Walter Lohmann (Marineoffizier)
Walter Lohmann (* 30. Dezember 1878 in Bremen; † 29. April 1930 in Rom) war ein deutscher Kapitän zur See der Reichsmarine, nach dem die gleichnamige Affäre benannt ist, die zum Rücktritt des Reichswehrministers Otto Geßler und zur Entlassung des Chefs der Reichsmarine Hans Zenker führte.
Leben
Walter Lohmann war der jüngere Sohn des Direktors der Norddeutschen Lloyd Johann Georg Lohmann (1830–1892) und dessen Ehefrau, der Engländerin Clarissa, geborene Frost (1838–1920). Nach dem Schulbesuch trat er am 7. April 1897 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein und war nach seiner Offiziersausbildung zweimal zu Auslandseinsätzen im Fernen Osten. So ab 1903 auf dem Kanonenboot Tiger und ab 1910 als Kompanieführer in der deutschen Kolonie Tsingtau. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war er als Korvettenkapitän I. Artillerieoffizier an Bord des Großlinienschiffes Prinzregent Luitpold. Im März 1918 erfolgte seine Versetzung in das Reichsmarineamt, wo er nach dem Kriegsende ab Dezember 1918 in der Seetransportabteilung tätig war.[1]
Als Vertreter der Seetransportabteilung im Allgemeinen Marineamt nahm Lohmann 1919 an den maritimen Waffenstillstandsverhandlungen teil und wurde am 28. Oktober zum Leiter der Seetransportabteilung (BS) ernannt. Vom Chef der Marineleitung, Admiral Paul Behncke, erfuhr er eine deutliche Förderung seiner Person und des Arbeitsgebietes.
Das Bemühen Lohmanns bestand darin, seine Dienststelle mit zahlreichen, alleinstellenden Entscheidungsbefugnissen auszustatten. Lohmann stieg am 8. März 1920 zum Fregattenkapitän auf. Während der Ereignisse des Kapp-Putsches 1920 weilte er zu einer Dienstreise in London und war dadurch nicht kompromittiert. Er avancierte am 1. Januar 1922 zum Kapitän zur See. Auf seine Initiative hin wurde im Frühjahr 1922 ein Konstruktionsbüro eröffnet, dass sich auf den Bau von U-Booten spezialisieren sollte. In wenigen Jahren erstreckten sich seine internationalen Aktivitäten auf zahlreiche Länder, zu denen Argentinien, Dänemark, England, Finnland, Japan, Mexiko, die Niederlande, Schweden, die Schweiz, die Sowjetunion, Spanien und die Türkei zählten. Kurze Zeit später weitete Lohmann seine Bemühungen um geheime Rüstungsprojekte aus. Während der Ruhrbesetzung durch französische Truppen wurde eine Aufrüstung der deutschen Streitkräfte in größerem Rahmen angestrebt. Wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages wurde die Planung und Realisierung der entsprechenden Maßnahmen unter strenger Geheimhaltung eingeleitet und durchgeführt. Unter der Prämisse, dass Lohmann bei Entdeckung als alleinverantwortlich gelten würde, wurde er mit der Entwicklung von Konzepten für eine Aufrüstung der Reichsmarine beauftragt. Hierfür stellte ihm die Reichsregierung einen geheimen Etat zur Verfügung. In der Folge wandte Lohmann diese Geldmittel nicht nur primär zur Entwicklung und Beschaffung von Ausrüstung und Material auf.[2] Er investierte ebenfalls in nur indirekt mit den Interessen der Marine verbundene Projekte, wie fleischwarenherstellende Industrie oder eine Filmproduktionsfirma.
Eine sehr enge Zusammenarbeit verband ihn mit dem Chef des Stabes der Marineleitung Korvettenkapitän Wilhelm Canaris. Anfang 1927 tauchten erste Informationen über eine deutliche finanzielle Schieflage der Seetransportabteilung auf. In mehreren Artikeln im Berliner Tageblatt ab 8. August 1927 wurde dann für die Öffentlichkeit sichtbar, dass in seinem Arbeitsbereich schwarze Kassen existierten, Bestechungsgelder gezahlt und geheime Rüstungsaufträge realisiert wurden.[3] Daraufhin wurde am 13. August 1927 der Präsident des Reichsrechnungshofes Friedrich Saemisch mit entsprechenden Untersuchungen beauftragt. Im Ergebnis durchgeführter Stichproben wurde Lohmann am 23. März 1928 seines Postens enthoben. Nachfolger als Abteilungsleiter wurde sein bisheriger Stellvertreter Rudolf Lahs.[4]
Am 31. März 1928 schied Lohmann aus der Marine aus. Für die in seinem Verantwortungsbereich begangenen Rechtsverletzungen wurde er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen, sondern nur mit gekürzten Pensionen in den Ruhestand versetzt.
Bei einer Dienstreise nach Italien verstarb Walter Lohmann am 29. April 1930 in Rom im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt.[5]
Literatur
- Lutz Budraß: Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutschland 1918–1945 (= Schriften des Bundesarchivs. Bd. 50). Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-1604-1 (Teilweise zugleich: Bochum, Universität, Dissertation, 1995)
- Werner Rahn: Reichsmarine und Landesverteidigung 1919–1928. Bernhard & Graefe Verlag für Wehrwesen, München, 1976
- Bernd Remmele: Die Lohmann Affäre. Geheime Rüstungsmaßnahmen der Reichsmarine in den Zwanziger Jahren. MA der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
- Bernd Remmele: Die maritimen Geheimrüstungen unter Kapitän zur See Lohmann. Pädagogische Hochschule Freiburg, 1997
- Ernst Schneller: Der Phöbus-Skandal. Korruption und Geheimrüstung. Internationaler Arbeiter Verlag, Berlin 1928.
- Kurt Stöckel: Die Entwicklung der Reichsmarine nach dem Ersten Weltkriege (1919–1935) – Äußerer Aufbau und innere Struktur. Dissertation an der Georg-August-Universität Göttingen, 1954
Weblinks
- Literatur von und über Walter Lohmann in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Zeitungsartikel über Walter Lohmann in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Einzelnachweise
- Marine-Offizier-Verband (Hrsg.), Albert Stoelzel: Ehrenrangliste der Kaiserlich Deutschen Marine. 1914–18. Thormann & Goetsch, Berlin 1930, S. 166.
- Wilhelm Treue, Werner Rahn, Eberhard Möller: "Deutsche Marinerüstung 1919-1942. Die Gefahren der Tirpitz-Tradition", Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Herford und Bonn 1992, ISBN 3 8132 0386 7, Seite 46
- Ernst Schneller: Der Phöbus-Skandal. Korruption und Geheimrüstung. Internationaler Arbeiter Verlag, Berlin 1928.
- Bernd Remmele: Die maritimen Geheimrüstungen unter Kapitän zur See Lohmann. Pädagogische Hochschule Freiburg, 1997, S. 12ff.
- Kapitän Lohmann gestorben. In: Vorwärts vom 2. Mai 1930