Allgaier Geier

Der Geier i​st ein i​n der ersten Hälfte d​er 1950er Jahre v​om Nesselwanger Schreiner Josef Allgaier konstruiertes u​nd gebautes einsitziges Leistungssegelflugzeug. Zwischen 1955 u​nd 1965 wurden i​n Deutschland weniger a​ls 20 Exemplare hergestellt. Der Segelflug-Index beträgt 88.

Allgaier Geier
Typ:Segelflugzeug in Holzbauweise
Entwurfsland:

Deutschland Bundesrepublik BR Deutschland

Hersteller: Josef Allgaier
Erstflug: 1955
Stückzahl: < 20

Geschichte

1951 stellte Schreiner Josef Allgaier d​as erste i​m westlichen Nachkriegsdeutschland gebaute „Grunau Baby“ i​n seiner Schreinerwerkstatt i​m Allgäu her. Für Scheibe-Flugzeugbau lieferte e​r danach Teile d​er Mü 13 u​nd des Spatzen. In seinem Werk i​n Wank b​ei Nesselwang w​aren in Spitzenzeiten b​is zu 12 Mitarbeiter m​it dem Bau v​on Holzflugzeugen beschäftigt. Als d​ie Aufträge d​er Firma Scheibe nachließen, beschloss Allgaier, e​in eigenes Segelflugzeug z​u konstruieren u​nd in seinem Werk z​u fertigen. Es sollte e​in Hochleistungssegler werden, d​er von d​er Bauausführung s​o einfach konstruiert war, d​ass er a​ls Bausatz a​uch in d​en Vereinen gefertigt werden konnte. Aus wirtschaftlichen Gründen musste d​ie Firma Allgaier a​ber 1957 d​en Bau v​on Segelflugzeugen einstellen u​nd widmete s​ich später d​er Kunststoffverarbeitung. 1957 w​aren nur n​och drei Mitarbeiter i​m Flugzeugbau beschäftigt.

Konstruktion

Das Flugzeug h​atte einen komplett m​it Sperrholz verkleideten Rumpf u​nd ein s​ehr geräumiges Cockpit. Bei d​er Konstruktion d​er Tragflächen orientierte s​ich Allgaier a​n den erfolgreichen Leistungsseglern seiner Zeit, d​er Weihe u​nd dem Zugvogel. Die Flächen erhielten d​as gutmütige Göttinger Profil 549, ähnlich d​em der Weihe, a​ber mit m​ehr Streckung. Gegenüber d​er Weihe (1:29) w​ar der Geier m​it 1:32 i​n der Gleitleistung deutlich leistungsstärker. Bei d​er Flugerprobung i​m Jahr 1955 w​ar der Musterprüfer Hans Zacher v​on den g​uten Flugeigenschaften d​es Prototyps, „der v​on einem Schreiner konstruiert wurde“, s​ehr beeindruckt.

Versionen

Geier I

Geier I BGA2557/EBP
Typenschild Geier I
Cockpit Geier I

Die Firma Allgaier stellte von diesem Flugzeug, das später Geier I genannt wurde, nur den Prototyp her. Dieser wurde an den LSV Worms geliefert. Über den weiteren Verbleib dieses Flugzeugs ist nichts mehr bekannt. Zudem lieferte das Unternehmen noch Bausätze des Geiers I an Vereine. Einer der Bausätze ging an die LSG Kempten im Allgäu (D-1434). Das ursprüngliche Zweirad-Abwurf-Fahrwerk wurde bei diesem Geier I in den 70er-Jahren durch ein starres Rad ersetzt. 1977 wurde der Geier von einem Briten der Royal Air Force in Brüggen/Deutschland übernommen. Als dieser 1979 nach England versetzt wurde, nahm er das Flugzeug mit. Der Geier war dann lange Jahre als BGA2557/EBP beim RAF Marham in Fenland stationiert. Die EBP wechselte in England mehrfach den Besitzer und war ab 21. Juli 2001 nicht mehr lufttüchtig. Laut Bordbuch fand der letzte Flug bereits am 28. September 1996 statt. Der Geier stand dann in verschiedenen Scheunen in Yorkshire und Wiltshire. Im Herbst 2009 holten Mitglieder der Luftsportgruppe Kempten-Durach e.V. im Allgäu die EBP aus England zurück an ihren Geburtsort. Aufgrund seiner für das Allgäu regionalen Bedeutung, aber auch wegen des Erfindungsreichtums seines Allgäuer Erbauers Josef Allgaier stufte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege den Geier I als denkmalfähig ein und nahm ihn 2017 in die Denkmalliste für bewegliche technische Denkmäler auf. Der Geier I wird vom Kemptener Verein grundüberholt und soll wieder lufttüchtig gemacht werden.[1]

Geier II

Geier II D-9129
Typenschild Geier II
Cockpit Geier II

Kaum war aber 1955 der Prototyp mit dem erfolgreichen und gutmütigen Flügelprofil Gö 549 deutscher Entwicklung fertig gestellt, veröffentlichte die NACA, die Vorgängerbehörde der NASA, neue, leistungsstärkere Flügelprofile. Damit war der Geier I, trotz der guten Flugeigenschaften und Leistungen, schon veraltet. Allgaier entschloss sich den Prototyp zu überarbeiten. Der Rumpf blieb dabei unverändert. Zur Leistungssteigerung kam für die Flächen ein neues Laminarprofil, das NACA 633-618, das auch in der Schleicher Ka 6 Verwendung fand, zum Einsatz. Die Spannweite blieb bei 17,76 Meter; der Flügel wurde aber deutlich schlanker mit einer Streckung von 22,53 Metern. Der schon hervorragende Gleitzahlwert von 32 des „Geier I“ stieg auf 35 beim Nachfolgetyp „Geier II“. Der Prototyp des „Geier II“, die damalige D-1440 und spätere D-9129 mit Wettbewerbskennzeichen CX, wurde in nur zwei Monaten bei der Firma Allgaier gebaut. Der Erstflug fand am 21. Juni 1956 in Unterwössen statt. Laut einem alten Kaufvertrag wurde das Flugzeug für 8000 DM und einige Zentner Kartoffeln verkauft. Die D-1440 startete bei der WM 1956 in französischen St. Yan, 1958 bei der WM in Leszno (Polen) sowie bei mehreren Deutschen Meisterschaften in den 50er und Anfang der 60er Jahre. Die CX war von 1971 bis 1973 in Bisperode am Ith stationiert und ging von dort auf das Klippeneck. 1980 erwarb sie ein Aktiver vom LSG Ravensburg (Flugplatz Mengen) und nahm sie 1985 mit nach Unterwössen. In der dortigen-Flugschule wurde sie zur Ausbildung von Piloten eingesetzt. Ende 1999 ging die CX an die „Deutsche Gesellschaft zur Erhaltung historischer Flugzeuge e.V.“ und war in Stillberghof bei Donauwörth stationiert. Seit Mitte 2008 befindet sie sich in der Grundüberholung.[2]

Geier IIB

Geier II B D-5828
Typenschild Geier II B
Cockpit Geier II B

Nach 1957 ging die Geier-Fertigung an die Firma Rock in Inzell/Oberbayern, die über keinerlei Erfahrungen im Flugzeugbau verfügte. Dort wurden bis 1965 etwa 13 Geier II B gefertigt. Der Holm, der bei Scheibe gefertigt wurde, hat eine 12fache Bruchlast. 1965 wurde die Fertigung des Modells eingestellt. Die Betreuung des Musters ging danach an den 1. Aero-Club Stuttgart über. Die „B-Version“ des Geier II hatte eine voll eingestrakte Haube, vergrößerte Querruder, kleine Keulen an den Außenflächen – sogenannte Torpedozapfen – und statt der Kufe mit Abwurffahrwerk ein starres bremsbares Rad. Durch einen Rechenfehler war die Schwerpunktbestimmung beim Geier II B fehlerhaft. Dies führte in den Folgejahren zu mehreren schweren Trudelunfällen, vor allem bei zu leichten Piloten mit hinteren Schwerpunktlagen. Von März 1973 bis Februar 1974 wurden die Geier II B gesperrt und waren danach nach korrigierter Schwerpunktberechnung wieder uneingeschränkt lufttüchtig. Der Erstflug der Werknummer 03 – damals noch als D-1501 – fand am 20. Mai 1961 in Bad Reichenhall-Obermühle statt, im Flugzeugschlepp hinter einem Fieseler Storch. Sie war zunächst bei der Alpinen Fliegergruppe in Traunstein stationiert. Es folgten Stationierungen in Bissingen, Paderborn (dort ab 1965 als D-8154 und ab 1966 als D-5828), Warburg und Feuerstein. Sie gelangte dann zur Akaflieg Erlangen, wo sie von 1986 bis 1989 einer Grundüberholung bei der Firma Eichelsdörfer unterzogen wurde. Der Förderverein Sicherheit im Luftsport in Bayern hatte das Flugzeug ab Juli 2006, ließ aber 2007 keine Nachprüfung mehr durchführen. 2008 wechselte der Geier in private Hände und wurde nach erweiterter Lufttüchtigkeitsprüfung bis 2016 auf dem Segelfluggelände Nastätten geflogen. Danach übernahm die Luftsportgruppe Kempten-Durach e.V. im Allgäu die D-5828 (Stand 2019).[3]

Technische Daten Geier I, II und II B

Kenngröße Geier I Geier II und II B
Besatzung11
Gesamtlänge8,20 m8,20 m
Spannweite17,76 m17,76 m
Flügelfläche15,77 m²14 m²
Flügelstreckung2022,53
Flächenbelastung24,1 kg/m²26,43 kg/m²
Gleitzahl32 bei 68 km/h35 bei 80 km/h
Geringstes Sinken0,55 m/s bei 55 km/h0,65 m/s bei 75 km/h
Rüstmasse260 kg277 kg
max. Startmasse360 kg370 kg
Höchstgeschwindigkeit200 km/h170 km/h

Erhaltene Exemplare

  • Geier I (BGA2557/EBP ) im Vereinsbesitz Luftsportgruppe Kempten-Durach e.V., in Grundüberholung
  • Geier II (D-9129) im Vereinsbesitz Verein für historischen Segelflug e.V., in Grundüberholung[4]
  • Geier II B (D-5828) im Vereinsbesitz Luftsportgruppe Kempten-Durach e.V., stationiert auf dem Verkehrslandeplatz Kempten-Durach[5]
  • Geier II B (D-8467) in Privatbesitz bei Reutlingen, in Grundüberholung
  • Geier II B (D-9192) in Privatbesitz, stationiert auf dem Flugplatz Winzeln-Schramberg

Literatur

  • Vintage Glider Club Ltd. (Hrsg.): The Vintage Glider Club – A celebration of 40 years preserving and flying historic gliders 1973–2013. Grantham, Lincolnshire (UK) 2013. Seite 31. ISBN 978-3-9814977-8-6
  • Dietmar Geistmann: Die Segelflugzeuge in Deutschland. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2. Auflage 1994. ISBN 3-87943-618-5
  • Jochen Ewald: Der Sturzflug des Geiers. Fliegermagazin 6/1995, Seite 83
  • Claudia Gallikowski: Der Geier. Bequemes Superschiff aus den Fünfzigern. Segelfliegen 1/2012, Seite 64–67
Commons: Geier (Segelflugzeug) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • www.geier2.de: Die Geier-Homepage, abgerufen am 22. Februar 2019
  • : Dokumentation zum Geier I, abgerufen am 27. Februar 2019

Einzelnachweise

  1. https://www.daec.de/fileadmin/user_upload/files/2018/Verband/Bundesausschuss_Kultur/Geier_1.pdf abgerufen am 27. Februar 2019
  2. Claudia Gallikowski: weitere Geier. In: www.rhoensperber.de. 2014, abgerufen am 14. Juli 2021.
  3. Claudia Gallikowski: D-5828. In: www.rhoensperber.de. 2014, abgerufen am 14. Juli 2021.
  4. Flugzeuge. In: VFhS e.V. 26. Juli 2013, abgerufen am 14. Juli 2021.
  5. Flugzeuge. Luftsportgruppe Kempten-Durach e.V., abgerufen am 14. Juli 2021.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.