Weender Bummel
Der Weender Bummel war ein regionaler studentischer Brauch, der im 19. Jahrhundert in Göttingen entstand und bis in die frühen 1930er Jahre hinein lebte.
Der Bummel fand als sog. Weender Bummel[1] jeden Sonntag, später dann auch samstags, von elf bis gegen ein Uhr mittags statt und verlieh der Weender Straße in Göttingen das Flair einer Kurpromenade. Dabei lief er stets nach einem bestimmten Muster ab: Er begann immer nach Ende der Gottesdienste, setzte auf der Ostseite der Weender Straße am Göttinger Nabel ein und ging bis zur Ecke der Roten Straße. Die angrenzenden Straßenabschnitte vor den Kirchen mussten ausgespart bleiben, da dort Sonntagsruhe zu herrschen hatte. Die andere Straßenseite der Weender Straße war als Groner oder Zehnpfennigseite verpönt und wurde den nicht akademischen Bürgern überlassen.
In der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg waren es vor allem die farbentragenden Verbindungsstudenten, die gemächlich im Gespräch die Weender Straße entlang bummelten und ab und zu für ein mehr oder weniger anspruchsvolles Gespräch stehen blieben; wer sehen und gesehen werden wollte, der ging auf den Weender Bummel. Erich Hückel schreibt dazu: Bei diesem flanierten die Studenten auf der Straße hin und her und begrüßten sich bei der xten Begegnung zum xten Mal.[2] Spaßeshalber wurden die Frauen, die sich auf dem Weender Bummel befanden, wegen ihrer Vorliebe für das Schaufensterbetrachten von den Studenten als Verkehrshindernis bezeichnet.
Der Weender Bummel blühte nach dem Ersten Weltkrieg, in den goldenen Zwanzigern, noch einmal für einige Jahre auf. Er fand jedoch zu Beginn der 1930er Jahre ein jähes Ende, als diese gemütliche und zwanglose Art der bürgerlichen Kommunikation den organisierten Massenaufzügen der NS-Zeit weichen musste.
Literatur
- Walter Nissen, Waldemar Röhrbein: Göttingen so wie es war. Düsseldorf 1975, S. 32 ff.
Einzelnachweise
- Günther Heye: Nachzügler. Stuttgart 1919, S. 120.
- Erich Hückel: Ein Gelehrtenleben. Ernst und Satire. Weinheim 1975, S. 68.