Ada Kaleh
Ada Kaleh (osmanisch آطه قلعه İA aṭa ḳalʿe, deutsch ‚Inselfestung‘), zeitweilig auch Caroline-Insel und Neu-Orschowa genannt, war eine Binneninsel in der Donau, deren Bewohner ab 1968 wegen des Baus des rumänisch-jugoslawischen Kraftwerks Eisernes Tor 1 abgesiedelt wurde und 1971 durch den Rückstau des Kraftwerks, und damit steigenden Wasserspiegels der Donau in diesem Bereich, überflutet wurde. Sie lag auf Höhe der rumänischen Stadt Orșova und der serbischen Ortschaft Tekija.
Ada Kaleh | ||
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Gewässer | Donau | |
Geographische Lage | 44° 42′ 58″ N, 22° 27′ 20″ O | |
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Länge | 1,75 km | |
Breite | 500 m | |
Fläche | 80 ha | |
Höchste Erhebung | 59 m | |
Beschreibung
Ada Kaleh war bis 1912 eine übriggebliebene Exklave des Osmanischen Reiches. Auf der etwa 1,7 km langen und 0,5 km breiten Insel befanden sich eine Festung und eine kleine Ortschaft mit einer Moschee, einem Basar, einer kleinen orthodoxen Kapelle, mehreren Kaffeehäusern, einem Gouverneurspalais und mehreren verwinkelte Gassen. Die zuletzt 600 (nach anderen Quellen 1000) überwiegend türkischen Bewohner lebten vornehmlich von der Fischerei und von der Produktion von Süß- und Tabakwaren. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich ein lebhafter Tourismus. Ada Kaleh diente den Bewohnern der umliegenden Regionen als romantisches Ausflugsziel und, dank einer Steuerbefreiung, als beliebte Einkaufsmöglichkeit für türkische Delikatessen, Schmuck und Tabakwaren. Berühmt war Ada Kaleh auch für seine Rosenzucht und die daraus gewonnenen Produkte (Rosenöl und Parfüm).
- Der Basar von Ada Kaleh, 1968
- Ada Kaleh 1968 mit dem Minarett
- Ada Kaleh 1968
- Postkarte von ca. 1900
- Ada Kaleh (Ende des 19. Jahrhunderts)
- Postkarte von Ada Kaleh von zwischen 1890 und 1905. Gut zu sehen sind die Einrichtungen der Einwohner.
- Die Festung Ada Kaleh (1912)
- Der Basar von Ada Kaleh (1912)
- Ada Kaleh auf einer ungarischen Landkarte von 1918
- Reste der Insel im August 1970 (Ansicht von Süden)
Geschichte
Im Konflikt Österreichs mit dem Osmanischen Reich erlangte die Insel wegen ihrer exponierten Lage eine gewisse strategische Bedeutung. Die österreichische Armee erbaute 1689 dort eine Festung als Bollwerk gegen das Osmanische Reich und nannte die Insel fortan Neu-Orschowa. In den folgenden Jahrzehnten wechselte Ada Kaleh mehrmals zwischen Österreich und dem osmanischen Reich hin und her, verblieb nach dem Frieden von Belgrad von 1739 schließlich dauerhaft bei den Osmanen, nur unterbrochen durch eine zwischenzeitliche österreichische Besetzung von 1789 bis 1791. Die Insel wurde 1877 von Österreich-Ungarn besetzt, doch auf dem Berliner Kongress wurde vergessen, ihren Status zu klären, so dass sie in den Folgejahren unter österreich-ungarischer Verwaltung blieb und schließlich am 12. Mai 1913 annektiert wurde. Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie entschlossen sich die Inselbewohner 1923 zum Anschluss an Rumänien. Die Bevölkerung blieb aber überwiegend türkisch. Mit der Vollendung des Wasserkraftwerks am Eisernen Tor wurde Ada Kaleh abgesiedelt und 1971 überflutet. Der Versuch einer Rettung der Inselkultur durch Umsiedlung der Bevölkerung und Versetzung der historisch wertvollsten Gebäude auf die weiter flussabwärts gelegene rumänische Insel Șimian scheiterte. Die Einwohner von Ada Kaleh zogen es vor, in andere Teile Rumäniens, z. B. in die Dobrudscha zu ziehen oder in die Türkei auszuwandern. Vor der Überflutung von Ada Kaleh wurde die Insel durch Abholzung und Sprengung aller verbliebenen Bauten eingeebnet.
In den Jahren vor der Überflutung entwickelte sich der Tourismus auf der Insel immer stärker. Für die Besucher wurden spezielle Vorkehrungen getroffen, da die rumänischen Behörden befürchteten, dass die Menschen über die Grenze nach Jugoslawien fliehen könnten. Bei der Ankunft mussten alle ihre Ausweise den Grenzwächtern überlassen. Außerdem durften Ortsfremde die Nacht nicht auf der Insel verbringen. Die Grenzlage wirkte sich zunehmend negativ auch auf die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit der Inselbewohner aus. Nach 8 Uhr abends durften sie nicht mehr vom Festland auf die Insel zurückkehren oder diese verlassen.[1]
Zitate
In „Das tausendjährige Ungarn und die Milleniumsausstellung“ von 1896 heißt es:[2]
„Einen romantischen Überrest der einstigen Türkenherrschaft an der unteren Donau bildet diese, an der ungarisch-rumänisch-serbischen Grenze, unmittelbar unterhalb Orsova gelegene kleine Donau-Insel, deren geringzahlige, ausschließlich türkische Bewohner zwar noch Unterthanen des Sultans sind, das Inselterritorium selbst steht jedoch auf Grund eines Beschlusses des Berliner Congresses bis zur endgiltigen Regelung der politischen Lage desselben, jetzt noch interimistisch unter der militärischen Oberherrschaft der österr.-ungarischen Monarchie. Auf der Insel befindet sich eine, in früheren Zeiten für uneinnehmbar gehaltene, jetzt jedoch schon dem Verfall preisgegebene Festung.“
Literarische Bearbeitungen
Große Teile von Maurus Jókais Roman Ein Goldmensch (ungarisch Az arany Ember) spielen sich auf dieser Insel ab. Im Roman wird die Insel als 'Herrenlose Insel' bezeichnet.
Literatur
- Philippe Henri Blasen: Mustafa Bego, türkischer Nargileh-Raucher und ungarischer Nationalheld. Nationale Aneignung und internationale Vermarktung der Insel Ada-Kaleh. In: Spiegelungen, 2/2014
- Egon Erwin Kisch: Auf der Wacht gegen die Serben. Ada Kaleh und der Krieg. In: Mein Leben für die Zeitung 1906–1925. Journalistische Texte I. (= Gesammelte Werke in Einzelausgaben 9). Berlin 1993, ISBN 3-351-02169-0, S. 191–194.
- Ranko Jakovljevic: Saan Ada Kaleh. Beograd 2012, ISBN 978-86-7540-152-0. serbian romanian
Siehe auch
Weblinks
- Anton Zollner: Mittelalterliche Burgen des Banats. Ada-Kaleh – die Inselfestung. banater-aktualitaet.de
Einzelnachweise
- Aida Ivan: Eine verlorene türkische Insel inmitten der Donau. Ada Kaleh-Wanderausstellung wurde in der Hauptstadt eröffnet. adz.ro
- Thomas Schmidinger: Die vergessene „Insel des Islam“. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie annektierte vor hundert Jahren die osmanische Donauinsel Ada Kaleh, die 1971 in den Fluten des Donaukraftwerks am Eisernen Tor versank. In: Wiener Zeitung, 11./12. Mai 2013