Wilfried Schreiber (Militärökonom)

Wilfried Schreiber (* 1937 i​n Dresden)[1] i​st ein deutscher Ökonom, Philosoph, Friedensforscher u​nd ehemaliger Oberst d​er Nationalen Volksarmee.

Er w​ar Ökonomie-Professor a​n der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ d​er NVA d​er DDR i​n Berlin-Grünau u​nd vordem Hochschullehrer a​n der Offiziershochschule d​er Luftstreitkräfte/Luftverteidigung „Franz Mehring“ i​n Kamenz.[2] Schreiber i​st Senior Research Fellow i​m WeltTrends-Institut für Internationale Politik, Potsdam.[3]

Leben

Herkunft und Ausbildung

Wilfried Schreiber w​urde 1937 i​n Dresden geboren. Nach d​em Abitur (1955) t​rat er freiwillig i​n die Kasernierte Volkspolizei (KVP) d​er DDR ein. Er w​urde Anfang 1956 i​n die Nationale Volksarmee (NVA) d​er DDR übernommen u​nd wurde 1959 z​um ersten Offiziersdienstgrad ernannt.

Laufbahn

Im Dezember 1960 begann e​r seinen Truppendienst i​m Kommando d​er Luftstreitkräfte/ Luftverteidigung (LSK/LV) d​er DDR, w​o er a​uf allen Führungsebenen tätig war. Berufsbegleitend absolvierte Schreiber v​on 1963 b​is 1968 e​in Fernstudium a​n der „Karl-Marx-Universität“ Leipzig, d​as er a​ls Diplomlehrer abschloss.

Schreiber w​urde 1975 z​um ersten akademischen Titel Doktor d​er Philosophie (Dr. phil.) promoviert. Im gleichen Jahr begann s​eine wissenschaftliche u​nd Hochschullehrer-Laufbahn a​n der Offiziershochschule d​er LSK/LV „Franz Mehring“ i​n Kamenz, d​ie er a​b 1978 a​n der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ d​er NVA (MPHS)[4] i​n Berlin-Grünau fortsetzte.

Eine externe, außerplanmäßige Aspirantur a​n der Militärakademie „Friedrich Engels“ i​n Dresden führte 1985 m​it der Promotion B z​um Doktor d​er Ökonomischen Wissenschaften (Dr. sc. oec.). An d​er Militärpolitischen Hochschule w​urde Schreiber i​m Lehrstuhl Politische Ökonomie u​nd Militärökonomie z​um (Hochschul-)Dozenten (1987) s​owie zum außerordentlichen Professor (1988) berufen.[5]

Wilfried Schreiber w​urde im Zuge d​er Herstellung d​er Einheit Deutschlands vorläufig i​n der Bundeswehr weiterverwendet u​nd am 31. Dezember 1990 a​us dem Dienstverhältnis entlassen. Er w​ar von 1991 b​is 2002 i​n einem größeren deutschen Consultingunternehmen tätig.[1]

Wirken in Friedensforschung und Friedensbewegung

Anfang d​er 1980er Jahre begann s​eine Mitarbeit i​m Redaktionsbeirat d​er außenpolitischen Zeitschrift IPW-Berichte s​owie im DDR-Komitee für Europäische Sicherheit u​nd Zusammenarbeit. Schreiber w​ar Mitglied i​m Beirat für Weltraumfragen d​es Friedensrates d​er DDR u​nd arbeitete i​n der Sektion Raumfahrt b​eim Präsidium d​er URANIA d​er DDR s​owie in d​er Gesellschaft für Weltraumforschung u​nd Raumfahrt d​er DDR (GWR) – a​ls Leiter d​er Arbeitsgruppe „Militärische Aspekte d​er Raumfahrt“.[6]

Wilfried Schreiber w​ar seit 1987 Teilnehmer a​m deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog zwischen SPD (West)[7] u​nd SED, b​ei dem Egon Bahr m​it seinen Ideen für e​in „gesamteuropäisches System d​er gemeinsamen Sicherheit“ u​nd der „Entmilitarisierung d​er Sicherheit“ wichtige Anregungen für d​ie Friedensforschung i​n der DDR vermittelte.[8]

Schreiber w​urde 1988 a​ls Mitglied i​n den Wissenschaftlichen Rat für Friedensforschung (WRF) a​n der Akademie d​er Wissenschaften d​er DDR berufen.[9][10]

Er w​ar 1989/90 Mitglied d​er Kommission z​ur Ausarbeitung e​iner neuen Militärdoktrin d​er DDR u​nd an d​er Ausarbeitung d​er Verteidigungspolitischen Leitlinien a​m „Runden Tisch“ b​eim Verteidigungsminister d​er DDR beteiligt.[11]

Schreiber i​st seit 1990[6] i​m Arbeitskreis Darmstädter Signal (Ak-DS)[12] u​nd im Vorstand dessen Förderkreises (FöK-DS)[13] tätig.[14]

Er arbeitet i​m Verband für Internationale Politik u​nd Völkerrecht e. V. (VIP)[15] s​owie im Gesprächskreis Frieden u​nd Sicherheitspolitik d​er Rosa-Luxemburg-Stiftung e. V. Schreiber w​ar an zahlreichen Workshops (2002–2013) d​es Militärgeschichtlichen Forschungsamtes d​er Bundeswehr (MGFA) z​ur Militärgeschichte d​er NVA u​nd der Bündnisstreitkräfte beteiligt.

Schreiber w​urde 2002 reguläres Mitglied d​er Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS), w​ar Vorstandsmitglied (2005–2016)[16] u​nd publizierte e​ine Vielzahl eigener Beiträge für d​ie DSS-Arbeitspapiere.[17]

Schreiber publiziert z​u aktuellen friedens- u​nd sicherheitspolitischen Problemen b​eim außenpolitischen Journal WeltTrends u​nd ist i​n dessen wissenschaftlichen Beirat[18] u​nd publiziert dort[19] a​ls berufener Senior Research Fellow i​m WeltTrends-Institut für Internationale Politik (IIP).[20] Er schreibt für Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst u​nd Wirtschaft.[21]

Literatur

  • Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog 1987–1990. Ein Zeitzeugenbericht. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005, 129 S. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340232
  • Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, 114 S. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340248

Veröffentlichungen (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Siehe biographische Daten von Wilfried Schreiber als Vorbemerkung. In: Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, S. 5–8. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340248
  2. Siehe biographische Daten von Wilfried Schreiber: Die Mitglieder der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. In: Für Entmilitarisierung der Sicherheit. 25 Jahre Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. Ein Resümee. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 115, Dresden 2015, S. 160. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-321465
  3. Siehe Fellows im Institut für Internationale Politik (IIP), Potsdam:
  4. Abkürzung in: ZMSBw: Standortdatenbank NVA und GT/DDR.
  5. In der DDR gehörten seit der Hochschulreform von 1968 (Hochschul-)Dozenten und Professoren zur Gruppe der vom Minister für das Hoch- und Fachschulwesen berufenen Hochschullehrer. Siehe: Hochschullehrerberufungsverordnung (HBVO) vom 6. November 1968, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil II, S. 997–1003.
  6. Siehe biographische Angaben aus dem Interview mit Wilfried Schreiber am 18. Mai 2020.
  7. Siehe Zitat aus: Ilse Fischer: Die SPD (West) und die deutsche Einheit 1989/90. In: (Hrsg.) Bundeszentrale für politische Bildung: Berlin 2017, 31. Januar, Online-Paper. Abruf 28. Mai 2020. URL: . „Unter dem Eindruck der sowjetischen Aufrüstung mit SS-20-Raketen und dem NATO-Doppelbeschluss von 1979 propagierte die SPD [West] ein umfassendes Konzept der gemeinsamen Sicherheit. Auch nach der Regierungsübernahme durch die Koalition von CDU, CSU und FDP unter Helmut Kohl im Oktober 1982 […] arbeitete die SPD mit der SED weiter an sicherheitspolitischen Konzepten. [Hervorheb. d. A.] 1987 erschien die von der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee (ZK) der SED herausgegebene Schrift "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit". Sie enthielt die Zusicherung, dass keine Seite der anderen die Existenzberechtigung absprechen dürfe. Allerdings betonte das Papier auch, dass eine offene Diskussion über den Wettbewerb der Systeme und deren Vorzüge und Nachteile innerhalb jedes Systems möglich sein müsse.“
  8. Siehe Treffen mit Egon Bahr und dem IFSH. In: Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog 1987–1990. Ein Zeitzeugenbericht. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005, S. 24–26. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340232
  9. In den Wissenschaftlichen Rates für Friedensforschung (WRF) an der Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik wurden mit Gründung im Oktober 1987 Generalmajor Prof. Dr. Rolf Lehmann und nachfolgend weitere fünf Wissenschaftler in Uniform (der NVA), darunter Kapitän zur See Prof. Dr. Wolfgang Scheler und Oberst Prof. Dr. Wilfried Schreiber, berufen. In: Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (Hrsg.): Gemeinsame Sicherheit – ein schwieriger Prozess. Prof. Dr. Rolf Lehmann zum 70. Geburtstag. DSS-Arbeitspapiere, Heft 70, Dresden 2004. S. 29–30, 47–49.
  10. Wilfried Schreiber: Als Offizier und Wissenschaftler der NVA im deutsch-deutschen sicherheitspolitischen Dialog. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen. In: Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (Hrsg.): DSS-Arbeitspapiere, Heft 75, Dresden 2005. S. 8–19.
  11. Der Runde Tisch beim Verteidigungsminister – Die Erarbeitung von Militärpolitischen Leitsätzen der DDR (Dezember 1989 bis März 1990). In: Wilfried Schreiber: Von einer Militärdoktrin der Abschreckung zu Leitsätzen entmilitarisierter Sicherheit (1987–1990). Ein Zeitzeugenbericht. DSS-Arbeitspapiere, Heft 86, Dresden 2007, S. 31–61.
  12. Arbeitskreis Darmstädter Signal. Satzung in: Abruf 14. Oktober 2021.
  13. Der Förderkreis DS mit mehr als 200 zum Teil prominenten Mitgliedern unterstützt seit 1986 den Ak-DS ideell und materiell. In: Ak-DS Über uns. Struktur und Arbeitsabläufe. Abruf 14. Oktober 2021.
  14. Vorstand des Förderkreises. Stellvertretender Vorsitzender Prof. Dr. Wilfried Schreiber. In: Ak-DS Der Förderkreis. Abruf 14. Oktober 2021.
  15. Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e. V. (VIP). In: Abruf 14. Oktober 2021.
  16. Die Mitglieder der Studiengemeinschaft. Schreiber, Wilfried. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V., DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2010, Heft 100, S. 147–149 und S. 160.
  17. Autoren der DSS-Arbeitspapiere. Schreiber, Wilfried. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V., DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2010, Heft 100, S. 302.
  18. WeltTrends, wissenschaftlicher Beirat
  19. WeltTrends Institut für Internationale Politik (IIP), Beiträge (online)
  20. Fellows im IIP. http://welttrends.de/institut/fellows/
  21. Beiträge von Wilfried Schreiber in: Das Blättchen. Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Zum Beispiel Nummer 18, August 2021.
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