Alle meine Entchen
Alle meine Entchen (auch Alle meine Entlein, in älteren Quellen auch Alle unsre Enten[1][2][3]) ist ein deutschsprachiges Kinderlied.
Es handelt sich um ein Volkslied, dessen Verfasser nicht überliefert ist. Gelegentlich wird das Lied Ernst Anschütz (1780–1861) zugeschrieben,[4] jedoch ist das Lied in der vorgeblichen Quelle, dem 1824 erschienenen Musikalischen Schulgesangbuch, nicht nachzuweisen.[5] Wilhelm Raabe zitiert den Text in seinem 1859 erschienenen Roman Die Kinder von Finkenrode als „Kinderreim“.[1] Gelegentlich wird der Gymnasiallehrer Gustav Eskuche (1865–1917) als Textautor genannt,[6] er hat das Lied jedoch lediglich in seinen 1891 erschienenen Hessischen Kinderliedchen herausgegeben.[2] Dass Eskuche trotz der nachgewiesenen früheren Veröffentlichung des Liedes als Autor genannt wird, geht möglicherweise auf einen missverstandenen Hinweis des Volksliedforschers Franz Magnus Böhme zurück, der das Lied in seiner Sammlung Deutsches Kinderlied und Kinderspiel 1897 mit dem Quellenhinweis „Aus Kassel: Eskuche Nr. 167“ abdruckt.[3] Gelegentlich findet sich die Herkunftsangabe „aus dem Nassauischen“.[7][8]
Inhaltlich handelt das Lied vom Gründeln der Enten. In einigen Liederbüchern ist das Lied mit weiteren Strophen abgedruckt, deren Alter und Herkunft nicht geklärt ist, in denen auch Tauben, Hühner, Gänse und andere Tiere besungen werden.[9][10]
Das Lied eignet sich als Spiellied, bei dem die Kinder im Kreis stehen oder gehen und beim Singen die entsprechenden Bewegungen machen.[10][11]
Text
Der Text der ersten Strophe lautet:
1859 | 1891 | geläufige Fassung |
---|---|---|
Alle uns’re Enten |
||
Weitere Strophen lauten:
Melodie
Die Melodie basiert auf der Dur-Tonleiter, ist jedoch wegen der ungewöhnlichen fünftaktigen Form und des wiederholten zweiten Taktes relativ charakteristisch. Mehrere Belege für diese charakteristische Melodie finden sich in Tanzmusikhandschriften des 18. Jahrhunderts. Es findet sich als Lied mit sorbischem Textinzipit im Kralschen Geigenspielbuch[13] von 1784 und als Bouree in einer anonymen Handschrift im Österreichischen Volksliedarchiv von „ca. 1750“.[14]
Die Melodieführung verwendet in einer bekannten Liedfassung neben Tonwiederholungen ausschließlich Sekundschritte, in einer anderen bekannten Fassung noch je einen einzelnen Terz- und Quintsprung. Wegen dieser Einfachheit und wegen des geringen Tonumfanges von nur einer Sexte kann die Melodie schon von ein- bis zweijährigen Kindern nachgesungen werden.[7] Ebenso ist es aus demselben Grund oft das erste Stück, das von Anfängern auf einem neuen Musikinstrument relativ einfach bewältigt werden kann. Auch andere europäische Kinder- und Volkslieder wie Fuchs, du hast die Gans gestohlen oder Häschen in der Grube verwenden ähnliche Melodiemodelle, ebenso manche auf Volksliedern basierende Kompositionen wie die israelische Nationalhymne haTikwa oder Bedřich Smetanas sinfonische Dichtung Die Moldau, hier jeweils in Moll verkehrt und im absteigenden Teil stark variiert.
Weblinks
- Alle meine Entchen im Liederprojekt von Carus Verlag und SWR2
- Weitere Textstrophen
- Melodie und Gesang
Einzelnachweise
- Jakob Corvinus (= Wilhelm Raabe): Die Kinder von Finkenrode. Schotte, Berlin 1859, S. 161 f. (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- Gustav Eskuche, Johann Lewalter: Hessische Kinderliedchen. E. Kühn, Kassel 1891, S. 61 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Franz Magnus Böhme: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel: Volksüberlieferungen aus allen Landen deutscher Zunge. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1897, S. 140 (Textarchiv – Internet Archive).
- Manfred Altner: Anschütz, Ernst Gebhard Salomon. In: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (Hrsg.): Sächsische Biografie.
- Ernst Anschütz: Musikalisches Schulgesangbuch. Heft 1. Reclam, Leipzig 1824 (Digitalisat der Herzog August Bibliothek).
- Gustav Eskuche bei volksliederarchiv.de, abgerufen am 27. Dezember 2015
- Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 655.
- Alle meine Entchen bei notendownload.de, abgerufen am 13. Oktober 2012
- Horst Irrgang (Hrsg.): Ein Männlein steht im Walde. Die schönsten alten Kinderlieder. 2. Auflage. VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970, S. 4.
- Bernd Pachnicke (Hrsg.): Deutsche Volkslieder. Singstimme und Klavier. Edition Peters, Leipzig 1976, DNB 1006936580, S. 75.
- Heinz Rölleke (Hrsg.): Das Volksliederbuch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, ISBN 3-462-02294-6, S. 346.
- Diese Textfassung findet sich ohne genaue Quellenangabe, aber offenbar zitiert nach Franz Magnus Böhmes Deutsches Kinderlied, leicht verändert auch in: Hans Magnus Enzensberger: Allerleihrauh. Viele schöne Kinderreime. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1961, S. 94 (Taschenbuchausgabe: insel taschenbuch 115. 13. Auflage. Insel, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-458-31815-6; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Handschrift aus dem Besitz von Mikławš Kral, im Faksimile findet sich die Angabe: „Seit 1961 befindet sich das Kralsche Geigenspielbuch als Leihgabe in der Bibliothek des Institutes für sorbische Volksforschung.“ Faksimile: Jan Raupp: Das Kralsche Geigenspielbuch. Fotomechanischer Erstdruck. VEB Domowina-Verlag, Bautzen 1983.
- Anonyme Handschrift, mit den Angaben „um 1750“ und „Mitteldeutschland, vielleicht Franken“, Österreichisches Volksliedarchiv, Signatur E 97