Wenger
Wenger war ein 1893 gegründeter Schweizer Hersteller von Taschenmessern und Messern, der insbesondere als einer der beiden Originalhersteller des Schweizer Taschenmessers international bekannt war. Das Unternehmen wurde 2005 von dem Konkurrenten Victorinox übernommen. Seit 2013 ist Wenger im Victorinox-Sortiment nur noch der Markenname einer Armbanduhrenlinie für Damen und Herren sowie einer Gepäck- und Accessoire-Serie.
Wenger S.A. | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1893 |
Sitz | Delémont Schweiz |
Mitarbeiterzahl | 150 |
Website | www.wenger.ch |
Geschichte
Das Unternehmen wurde 1893 von Paul Boéchat unter dem Namen Paul Boéchat & Cie. gegründet. Sitz war die Gemeinde Courtételle im Schweizer Kanton Jura. 1895 wurde das Unternehmen von einer Investorengruppe aufgekauft und in Fabrique suisse de coutellerie S.A. umbenannt; 1900, nach der Fusion mit der Basler Besteckfabrik, in Schweizer Besteckfabrik. Gleichzeitig zog man in diesem Jahr in die Nachbargemeinde Delémont um, die bis heute Firmensitz geblieben ist.
1901 wurden erstmals Taschenmesser an die Schweizer Armee geliefert. Den Namen Wenger erhielt das Unternehmen im Jahr 1907, als Théo Wenger, der schon seit 1898 Direktor war, die Fabrik aufkaufte und sie in Wenger & Co. umbenannte. 1922 erhielt das Unternehmen den heutigen Namen Wenger S.A.[1]
2001 begann für Wenger ein wirtschaftlicher Abstieg, da infolge der Terroranschläge am 11. September 2001 die Mitnahme selbst kleiner Messer im Flugzeug-Handgepäck nahezu weltweit verboten wurde. Dementsprechend wurde auch der Verkauf solcher Messer in „Duty-Free-Shops“ auf Flughäfen eingestellt, die jedoch eine bedeutende Absatzquelle für Schweizer Messer darstellten.[2] Aufgrund des daraus resultierenden Gewinneinbruches geriet Wenger in finanzielle Schwierigkeiten. Konkurrent Victorinox erlebte mit einem Gewinneinbruch von 30 % dieselben Probleme, konnte aber aufgrund des höheren Gesamtumsatzes in der Gewinnzone bleiben.
2005 stand Wenger vor der Insolvenz und wurde von Victorinox, dem anderen Originalhersteller des Schweizer Taschenmessers, übernommen.[3] Ein Hauptgrund für diese Übernahme war nach Angaben von Victorinox der Verbleib von Wenger in eidgenössischer Hand, da man bei einem Kauf durch ausländische Investoren eine Rufschädigung für die berühmten Schweizer Messer befürchtete.[4] Wenger blieb trotz der Übernahme als eigenständige Marke erhalten und behielt Unabhängigkeit in Bezug auf Entwicklung, Produktion und Marketing seiner Produkte. Wenger und Victorinox traten am Markt nach wie vor als Konkurrenten auf.
2013 gab Victorinox bekannt, dass die Marke Wenger für Messer nicht mehr verwendet wird. Stattdessen würden alle Messer unter der Kernmarke Victorinox verkauft werden. Der Produktionsstandort für Messer in Delémont bliebe erhalten. Teile der bisherigen Messerkollektion würden als Victorinox Delémont-Kollektion unter dem Firmenlogo von Victorinox weitergeführt.[5][6]
Das seit 1988 bestehende Armbanduhrengeschäft am Produktionsstandort Pruntrut wird weiterhin unter der Marke Wenger fortgeführt. Zum Sortiment gehören Damen- und Herren-Armbanduhren im mittleren bis niedrigen Preisgefüge. Das Gleiche gilt auch für Lizenzprodukte wie Koffer, Reisezubehör und Ähnliches.[5] Auf diesen Produkten blieb das Wenger-Logo erhalten, das sich vom Victorinox-Logo durch seine nahezu quadratische Form mit abgerundeten Ecken unterscheidet.
Messer
Die wichtigsten Wenger-Produkte waren die Schweizer Messer – üblicherweise mit roten Kunststoff-Griffschalen – die zusammengeklappt eine Länge von 85 mm aufweisen. Seit 2004 versah Wenger seine Messer unter der Produktbezeichnung Evolution mit ergonomisch geformten Griffschalen, das Design stammte von den beiden Schweizer Designern Patrick Eppenberger und Paolo Fancelli; die klassischen flachen Griffschalen wurden allerdings weiterhin angeboten. Es gab auch Griffschalen in anderen Farben oder aus anderen Materialien. Ebenso wie Victorinox versah Wenger seine Taschenmesser mit dem Schweizerkreuz als Markenzeichen. Zu unterscheiden sind die beiden Marken dabei am Rahmen um dieses Kreuz: Wenger verwendet einen rechteckigen Rahmen, Victorinox einen wappenförmigen. Auf der Klinge ist zudem der Markenname zusammen mit einer angedeuteten Armbrust eingeprägt. Diese ist eine Anspielung auf den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell, ein der Legende nach meisterhafter Armbrustschütze.
Es gibt zahlreiche Varianten des Schweizer Messers von Wenger. Die einfachsten haben nur eine Klinge und ein Kombiwerkzeug, das als Kapselheber, Dosenöffner und Schraubenzieher fungiert. Die umfangreichsten Messer dagegen haben mehrere Dutzend Funktionen. Zudem gibt es Messer, die für spezielle Zielgruppen wie Radfahrer, Golfer oder Angler bestimmt sind. Im Gegensatz zu Victorinox bot Wenger einige seiner Schweizer Messer auch mit feststellbarer Backlock-Klinge an.
Neben den 85-mm-Messern existieren auch Schweizer Messer in anderen Grössen. Kleinere Messer haben zusammengeklappt eine Länge von 65 mm, grössere Messer – angeboten unter den Bezeichnungen Ranger, NewRanger und RangerGrip – eine von 127 mm. Die Klingen dieser grösseren Messer sind in der Regel mit Liner-Lock-System feststellbar. Einige Modelle der NewRanger- und RangerGrip-Linie sind einhändig zu öffnen, wodurch das Führen dieser Messer in Deutschland nach § 42a des deutschen Waffengesetzes eingeschränkt ist.
Mit dem Giant Knife 2007, einem 24 cm breiten, mit 87 Werkzeugen bestückten, 141 Funktionen bietenden und 1345 g schweren Taschenmesser sicherte sich Wenger 2007 den Eintrag für das weltgrösste Taschenmesser im Guinness-Buch der Rekorde.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern entwickelte Wenger mehrfach besondere Versionen seiner Schweizer Messer. Ab 1989 stellte das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Weltverband der Pfadfinder, der World Organization of the Scout Movement, das «offizielle Weltpfadfinder-Messer» (Official World Scout Knife) her.[7] 2000 wurde die Porsche-Design Linie veröffentlicht, welche mit einem speziellen Griffschalen-Design an die Sportwagen aus Deutschland erinnern sollte.[8] 2007 arbeitete Wenger mit dem Schweizer Segelteam Alinghi zusammen, um auf Basis der NewRanger-Linie spezielle Messer für Segler zu entwickeln, welche die Besatzung der Alinghi dann auch beim 32. America’s Cup 2007 mitführte.[9] Ebenfalls auf dem NewRanger basierend wurde in Zusammenarbeit mit dem Abenteurer und Umweltaktivisten Mike Horn ein ab 2009 erhältliches Messer entwickelt.[10]
Küchenmesser für den Privatgebrauch wurden von Wenger unter der Markenbezeichnung Grand Maître vertrieben, professionelle Berufsmesser wie Fleischermesser unter der Bezeichnung SWIBO. Ein traditionelles Erkennungsmerkmal der SWIBO-Messer ist der leuchtend gelbe Kunststoffgriff. Später standen auch andere Grifffarben zur Auswahl.
Die tägliche Produktion bei Wenger belief sich 2007 auf rund 22'000 Schweizer Messer, 5000 SWIBO-Messer und 1000 Grand-Maître-Messer.[11]
Weblinks
Einzelnachweise
- Wenger.ch: History (Memento vom 31. Mai 2009 im Internet Archive). Abgerufen am 24. Mai 2009.
- Leithold, R. (Zeit Online, 11. August 2005): Die dritte Hand.
- Handelsblatt (26. April 2005): Taschenmesser-Hersteller Victorinox kauft Wenger.
- Swissinfo.ch (26. April 2005): Victorinox: Hochzeit nach über 100 Jahren.
- Victorinox bündelt die Kräfte und integriert Wenger-Messergeschäft. Victorinox, 30. Januar 2013, abgerufen am 3. Dezember 2014.
- Ramona Krucker: Aus für Wenger-Messer. Neue Zürcher Zeitung, 31. Januar 2013, abgerufen am 3. Dezember 2014.
- Wenger.ch: Scout (Memento vom 29. April 2010 im Internet Archive). Abgerufen am 28. Juli 2010
- Wenger.ch: Porsche Design (Memento vom 27. April 2010 im Internet Archive). Abgerufen am 24. Mai 2009
- Wenger.ch: Alinghi SUI1 (Memento vom 24. Juli 2010 im Internet Archive). Abgerufen am 28. Juli 2010
- Wenger.ch Mike Horn Knife (Memento vom 24. Juli 2010 im Internet Archive). Abgerufen am 28. Juli 2010
- Wenger.ch (Juni 2007): Wenger Geschichte und BambooLine (Memento vom 14. Dezember 2007 im Internet Archive). Abgerufen am 25. Mai 2009.