weblinks
- Virtueller Rundblick
- Le Vieux-Port bei NotreProvence.fr
- Ahlrich Meyer: Die Razzien in Marseille 1943 und die Propagandaphotographie der deutschen Wehrmacht. Francia (Zeitschrift) Jg. 22, No. 3, 1995, S. 127–154, mit sehr vielen Abbildungen aus Sicht der Zerstörer bei der Vertreibung und Deportation von Menschen und der Vernichtung des Viertels
- Dirk Fuhrig: Als die Deutschen in Marseille wüteten. Französische Kulturhauptstadt erinnert an Zerstörung im Zweiten Weltkrieg., Deutschlandradio Kultur, FAZIT am 22. Januar 2013, 23:05 Uhr
Belege
- Ahlrich Meyer: Die Razzien in Marseille 1943 und die Propagandaphotographie der deutschen Wehrmacht. In: Francia. Jg. 22, Nr. 3, 1995, S. 127–154, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00016421-6.
- Günter Liehr: Marseille, Porträt einer widerspenstigen Stadt. Rotpunktverlag, Zürich 2013, ISBN 978-3-85869-535-2, S. 189–197.
- in Deutschland im Haus der Wannsee-Konferenz Berlin vorhanden