Wohngebiet
Deutsches Bauplanungsrecht
In Deutschland ist das Wohngebiet (W) eine der vier allgemeinen Arten der baulichen Nutzung. Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) definiert die Eigenschaften und Typen eines Wohngebietes, während die Bauleitplanung einer Gemeinde die Flächen ausweist, die als Wohngebiete genutzt werden. Ein Wohngebiet kann nach BauNVO in vier verschiedene Baugebiete (besondere Art der baulichen Nutzung) eingeteilt werden:
Kleinsiedlungsgebiet (WS)
- Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO – ein Baugebiet, das vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden und entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen dient.
Das Kleinsiedlungsgebiet ist ein Baugebiet mit besonderer Zweckbestimmung und Prägung und dient neben der eigentlichen Wohnnutzung in den Wohngebäuden, oder Mietshäusern auch der Selbstversorgung im Wirtschaftsteil des angemessen großen Grundstücks durch gartenbauliche Nutzung und Kleintierhaltung.
Die Selbstversorgung ist allerdings in den vergangenen Jahren zurückgegangen und an die Stelle der Nutztierhaltung weitgehend die Haltung von Kleintieren als Freizeitbeschäftigung getreten. Bei steigenden Lebenshaltungskosten kann sich dieser Trend wieder ändern und damit die Kleinsiedlung an Bedeutung gewinnen.
Reines Wohngebiet (WR)
- Reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO – ein Baugebiet, das nur dem Wohnen dient. Läden und nicht störende Handwerksbetriebe und kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, die zur Deckung des täglichen Bedarfs der Wohnbevölkerung dienen, sowie soziale Einrichtungen sind ausnahmsweise zulassungsfähig.
Ein Reines Wohngebiet dient als Baugebiet im Regelfall ausschließlich dem Wohnen. Andere Nutzungen sind sehr eingeschränkt und meist nur dann zulassungsfähig, wenn sie Versorgungs- oder Ergänzungsfunktion besitzen. Im Vordergrund steht die Wohnruhe: Auch bei einer durchaus angestrebten Nutzungsmischung soll das Reine Wohngebiet von wohnungsfremden Einflüssen weitgehend verschont bleiben.
Der Begriff des Wohnens ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet und umfasst alle mit der Führung eines Hausstandes verbundenen Tätigkeiten; dazu gehören auch die Nutzung von Kraftfahrzeugen und die damit verbundenen Störungen.
Für den mit dem Wohnen verbundenen Begriff der Häuslichkeit spielt es keine Rolle, ob die Bewohner in der zur dauerhaften Nutzung geeigneten Wohnung formal mit Erst- oder Zweitwohnsitz angemeldet sind und wie häufig sie sich dort aufhalten; auch selbst genutzte Ferienhäuser oder Ferienwohnungen fallen unter den Begriff des Wohnens.
Zu unterscheiden ist aber zwischen auf Dauer angelegtem Wohnen und temporärer Unterbringung: Formen der (angeordneten) Unterbringung in Heimen oder Unterkünften fallen im Regelfall nicht unter den Begriff des Wohnens und sind daher in einem Reinen Wohngebiet unzulässig.
In Bebauungsplänen werden Reine Wohngebiete (WR) aus Gründen der Verträglichkeit unterschiedlicher Nutzungen meist nur für deutlich abgegrenzte Einfamilienhausgebiete ausgewiesen. In der Regel werden Wohngebiete als Allgemeines Wohngebiet (WA) festgesetzt.
Allgemeines Wohngebiet (WA)
- Allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO – ein Baugebiet, das vorwiegend dem Wohnen dient. Außer Wohngebäuden sind „der Versorgung des Gebiets dienende“ Läden und Gaststätten sowie nichtstörende Handwerksbetriebe und Gemeinschaftseinrichtungen zulässig. Hotels, sonstiges nichtstörendes Gewerbe, Verwaltungsbauten, Gartenbaubetriebe und Tankstellen sind ausnahmsweise zulassungsfähig.
Das Allgemeine Wohngebiet dient als Baugebiet vorwiegend dem Wohnen. Dabei muss der Wohncharakter des Gebiets dem Betrachter trotz einer durchaus angestrebten Nutzungsmischung durch die Anzahl der Gebäude mit Wohnungen ins Auge fallen. Dabei umfasst das Allgemeine Wohngebiet eine breite Spanne von Wohnbaugebieten; die in dieser Art der baulichen Nutzung festgesetzten Baugebiete unterscheiden sich untereinander in ihrer städtebaulichen Dichte und den damit einhergehenden gebietstypischen Störfaktoren teils recht erheblich.
Neben dem Wohnen sind nur wohnverträgliche Nutzungen zulässig, die meist an die Versorgungsfunktion für das Gebiet geknüpft sind. Dabei werden die Gebäude teils ausschließlich zum Wohnen, teils aber auch gemischt genutzt durch Läden und nicht störende Handwerksbetriebe im Erdgeschoss, darüber liegende Büros und Praxen insbesondere für freie Berufe sowie natürlich Wohnungen in den Obergeschossen.
Besonderes Wohngebiet (WB)
- Gebiet zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (Besonderes Wohngebiet) nach § 4a BauNVO – ein Baugebiet, das vorwiegend dem Wohnen dient, in dem aber auch andere Nutzungen erhalten und fortentwickelt werden dürfen, die für das Wohngebiet typisch und mit der Wohnnutzung vereinbar sind. Zulässig sind Wohngebäude, Beherbergungs- und Gaststätten, sonstiges Gewerbe und Büros. Zentrale Verwaltungseinrichtungen, Vergnügungsstätten und Tankstellen sind ausnahmsweise zulassungsfähig. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass oberhalb eines bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind, oder dass in Gebäuden ein bestimmter Flächenanteil dem Wohnen zu verwenden ist.
Die Gebietskategorie Besonderes Wohngebiet dient der Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung in überwiegend bebauten Gebieten, die aufgrund der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung und der sonstigen vorhandenen nach § 4a Abs. 2 BauNVO im beabsichtigten Geltungsbereich zulässigen Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen. Durch diesen Bezug unterscheidet sich das Besondere Wohngebiet in der Systematik von den übrigen Baugebieten; es können hiernach nur solche Gebiete festgesetzt sein, auf die sämtliche der aufgeführten Tatbestandsmerkmale zutreffen.
Ähnlich den Urbanen Gebieten wird es sich bei dieser Gebietskategorie um verhältnismäßig dicht bebaute innerstädtische Gebiete mit einem hohen Anteil Wohnen bei gleichzeitiger Durchmischung durch Dienstleistungsbetriebe und kleinere Gewerbetreibende handeln, die sich aufgrund des besonderen Milieus („Eigenart“) trotz einer ablesbaren Tendenz zur Verdrängung des Wohnens oder der Abwanderung angestammter Bevölkerung nach dem erkennbaren Planungsziel der Gemeinde langfristig als Wohnstandort zu erhalten lohnen. Aufgrund der durch unterschiedliche Nutzungen geprägten Gemengelage lassen sich diese Altbaugebiete weder eindeutig als Mischgebiet, noch als Allgemeines Wohngebiet einordnen.
In Bebauungsplänen kommt die Festsetzung eines Besonderen Wohngebiets (WB) nur in besonderen Fällen zur Anwendung. Neugeplante Wohngebiete sind als Kleinsiedlungsgebiet, reines Wohngebiet oder im Regelfall als allgemeines Wohngebiet festgesetzt.
Literatur
- Carl Fickert, Herbert Fieseler: Baunutzungsverordnung. Kommentar unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und gemeinschaftlichen Umweltschutzes mit ergänzenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften. 11. Auflage (2008), Verlag: Kohlhammer. ISBN 3-17-020174-3.
- Ronald Kunze: Stichwörter Kleinsiedlungsgebiet, Reines Wohngebiet, Allgemeines Wohngebiet, Besonderes Wohngebiet. in Bauordnung im Bild. Kissing 2008. ISBN 3-8277-2616-6.