Wolfgang Hahn (Künstler)
Wolfgang Hahn (* 26. April 1953 in Anrath) ist ein deutscher Zeichner und Bildhauer. Sein Werk untersucht die Verbindungen zwischen der Zeichnung und der Skulptur.
Leben
Wolfgang Hahn studierte von 1973 bis 1976 bei Joachim Bandau an der Pädagogischen Hochschule in Aachen (seit 1980 eingegliedert in die RWTH Aachen) und von 1976 bis 1981 bei Harry Kramer an der Kunsthochschule in Kassel. Mit einem Stipendium des DAAD studierte er von 1981 bis 1982 bei Otto Piene am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts. 1985 war Hahn Artist in Residence am Massachusetts College of Art and Design, Boston. Von 1985 bis 1988 war er als Künstlerischer Mitarbeiter im Fachbereich Kunst an der Gesamthochschule Kassel (heute als Kunsthochschule Kassel teilautonomer Fachbereich der Universität Kassel) tätig. 1992 wurde er Artist in Residence am Macomb College in Mount Clemens, Michigan.
Wolfgang Hahn ist Mitglied des Internationalen Künstlergremiums und des Deutschen Werkbundes. Er ist mit der Kunsthistorikerin Ulrike Lua verheiratet und lebt und arbeitet in Mönchengladbach.
Werk
Wolfgang Hahn ist bestrebt, in seiner Kunst den „missing link“, die fehlende Verbindung zwischen der Zeichnung und der Skulptur, zu entwickeln. Die ersten in den 1970er Jahren entstandenen Arbeiten sind aufklappbare Wellpappekartons in Form menschlicher Silhouetten, sie „[…] spielen mit dem Verhältnis von Innen und Außen, Flächen und Volumen, positiver und negativer Form und der Verbindung von amorpher Form und geometrischer Kante.“[2]
Fliegenfänger und Zeichenapparat
In den Leimbildern der frühen 1980er Jahre bestrich Hahn aufgespannte Leinwände mit einer Mischung aus Kolophonium, Leinöl und Honig, sogenanntem Fliegenleim.[3] Aus der zunächst monochromen Fläche bildete sich durch Anlagerung von Insekten, Staub und anderen Partikeln, die für einen gewissen Zeitraum auf der Oberfläche fixiert waren, „mit der Zeit die Atmosphäre des Raumes ab“.[2] Spätestens nach Trocknung des Leims fallen die Insekten und Luftpartikel ab, womit nur noch Spuren der einzelnen organischen Partikel auf der Leinwand zurückbleiben. Unter dem Titel Fliegenfänger entstanden Zeichnungen auf Bristolkarton. In Kästen, in denen sich mit der Zeit Fliegen sammelten und vermehrten, war der Karton lose vor der Rückwand angebracht und verzeichnete nach einiger Zeit die Spuren der Fliegen.
Skate Board Drawing – Fakir |
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1982 |
Filzstiftzeichnung, 28 cm × 37,9 cm |
Privatbesitz;
verlinkte Abbildung |
1982 entstanden Skate Board Drawings, Zeichnungen mit einer vom Künstler konstruierten Apparatur. Unter einem fest montierten dicken Filzstift wurde das Zeichenblatt auf einem Brett bewegt, das auf ein Skateboard geschraubt worden war; mit einem Pedal ließ sich der Filzstift auf dem Papier auf- und absetzen. Die Erfahrung des Zeichnens mit dem Brett auf Rollen als selbst verordnetes Handicap beschrieb der Künstler so: „Die Bewegungen des Brettes erscheinen unmotiviert, jede Mechanik hat ihr Eigenleben. Man versucht, das verdammte Ding zu überlisten, und muß schließlich einsehen, daß es gegen das Brett nicht zu schaffen ist. Es reagiert wie ein überladener Einkaufswagen im Supermarkt.“ Der Zeichner, so Hahn weiter, versuche, „die Dynamik des Systems mit der eigenen Motorik zu koordinieren. Kurven sind sorgfältig zu planen, schieben ist besser als ziehen. Jeder neue Ansatz ist umständlich, deshalb sind die Bewegungen ruhig-bedächtig, Konturen werden in langen Fahrten ohne Unterbrechungen durchgezogen. Die Blätter sind sehr kalkuliert.“[4]
Legofiguren und Phantomskulpturen
In den 1980er Jahren entstanden Skulpturen aus Legosteinen, wobei er einzelne dieser Arbeiten, jene aus transparenten Steinen, von innen mit Schwarzweiß-Fernsehgeräten beleuchtete, um mit den erzeugten Licht- und Schatteneffekten die starre Geometrie der Figuren aufzuheben.[5] Seit Ende der 1980er Jahre entwickelte Wolfgang Hahn sogenannte Phantomskulpturen. Dabei handelt es sich um Anaglyphenbilder, bestehend in Zeichnungen aus parallel verlaufenden roten und grünen Linien, die kaum eine Form erkennen lassen. Betrachtet man die Zeichnungen, die Hahn stets in den Schubladen alter Papierschränke präsentiert, durch eine Pappbrille mit je einem roten und einem grünen „Glas“ aus Folie[6], so erscheinen dreidimensionale Objekte und Figuren, die sich aus den Schubladen erheben und dazu auffordern, „mit der Hand durch die Skulptur zu fahren und ihre Räumlichkeit geradezu physisch zu erleben und sie dann, sich ins Nichts auflösend, mit der Schublade in dem Holzkasten verschwinden zu lassen“.[7]
Bänke und Figuren
Seit 1995 produzierte Wolfgang Hahn Sitze und Bänke[8], in der Regel aus Basaltlava, die sich sowohl auf privaten Grundstücken als auch im öffentlichen Raum befinden, so zum Beispiel vor dem Römermuseum in Haltern am See. Die Bänke bestehen aus 5 Zentimeter dicken Basaltlava-Platten, die verdübelt, verklebt und gegratet wurden. Die Bänke und Sitze, wie die Skulpturen aus Legosteinen nach dem Baukastenprinzip entworfen, sind „als autonome Kunstwerke zu betrachten, die den Gesetzmäßigkeiten des konstruktiven Gestaltens gehorchen, wenngleich sie durch Formgebung und Bezeichnung als schlichte Sitzgelegenheiten charakterisiert werden“.[9]
Seit etwa 2000 gestaltet Wolfgang Hahn auch Figuren, die wie die Bänke und Sitze in Basaltlava für den Außenraum entwickelt wurden, desgleichen aber auch in Papier, Holz oder Stahl in unterschiedlichen Formaten entstanden. Gelegentlich sind sie als zweiteilige Ensembles konzipiert.[10] In neuerer Zeit entstandene Sperrholzfiguren, schematische menschliche Körper, verlieren ihre flächige Erscheinung und bilden miteinander vielschichtige skulpturale Formen, die wie in einem Steckkastensystem spielerisch ineinandergebaut werden können. Die Figuren erscheinen „wie aus Bauklötzen zusammengesetzt, geometrisch, kantig, genau“.[11]
- Grabmal Basalt-Lava, Maße: H 102, B 48, T 12 cm, 2016 Hauptfriedhof Krefeld
- Totenkopfhaus, Basalt-Lava, 2015, 117 × 72 × 16 cm auf gemauertem Backsteinsockel, Mönchengladbach
- Torso, Basalt-Lava, 2001 75 × 112,5 × 100 cm, Mönchengladbach
Literatur (Auswahl)
- Helge Draefz: Per Simulation zur Dissuasion wider die Simulation. Zu den Arbeiten von Wolfgang Hahn. In: Juni. Magazin für Kultur & Politik. 4. Jg. Nr. 1 1990, S. 101–116
- Armin Kaumanns: Baukasten. Wolfgang Hahn im Portrait. In: IHK Magazin 08.07. Wirtschaftsnachrichten der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein.
- Harry Kramer: Zum Projekt „Fliegenfänger“ von Wolfgang Hahn. In: Atelier Kramer 1970–1985. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Kunsthalle zu Kiel und Schleswig-Holsteinischen Kunstverein, Kiel 1985, S. 112, 113
- Christian Krausch: Homo ludens. In: Wolfgang Hahn. Ausstellungskatalog Städtisches Museum Schloss Rheydt 2000
- Stephan Oettermann: Fliegenfallen. Versuch eines historischen Kommentars zu den Objekten von Wolfgang Hahn. In: Prisma. Zeitschrift der Gesamthochschule Kassel. Nr. 23, Juni 1980, S. 76, 77
- Heiner Scheepers: Wolfgang Hahn Phantomskulpturen. In: Kunstverein Lingen (Hrsg.): 13 im Professorenhaus. Lingen 1998, S. 36–38
- Henry Wiencek: The World of LEGO-Toys. New York 1987, S. 121–124
Ausstellungen (Auswahl)
- 1978: Produzentengalerie, Mönchengladbach
- 1979: Erwin-Piscator-Haus, Marburg
- 1995: Neuer Aachener Kunstverein, Aachen
- 2000: Museum Schloss Rheydt, Rheydt
- 2004: Städtisches Kramer-Museum im Kulturforum Franziskanerkloster, Kempen
- 2005: Kunstverein Region Heinsberg, Jubiläumsausstellung, 20 × 20
- 2007: Kunstverein Region Heinsberg, Objekte
- 2014: Wolfgang Hahn: Skulpturen., Universität Bielefeld, Zentrum für interdisziplinäre Forschung[12]
- 2016: „Wolfgang Hahn, Skulpturen“, Künstlerzeche Unser Fritz, Herne
- 2018: „sträwrov ist vorwärts rückwärts – WH zum 65.“, EA 71, Mönchengladbach[13]
Weblinks
- Homepage Wolfgang Hahn
- c/o kunst in und aus mönchengladbach: Wolfgang Hahn, abgerufen am 10. Februar 2017
Einzelnachweise
- Bunter Garten Mönchengladbach: Kunst im Park (abgerufen am 20. Oktober 2018)
- Wolfgang Hahn, abgerufen am 13. Mai 2010
- Fliegenleim, abgerufen am 8. April 2018
- Wolfgang Hahn: Vom Handikap als Stilmittel und dem Inszenierten Zufall. Versuch einer kommentierenden Schrift. In: Zeitschrift für Kunstpädagogik 6 (1983), S. 52–56; S. 53. Zitiert nach: Helge Draefz: Per Simulation zur Dissuasion wider die Simulation. Zu den Arbeiten von Wolfgang Hahn. In: Juni, Magazin für Kultur & Politik 4. Jg. Nr. 1, 1990, S. 101–116 PDF
- Parallelaktion. Katalog zur Ausstellung des Kunstverein SILIXEN e.V., Bayreuth 2008, S. 32–35 u. S. 71
- Abbildung einer Rotgrün-Brille aus Pappe (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- Heiner Scheepers: Wolfgang Hahn Phantomskulpturen (1998) PDF
- Sitze und Bänke, abgerufen am 18. Mai 2010
- Christian Krausch: Homo ludens (2000) PDF
- Werkentwicklung einer Figur in zwei Teilen, abgerufen am 18. Mai 2010
- Dorothee Krings: Unterwegs in fernen Künstlergalaxien. In: Welt am Sonntag Nr. 38, 19. September 2004 PDF
- Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 8. September 2014.
- Ausstellungen