Zur Mühlen (Adelsgeschlecht)
Von zur Mühlen ist der Name eines baltischen Adelsgeschlechts. Die von zur Mühlen gehören in den einzelnen Zweigen zu den Ritterschaften von Livland, Kurland, Estland und Oesel.
Sie sind nicht zu verwechseln mit den Geschlechtern von der Mühlen, von Mühlen oder dem westfälischen Adelsgeschlecht von und zur Mühlen (auf Haus Ruhr und Schloss Merlsheim) sowie den bayerischen, ursprünglich französischen Grafen Du Moulin-Eckart[1], auch von der Mühle-Eckart genannt[2], die je anderen Ursprungs sind.
Geschichte
Die Familiengeschichte und Stammreihe beginnt mit dem Auftauchen des Stammvaters Hermann thor Moelen (ca. 1505–1559) in Reval im Jahre 1532/33. Nachforschungen über seine Herkunft blieben bislang erfolglos. Sein Name verweist auf den niedersächsischen Raum westlich der Weser sowie auf die niederländischen Provinzen Overijssel und Gelderland als wahrscheinlichste Heimatregion. Für diese Vermutung spricht auch ein in seinen Briefen erwähnter Halbbruder Hendrik, der das Bürgerrecht der niederländischen Stadt Elburg besaß und im benachbarten Kampen an der Zuiderzee lebte. Neuere Hinweise auf das Vorkommen des Namens und der Hausmarke in Riga deuten die Möglichkeit an, dass Teile der Familie schon vor Hermann thor Moelen im baltischen Raum ansässig waren.
Hermann thor Moelen ließ sich als Kaufmann in Narwa nieder und betrieb von dort aus Fernhandel, bei dem seine Geschäftsbeziehungen im Westen bis Amsterdam und Antwerpen und im Osten bis Moskau reichten. Er erwarb das Bürgerrecht von Narwa und wurde 1539 Ratsherr und 1551 Bürgermeister von Narwa. Nach dem Ausbruch des Livländischen Krieges 1558, der mit der Beschießung Narwas begann, floh Hermann thor Moelen über Reval nach Lübeck. Auf einer Geschäftsreise nach Holland, auf der er vermutlich Außenstände eintreiben wollte, starb er 1559 in Amsterdam. Sein Grabstein in der Alten Kirche ist noch erhalten.
Zwei seiner Söhne kehrten in das inzwischen schwedisch gewordene Estland zurück und begründeten die bis etwa 1800 in Reval ansässige Ratsfamilie. Sie betrieben Fernhandel, erwarben Grundbesitz und nahmen bald wichtige Ämter ein. Fünf Generationen lang war die Familie im Revaler Rat vertreten und stellte drei Bürgermeister und mehrere Ratsherren. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde die niederdeutsche Namensform durch die hochdeutsche zur Mühlen ersetzt.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts teilte sich die Familie in drei Linien auf. Thomas zur Mühlen, der älteste Sohn des Revaler Bürgermeisters Hinrich zur Mühlen, ging zu Ausbildungszwecken nach Amsterdam, ließ sich dort endgültig nieder und begründete den niederländischen Zweig der Familie. Der jüngste Sohn, Cornelius zur Mühlen jun., begründete das später nach dem Stammgut benannte Haus Piersal. Der mittlere Sohn, der Revaler Bürgermeister Hermann Johann zur Mühlen, hatte sechs Söhne, von denen fünf ihrerseits Nachkommen zeugten und die übrigen fünf Linien der Familie begründeten. Sie und die jüngere Linie des Cornelius erlebten die sozialen Veränderungen der Familie, die sich mit der Nobilitierung am 15. Februar 1792 in Wien durch Kaiser Leopold II. und dem Wechsel in den Landadel ergaben.
Seit 1865 besteht ein Familienverband.
Familienwappen
In Gold ein roter (naturfarbener) Hirschkopf mit Hals; auf dem Helm mit rot-goldenen Decken der Hirschkopf wachsend. Auf dem Grabstein des Stammvaters Hermann thor Molen in der Oude Kerk in Amsterdam wird ein frontaler Hirschkopf ohne Hals abgebildet. Die mit der Nobilitierung festgelegte heutige Wappenform ist bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert nachweisbar. Andere Varianten des Wappens haben sich nicht durchgesetzt.
Familienmitglieder
- Bengt von zur Mühlen (1932–2016), deutscher Filmproduzent, zeitgeschichtlicher Autor und Gründer des Unternehmens Chronos Film
- Bernt Ture von zur Mühlen (1939–2021), deutscher Buchwissenschaftler
- Ferdinand von zur Mühlen (1788–1837), russischer Offizier, Träger des pour le merite[3]
- Harriet von zur Mühlen (1871–1919), evangelische Märtyrerin[4]
- Heinz von zur Mühlen (1914–2005), deutsch-baltischer Historiker
- Heinrich von zur Mühlen (Ministerialbeamter) (1908–1994), deutscher Ministerialbeamter
- Hermann zur Mühlen (1719–1789), Bürgermeister von Reval
- Hermynia zur Mühlen (1883–1951), österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin
- Hinrich zur Mühlen (1686–1750), Bürgermeister von Reval[5]
- Irmgard von zur Mühlen (* 1936), deutsche Dokumentarfilmerin und Regisseurin
- Leo von zur Mühlen (1888–1953), o. Professor der Geologie an der TH Berlin-Charlottenburg, Direktor des Geolog. Instituts[6]
- Rainer von zur Mühlen (* 1943), deutscher Sicherheitsberater und -planer, Unternehmer und Herausgeber
- Raimund von Zur Mühlen (1854–1931), deutscher Tenor und Gesangslehrer
- Rudolf Julius von zur Mühlen (1845–1913), deutschbaltischer Maler der Düsseldorfer Schule
- Patrik von zur Mühlen (* 1942), deutscher Historiker
- Thomas zur Mühlen (1649–1709), Bürgermeister von Reval[7]
- Wilhelm von zur Mühlen (1792–1847), russischer Generalmajor und Träger des Ordens Pour le Mérite
Literatur
- Genealogisches Handbuch des Adels. Adelige Häuser B, Band XV, Limburg an der Lahn 1984, S. 346–378.
- Franz Menges: zur Mühlen, von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 275–278 (Digitalisat).
Weblinks
- Familie von zur Muehlen
- Jubilaeumszeitung (PDF; 2,2 MB)
Einzelnachweise
- Institut Deutsche Adelsforschung: Adelszeichen und Adel
- nobility.eu: Grafen Du Moulin-Eckart (von der Mühle-Eckart)
- Genealogisches Handbuch des Adels. Adelige Häuser B, Band XV, C.A. Starke, Limburg an der Lahn 1984, S. 279.
- Harald Schultze und Andreas Kurschat (Herausgeber): „Ihr Ende schaut an…“ – Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2006, ISBN 978-3-374-02370-7, Teil II, Abschnitt Russisches Reich/Baltikum, Seite 544
- Genealogisches Handbuch des Adels, Band A B VI, C.A. Starke, Limburg an der Lahn 1984, S. 238.
- Genealogisches Handbuch des Adels, Band A B VI, C.A. Starke, Limburg an der Lahn 1984, S. 247.
- Genealogisches Handbuch des Adels, Band A B VI, C.A. Starke, Limburg an der Lahn 1984, S. 237.