Akkumulatorenfabrik (Hannover)
Die Akkumulatorenfabrik in Hannover,[1] zeitweilig auch Accumulatoren-Fabrik[2] und Akkumulatorenwerk Hannover-Stöcken[3] oder Akkumulatorenwerke Hannover-Stöcken genannt,[4] ist seit den 1930er Jahren ein Produktions-Standort für Batterien und Akkumulatoren, insbesondere für Automobile auf dem Industriegelände Stöcken-Marienwerder.[1]
Geschichte
Die Akkumulatorenfabrik nahe dem Nordhafen Hannovers, im Volksmund auch schlicht Akku genannt, war das zweite Zweigwerk der seit dem Jahr 1888 in der heute nordrhein-westfälischen Stadt Hagen industriell produzierenden Akkumulatoren-Fabrik AG (AFA), die später unter dem Namen VARTA international bekannt wurde. In der während der NS-Diktatur ab 1938 bis in den Zweiten Weltkrieg hinein auf rund 90 ha errichteten Großfabrik verliefen die Fertigungsabläufe in einer Ebene. Statt der ursprünglich geplanten Antriebs- und Starter-Bleibatterien für verschiedene Fahrzeuge wurden ab dem Kriegsjahr 1940 dann jedoch Antriebsbatterien für U-Boote und Torpedos produziert. Hierzu wurden Kriegsgefangene, Fremdarbeiter und KZ-Insassen zur Zwangsarbeit verpflichtet, die in dem eigens direkt auf dem Fabrikgelände errichteten Außenlager des KZ Neuengamme untergebracht wurden,[1] dem KZ Hannover-Stöcken.[2]
Während der Luftangriffe auf Hannover entstanden in der Akkumulatorenfabrik kaum Kriegsschäden, so dass zunächst im Juni 1945 Starterbatterien für die Britischen Besatzungstruppen produziert werden konnten. Dennoch kam es ab 1946 zu Demontagen.[1]
Die Nachkriegszeit verhalf der „Akku“ – nachdem ab 1950 die Produktionsabläufe modernisiert worden waren – aufgrund der zunehmenden Motorisierung im Zuge des sogenannten „Wirtschaftswunders“ zu einem wirtschaftlichen Aufschwung: Bereits 1959 produzierten rund 2000 Beschäftigte ein aus Starterbatterien sowie Motorrad- und andere Kleinbatterien zusammengesetztes Produktportfolio, das – nachdem die AFA 1962 in VARTA umbenannt wurde – 1964 um Trockenbatterien ergänzt wurde.[1]
1966 wurde der Sitz der Gesellschaft – unter deren Dach die Fabrikationsorte Hagen, Hannover und Ellwangen als eigenständige GmbH firmierten – zunächst von Hagen nach Frankfurt am Main und 1969 schließlich ebenfalls nach Hannover verlegt. Unterdessen engagierte sich die Dachgesellschaft auf vielfältigen Produktionsfeldern außerhalb der reinen Batterieherstellung.[1]
Anfang der 1990er Jahre begann eine umfangreiche Restrukturierung der VARTA, in deren Folge die bisherige Kaufhaus-Struktur ebenso wie verschiedene Werke in Deutschland und Skandinavien aufgegeben wurden. Ab 1992 kooperierte das Unternehmen mit der Robert Bosch GmbH und bildete -unter mehrheitlicher Führung der VARTA – ein Gemeinschaftsunternehmen sowohl für die Produktion als auch den Vertrieb von Autobatterien unter der Firmierung VB Autobatterie GmbH. Doch bereits wenig später begann die Auflösung der VARTA ab 1995: Die verlustreiche Sparte Industriebatterien wurde durch die Großaktionäre der Industriellenfamilie Quandt sowie die Deutsche Bank an den britischen Konzern BRT verkauft und der Gründungsstandort Hagen stillgelegt.[1] 1998 wurde die VARTA Plastic abgegeben.[5]
Zum Ende des Jahres 2000 wurden 92 % der Aktien gegen knapp 300 Millionen Euro von einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bank namens DB Investor übernommen und an die Gopla GmbH weitergereicht, an der die Deutsche Bank zu 39 % und die beiden früheren Hauptaktionäre aus der Familie Quandt zu 25,1 % beteiligt waren.[6]
2001 wurde der Geschäftsbereich Microbatterien ausgegliedert, die entstandene Varta Microbattery wurde eine Tochtergesellschaft der Varta AG in Hannover.
Im Sommer 2002 wurden die beiden größten Arbeitsbereiche von Varta verkauft. Zuerst wurde die Mehrheitsbeteiligung im Bereich der Gerätebatterien an den Batteriehersteller Rayovac abgegeben. Eine Woche später kaufte der Kooperationspartner Johnson Controls gegen 312,5 Millionen Euro die 80 Prozent von Varta an der VB Autobatterie GmbH mit der Robert Bosch GmbH und damit den größten Bereich. Varta verblieben 1.700 Beschäftigte und rund 130 Millionen Euro Umsatz im Bereich der Mikrobatterien.[6] Siehe auch VARTA AG.
Die Herstellung der Autobatterien auf dem ehemaligen VARTA-Gelände in Hannover wurde jedoch unter dem Namen Johnson Controls fortgeführt.[1]
Mitte November 2018 gab die Johnson Controls (JC) im Zuge eines „strategischen Umbruchs“ den Verkauf ihrer seinerzeit hochlukrativen Batteriesparte „Power Solutions“ an eine in Kanada sitzende Investment-Gruppe unter Führung der Brookfield Business Partners bekannt. Für den Kaufpreis von 13,2 Milliarden Dollar sei ein Eigentümerwechsel bis Ende Juni avisiert. Betroffen vom Verkauf sind rund 1300 Mitarbeiter im hannoverschen Werk, das seinerzeit jedoch nur eines von gut 50 Batterie-Produktionsstandorten der JC mit insgesamt rund 15000 Beschäftigten bildete. In Hannover sitzt zudem, neben einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit etwa 25 Mitarbeitern, jene Steuerungszentrale, von der aus die Geschäfte in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten mit insgesamt rund 3500 Mitarbeitern gelenkt werden. Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Andreas Scherer drohte durch den Verkauf jedoch kein Personalabbau in Hannover.[7]
Noch offen war seinerzeit jedoch die weitere Nutzung der Markenrechte: Während „die Marke Varta unangetastet“ bleiben sollte, war die Weiternutzung der Marke JC als Weltmarktführer bei Autobatterien noch ungeklärt; rund ein Drittel aller Autobatterien wurde seinerzeit bei Johnson Controls produziert mit einem Marktanteil von etwa 80 Prozent allein bei Neuwagen. Ende 2018 produzierten die JC-Werke zudem noch immer sämtliche Batterien der Marke Bosch.[7]
Literatur (Auswahl)
- Heino Esser (Bearb.): Report. VARTA Batterie AG, Hannover: Schlütersche Verlagsanstalt
- Bände 1–4: 100 Jahre VARTA. 1888–1988. Geschichten zur Geschichte, 1988
- Band 5: 100 Jahre VARTA-Betriebskrankenkasse. 1889–1989, 1989
- VARTA. Neue Konzepte 1991, Hannover: VARTA Batterie AG, Öffentlichkeitsarbeit [1991]
Weblinks
Einzelnachweise
- Waldemar R. Röhrbein: VARTA Batterie AG. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 638; Vorschau über Google-Bücher
- o. V.: Hannover-Stöcken (Accumulatoren-Fabrik), Artikel auf der Seite kz-gedenkstaette-neuengamme.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 19. November 2018
- Ulrich Bauche (Hrsg.): Akkumulatorenwerk Hannover-Stöcken, in ders.: Arbeit und Vernichtung. Das Konzentrationslager Neuengamme 1938–1945. Katalog zur ständigen Ausstellung im Dokumentenhaus der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Aussenstelle des Museums für Hamburgische Geschichte, 2., überarbeitete Auflage, Hamburg: VSA-Verlag, 1991, ISBN 978-3-87975-532-5 und ISBN 3-87975-532-9, S. 212; Vorschau über Google-Bücher
- Christoph Ernst, Ulrike Jensen (Hrsg.): Als letztes starb die Hoffnung. Berichte von Überlebenden aus dem KZ Neuengamme, Hamburg: Rasch und Röhring, 1989, ISBN 978-3-89136-267-9 und ISBN 3-89136-267-6, S. 60; Vorschau über Google-Bücher
- aktiencheck de AG: Varta Kunststoffgeschäft verkauft (Ad hoc) | News | aktiencheck.de. Abgerufen am 26. Januar 2020.
- VARTA Verkauft Autobatteriegeschäft. In: Handelsblatt. 6. August 2002, abgerufen am 26. Januar 2020.
- Ralph Hübner: Neuer Besitzer für alte Varta / Johnson Controls trennt sich von Batteriesparte. Betriebsrat in Hannover macht sich keine Sorgen. Artikel in der Tageszeitung Neue Presse vom 14. November 2018, S. 22