Wilhelm Seidensticker
Leben
Seidensticker absolvierte ein Praktikum und studierte ab 1929 an der Technischen Hochschule Hannover bei Ernst Vetterlein und Otto Blum. 1933 schloss er sein Studium an der Technischen Hochschule Graz mit dem akademischen Grad Dipl.-Ing. ab. Von 1934 bis 1937 war er beim Baudezernat der Stadt Bochum tätig. 1936 promovierte er über Radwegeplanung unter besonderer Berücksichtigung des Ruhrgebietes. Im Jahr darauf machte er sich selbstständig. Während des Zweiten Weltkriegs war er ab 1941 als Regierungsbaurat bei der Luftwaffe in Norwegen[2] und Finnland tätig.[3]
Er geriet in Kriegsgefangenschaft und kehrte 1947 nach Bochum zurück. 1948 war er am Wiederaufbauplan für Wattenscheid maßgeblich beteiligt.[3]
Später ließ er sich in Essen nieder.[2] In den 1960er Jahren arbeitete er mit dem Diplom-Ingenieur Heinz Budde in einer Architektengemeinschaft zusammen.[4]
Von 1959 bis 1981 veröffentlichte er vier Bücher zum Thema Stadtplanung. Er lebte in Essen und in Südfrankreich.[2]
Bauten
Zu Seidenstickers Bauten gehören das 1952 fertiggestellte und in den 1980er Jahren abgerissene, zweistöckige Gebäude der Milchbar im Grugapark in Essen, die Siedlung Essen-Katernberg, die große Trauerhalle auf dem Zentral-Friedhof Freigrafendamm in Bochum, das Bürohaus und die Produktionshalle in der Essener Straße 80 in Bochum sowie das einstige Verwaltungsgebäude des Bochumer Vereins in der Alleestraße 156 in Bochum (Thyssen-Krupp-Haus).[5] Letzteres gilt als das erste wirkliche Hochhaus der Stadt, das nach dem Krieg errichtet wurde. Es wurde 1961 geplant und in den Jahren 1963/64 errichtet. Das Land Nordrhein-Westfalen und seine Architektenkammer beurteilten den Bau einst als vorbildlich. Es ist nicht denkmalgeschützt.[6]
Zusammen mit Johannes Dorsch gestaltete Seidensticker den Wiederaufbau des Grillo-Theaters im Stil des Neuen Bauens in Essen, das 1950 seiner Bestimmung übergeben wurde.[7]
Auch der erste Neubau einer katholischen Kirche in Essen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Kirche St. Mariä Geburt (siehe Liste von Sakralbauten in Essen) in Frohnhausen erfolgte ab 1951 nach seinem Entwurf.[8]
1954 bis 1956 wurde das Scheiben-Wohnhochhaus Kaupenhöhe in der Hölderlinstraße 2 in Essen errichtet. Seidensticker hatte 181 Mietwohneinheiten in Appartementgröße geplant, die mittlerweile zum Teil zusammengelegt worden sind.[9] Am 26. November 2019 wurde es unter Denkmalschutz gestellt.[10]
Relativ konservativ gestaltete er das Rathaus von Waltrop, das 1955/56 gebaut wurde.[11]
Einen Wettbewerb um die Weiterentwicklung der Arbeiterwohnsiedlung Margarethenhöhe in Essen, der in den 1950er Jahren ausgeschrieben wurde, gewann Seidensticker. Sein Entwurf wurde allerdings mehrmals geändert, ehe die Gebäude errichtet wurden. Karl-Heinz Krüger fällte 1982 ein vernichtendes Urteil über das Ergebnis: „Der Murks, der da in 20 Jahren Baufummelei entstand, steht als Exempel für die Unfähigkeit aller am Nachkriegs-Wohnbau Beteiligten – nur die borniertesten Baubürokraten und Architekten konnten so unverfroren an Bewährtem vorbei bauen.“[12]
Weblinks
Einzelnachweise
- Historisches Architektenregister, auf www.kmkbuecholdt.de
- Seidensticker, Wilhelm. auf www.nrw-architekturdatenbank.tu-dortmund.de
- Hans H. Hanke: Erschütternd auf den Besucher wirken. auf www.bochum.de
- 100 Jahre Volkshochschule Essen. auf www.hv-essen.de
- Bauten von Wilhelm Seidensticker in Bochum auf www.ruhr-bauten.de
- Tim Walther, Kein Denkmalschutz für die Nachkriegsmoderne?, auf www.ruhrbarone.de
- Vortrag „Das Grillo-Theater 1950: Die Architekten Wilhelm Seidensticker und Johannes Dorsch“. Peter Brdenk berichtet anlässlich der Reihe „125 Jahre Grillo-Theater“ in Essen, auf bda-essen.de
- St. Mariä Geburt. Pfarrgemeinde St. Antonius, abgerufen am 20. Dezember 2019.
- Von der Versuchssiedlung – zum Scheiben Wohnhochhaus, auf media.essen.de
- Auszug aus der Denkmalliste der Stadt Essen: Wohnhochhaus, Hölderlinstraße, Essen; abgerufen am 20. Dezember 2019
- Rathaus Waltrop, auf bigbeautifulbuildings.de
- Karl-Heinz Krüger, Glückliche Lösung, in: Der Spiegel 11, 1982, S. 228–235, hier S. 228 (Digitalisat)