Weiße Taubnessel
Die Weiße Taubnessel (Lamium album) ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Lippenblütengewächse (Lamiaceae) gehört. Sie hat im Gegensatz zur Brennnessel keine Brennhaare und ist auch nicht direkt mit ihr verwandt. Die Ähnlichkeit der Blattform zur Brennnessel hat jedoch der Gattung den deutschen Namensteil „Nessel“ eingebracht.
Weiße Taubnessel | ||||||||||||
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Weiße Taubnessel (Lamium album) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lamium album | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Die Weiße Taubnessel ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 20 bis 70 Zentimetern erreicht. Der Stängel ist vierkantig. Die kreuzgegenständig am Stängel angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die Blattspreite ist einfach.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von April bis Oktober. Die Blüten stehen in Scheinquirlen zusammen.
Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die weiße Blütenkrone ist zweilippig, wobei die Oberlippe behaart ist. Der Pollen ist hellgelb.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18.[1]
Ökologie
Die Weiße Taubnessel ist ein winterharter Hemikryptophyt. Die Pflanzenexemplare ist erst ab dem zweiten oder dritten Jahr blühfähig. Ihre Ausläufer überwintern meist grün und bilden im folgenden Jahr Blütensprosse.[2][3][4][5]
Ebenso wie die Rote Taubnessel, die Gefleckte Taubnessel und die Goldnessel gilt auch die Weiße Taubnessel als wichtige Nektar- und Pollenpflanze für Honigbienen. Die Bestäubung erfolgt jedoch überwiegend durch Hummeln, die aufgrund ihres langen Rüssels besser an den tiefliegenden Nektar der Blüte gelangen. Wie bei allen Lippenblütlern stellt das untere Blütenkronblatt einen idealen Anflugplatz für bestäubende Insekten dar. In der Kronröhre kann man einen Haarring sehen, der den Nektar schützt.
Blütenökologisch handelte es sich um nektarführende, homogame Lippenblumen. Die Weiße Taubnessel wird von Bienen und Hummeln bestäubt. Die Weiße Taubnessel enthält Saponine und Schleimstoffe.[2][3][4][5]
Vorkommen
Die Weiße Taubnessel ist in ganz Europa und Nordasien in den gemäßigten Gebieten verbreitet. In zahlreichen weiteren Ländern wie in Nordamerika oder Neuseeland ist sie ein Neophyt.[6]
Die Weiße Taubnessel wächst am Weg- und Wiesenrand sowie in Gräben, Hecken und auf Schuttplätzen. Sie gedeiht besonders auf stickstoffreichem Böden.
Nach Ellenberg ist die Weiße Taubnessel eine Halblichtpflanze, ein Frischezeiger, an übermäßig stickstoffreichen Standorten wachsend und ist in Mitteleuropa eine Verbandscharakterart der Klettenfluren (Arction lappae).[7] Sie kommt aber auch in Gesellschaften der Unterklasse Galio-Urticenea vor.[1]
In den Allgäuer Alpen steigt die Weiße Taubnessel im Tiroler Teil auf der Oberen Hochalpe unterhalb des Hohen Lichts bis zu einer Höhenlage von 1932 Metern auf.[8]
Die Weiße Taubnessel ist eine Ruderalpflanze, Archäophyt und Kulturfolger. Die Weiße Taubnessel ist sehr ausbreitungaktiv. Sie profitiert von der Eutrophierung der Landschaft durch Düngung und Verschmutzung mit organischen Materialien.
Verwendung als Nahrungsmittel und in der Volksmedizin
Als Expektorans (auswurfförderndes Mittel) bei Erkrankungen der Atemwege – also schleimlösend – sowie gegen Blähungen. Mittels Umschlägen der abgekochten Pflanze werden Hautschwellungen, Beulen, Krampfadern und Gichtknoten behandelt. Die Taubnessel wirkt schwach harntreibend. Eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung ist mittels Tierversuchen bewiesen worden. Diese Wirkung wird hauptsächlich gegen Entzündungen an der Mund- und Rachenschleimhaut verwendet.
Als Hauptwirkstoffe gelten Iridoidglykoside, hauptsächlich Lamalbid, neben Caryoptosid und den Albosiden A+B.
Früher wurden die jungen Pflanzenteile der Weißen Taubnessel als Gemüse gegessen.
Die Blüten der Weißen Taubnessel sind eine recht gute Bienenweide, von einem Hektar Taubnesseln können bis zu 190 kg Honig pro Vegetationsperiode erzielt werden.[9]
Inhaltsstoffe
Die Weiße Taubnessel enthält Gerb- und Schleimstoffe sowie Cholin, Saponine und in geringen Mengen ätherische Öle.[10] In den Blüten finden sich Iridoide sowie weitere Terpene.[11]
Systematik
Die Erstveröffentlichung von Lamium album erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Band 2, S. 579.[12] Ein Homonym ist Lamium album Desf., veröffentlicht in René Louiche Desfontaines: Flora Atlantica, 2, 1798, S. 18. Synonyme für Lamium album L. sind Lamium dumeticola Klokov und Lamium petiolatum Royle ex Benth.[13]
Manche Autoren unterscheiden folgende Unterarten (Stand 2003):[6]
- Lamium album L. subsp. album: Sie kommt ursprünglich von Europa bis China und zur Mongolei vor.[6] In Nordamerika und in Neuseeland ist sie ein Neophyt.[6]
- Lamium album subsp. barbatum (Siebold & Zucc.) Mennema (Syn.: Lamium barbatum Siebold & Zucc., Lamium album var. barbatum (Siebold & Zucc.) Franch. & Sav.): Sie kommt vom fernöstlichen Russland bis Japan, China und Korea vor.[6] Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18.[14]
- Lamium album subsp. crinitum (Montbret & Aucher ex Benth.) Mennema (Syn.: Lamium crinitum Montbret & Aucher ex Benth.): Sie kommt von der Türkei bis zum Himalaja vor.[6]
Weblinks
- Lamium album L., Weiße Taubnessel. FloraWeb.de
- Weiße Taubnessel. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Lamium album L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 16. Februar 2016.
- Die Verbreitung auf der Nordhalbkugel.
- Thomas Meyer: Taubnessel Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
Einzelnachweise
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001, ISBN 3-8001-3476-4, Seite 803.
- Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6. (Abschnitt Ökologie)
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7. (Abschnitt Ökologie)
- Wilfried Stichmann, Ursula Stichmann-Marny: Der neue Kosmos-Pflanzenführer. Kosmos, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07364-5. (Abschnitt Ökologie)
- Margot Spohn, Marianne Golte-Bechtle: Was blüht denn da? Die Enzyklopädie: über 1000 Blütenpflanzen Mitteleuropas. Kosmos, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-10326-9 (Abschnitt Ökologie).
- Rafaël Govaerts, 2003: World Checklist of Selected Plant Families Database in ACCESS: 1-216203. The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew. Rafaël Govaerts (Hrsg.): Lamium album. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 26. April 2020.
- Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht (= UTB für Wissenschaft. Große Reihe. Band 8104). 5., stark veränderte und verbesserte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1996, ISBN 3-8252-8104-3.
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 396.
- Enoch Zander, Albert Koch (Begr.), Josef Lipp: Handbuch der Bienenkunde – Der Honig. 3., neubearb. Aufl., Eugen Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-7417-0, S. 38.
- Lamium album bei Plants For A Future, abgerufen am 26. April 2020.
- Rainer Ahlborn: Lamalbid, ein neues Iridoid und weitere Terpene aus den Blüten von Lamium album L. Universität Würzburg, 1974.
- Erstveröffentlichung eingescannt bei biodiversitylibrary.
- Lamium album bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis.
- Lamium album var. barbatum bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis.