Zarzuela
Zarzuela [θaɾˈθwela] ist die Bezeichnung für eine typisch spanische Gattung des Musiktheaters, die einige Ähnlichkeit mit der französischen Opéra comique oder der Operette hat. Wie diese ist die Zarzuela durch abwechselnd gesprochenen und gesungenen Text gekennzeichnet. Die Musik der Zarzuela besteht überwiegend aus originalen Kompositionen, ergänzt um Volkslieder oder populäre Schlager, die zur Handlung passend ausgewählt wurden.
Geschichte
Ursprünge
Die Zarzuela entstand im frühen 17. Jahrhundert zunächst als höfisches Festspiel in der Art eines Singspiels und ist vor allem mit dem Namen des Dichters Pedro Calderón de la Barca verbunden. Die Versdialoge seiner Stücke wurden mit musikalischen Nummern in der Art des Vaudeville der Pariser Jahrmarktstheater angereichert.
In einer nahe bei Madrid im Norden gelegenen Waldgegend, dem sogenannten Pardo, hatte sich 1634 König Philipp IV. inmitten dichten Brombeergebüschs ein Schlösschen errichten lassen, das den Namen Palacio de la Zarzuela (von spanisch zarza „Brombeergebüsch“) bekam. Der Bruder des Königs, Kardinalinfant Ferdinand von Spanien, späterer Statthalter der spanischen Krone in den Niederlanden, war ein großer Freund der Jagd und benutzte dieses Schlösschen oft zur Übernachtung. Wenn das Wetter keine Jagd erlaubte, ließ der König zu seiner Unterhaltung die Komödianten aus den Theatern der nahe gelegenen Hauptstadt kommen. Das Schloss war privater Wohnsitz des spanischen Königs Juan Carlos I.
Der Schöpfer der Theatergattung war der Dichter Pedro Calderón de la Barca. Die älteste sowohl im Text wie in der Musik überlieferte spanische Oper ist Celos aun del aire matan von Calderón und Juan Hidalgo, der mehrere Werke Calderóns vertonte.
Diese Stücke kamen so gut an, dass sich daraus eine vielfältige und breitgefächerte Bühnengattung entwickelte, die tragische, komische, volkstümliche und auch heroische Sujets umfasste. Ab etwa Mitte des 18. Jahrhunderts fanden diese Stücke kein Publikum mehr und gingen unter. Damit verschwand auch die Musik, die oftmals nur als Versatzstücken bestand und anderen Stücken entnommen wurde. Allgemein kam nunmehr die italienische Opera buffa auf die Bühnen.
Neubelebung
Die Zarzuela wurde erst einhundert Jahre später wiederbelebt, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als überall in Europa „Nationalkulturen“ entstanden. Dafür setzten sich Rafael Hernando (1822–1888) und Emilio Arrieta (1823–1894) ein und mit der Uraufführung des dreiaktigen Werkes Jugar con fuego (Libretto von Ventura de la Vega) 1851, das ein durchschlagender Erfolg wurde, schuf Francisco Asenjo Barbieri erstmals die „Zarzuela Grande“. Mit der „alten“ Zarzuela hatten diese und die folgenden Werke der Musikgattung nur wenig gemeinsam, abgesehen davon, dass sich Dialog und Musikstücke (darunter der Tango[1]) abwechselten.
Der Zarzuela wurde 1857 von einer Künstlervereinigung, deren Ziel die Pflege und Erneuerung der Zarzuela war, das Teatro de la Zarzuela in Madrid errichtet. Ende des 19. Jahrhunderts waren in Madrid nicht weniger als zehn Theater ausschließlich der Aufführung dieser Werke gewidmet.
Die erste Krönung dieser Musikgattung erreichte Asenjo Barbieri 1874 mit seiner dreiaktigen El Barberillo de Lavapies, einem Werk, das auch den Weg in viele andere Länder fand und zum Vorbild für drei Generationen spanischer Bühnenkomponisten wurde: Barbieri vollendete damit den entscheidenden Schritt, spanische Sujets mit selbstständig verarbeiter Volksmusik zu verbinden.
Bedeutende Komponisten dieser Neubelebung waren neben Asenjo Barieri und Emilio Arrieta Ruperto Chapí y Lorente, Tomás Bretón, Federico Chueca (dem es wie keinem gelang, die Atmosphäre des volkstümlichen Madrids einzufangen), M. Nieto und Tomás López Torregrosa neben anderen bekannten Namen wie Vicente Lleó, Amadeo Vives, Emilio Serrano und Rafael Calleja.
Jerónimo Giménez y Bellido, der hauptsächlich die andalusische Musik pflegte, gelang mit La tempranica (Die Frühaufsteherin, 1900) ein weiteres bedeutendes Werk, in dem die Musik (ähnlich wie in den Offenbachiaden) die Aufgabe hat, Haltungen auszudrücken, die der Sprache und den Texten verwehrt bleibt. Besonders wird auch der Unterschied zur Operette deutlich, dass sich ausgiebige Sprechszenen und dichtgedrängte Musikszenen ergeben, die ihre eigene, volkstümliche Überraschungsstrategie als Dramaturgie besitzen.
20. Jahrhundert
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts rückte auch die Zarzuela des mehraktigen „género grande“ wieder in den Vordergrund, zu deren Blüte Federico Moreno Torroba, Pablo Luna, Francisco Alonso, Jacinto Guerrero, Rafael Millán, Reveriano Soutullo, Juan Vert und Pablo Sorozábal beitrugen. Auch Enrique Granados, Manuel de Falla und Daniel Alomía Robles schrieben Zarzuelas. Bekannt ist Daniel Alomía Robles insbesondere als Komponist der Zarzuela El Cóndor Pasa (1913) mit dem berühmten Lied gleichen Titels. Der bedeutendste Vertreter ist aber José Serrano Simeón (1873–1941), der wie kaum ein anderer vor ihm einen eigenen Nenner gefunden und dies mit der ihm besonders eigenen „dramaturgischen Unerbittlichkeit“ (Klotz).
Nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich – ähnlich wie international in der Operette – ein beginnender Verfall der Zarzuela, der sich vor allem, wie dort auch, an den Textbüchern bzw. den Libretti feststellen lässt. Eine Fortsetzung ihrer Tradition stellten die Ópera Flamenca und folkloristische Kinofilme mit bekannten Flamencokünstlern dar.[2] Der spanische Bürgerkrieg 1936 und der aufkommende Film setzten der Zarzuela-Begeisterung ein Ende. Der Versuch des Franco-Regimes, die Zarzuela zum nationalen Symbol zu stilisieren, stieß auf Ablehnung.
Erst mit den Vorbereitungen zur 500-Jahr-Feier zur Entdeckung Amerikas (1992) erinnerte man sich des musikalischen Erbes, und verschiedene Stiftungen ermöglichten hochwertige CD-Neueinspielungen.
Sonstiges
Wichtige Figuren in den Zarzuelas sind auch die Gigantes y Cabezudos (Riesen und Riesenzwerge, auch Zarzuela von Manuel Fernández Caballero, UA Madrid 1898).
Literatur
- Henning Mehnert: Die spanische Zarzuela. Nicht nur Operette aber auch keine Oper. In: Opernwelt Jahrbuch 1990. Orell Füssli, Zürich 1990, ISSN 0474-2443
- Volker Klotz: Operette – Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst. Zu Zarzuela allgemein: S. 197–213. Mit insgesamt fünfzehn Werkdarstellungen u. a. von Barbieri, Chueca, Caballero, Giménez, Serrano. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Bärenreiter, Kassel 2004, ISBN 3-7618-1596-4.
- Vgl. Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters (Artikel über einzelne Zarzuela-Komponisten von Hidalgo bis Moreno Toroba).
- Pierre-René SERNA, Guide de la Zarzuela – La zarzuela de Z à A, Bleu Nuit Éditeur, Paris, novembre 2012, 336 pages, 16,8 × 24 cm, ISBN 978-2-913575-89-9 (Prix du Syndicat de la critique 2013 dans la catégorie « Meilleur Livre de Musique »)
Weblinks
- Zarzuela im Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin
- Zarzuela im Katalog des Ibero-Amerikanischen Instituts Berlin
- Legran Orchestra “Gigantes y Cabezudos” Coro de Repatriados Mp3· ISWC T-0425363558. Veröffentlicht mit Genehmigung der Eigentümer der Rechte
Einzelnachweise
- Kersten Knipp: Flamenco. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-45824-8, S. 98 f.
- Kersten Knipp: Flamenco. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-45824-8, S. 155.