Walter Bitterlich

Walter Bitterlich (* 19. Februar 1908 i​n Reutte, Tirol; † 9. Februar 2008 ebenda[1]) w​ar ein österreichischer Forstwissenschaftler. Er widmete s​ich insbesondere d​er Entwicklung optischer Geräte u​nd Methoden z​ur Waldinventur.

Leben

Walter Bitterlich w​ar der Sohn d​es Forstmeisters Ernst Bitterlich u​nd dessen Frau Maria geb. Wachtel.[2] Trotz seiner Herkunft a​us einfachen Verhältnissen gelang e​s ihm, e​in Studium a​n der Wiener Hochschule für Bodenkultur aufzunehmen, d​ass er 1930 a​ls Diplomingenieur d​er Forstwirtschaft abschloss. 1933 folgte d​ie Staatsprüfung für d​en höheren Forstdienst.[3] Da e​r anschließend k​eine Stelle fand, arbeitete e​r zunächst a​ls unbezahlter Volontär b​ei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) b​is diese i​hn 1935 regulär anstellten. Seine Arbeit i​n dieser Zeit umfasste Taxation, Vermessung u​nd Kartografie b​ei der Mayr-Melnhofschen Forstverwaltung.[4]

Im Nationalsozialismus

Bitterlich war bereits am 14. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten (Mitgliedsnummer 1.618.531)[5]. Die NSDAP-Ortsgruppe in Steinbach am Attersee bestätigte ihm, „politisch vollkommen einwandfrei“ zu sein. Auch ein Gutachten des Gauamtes attestierte Bitterlich, „schon vor dem Umbruch nationalsozialistisch ausgerichtet“ gewesen zu sein. Solches Lob war für eine Karriere im öffentlichen Forstdienst, in dem 1937 drei von vier Beschäftigten der NSDAP angehörten,[6] unerlässlich. Er erhielt Beamtenstatus und durfte, 30 Jahre nach seinem Vater, als Forstmeister seiner Heimatgemeinde Reutte forsten.[7] 1942 wurde Bitterlich zum Kriegsdienst einberufen. Nach einem Jahr an der Ostfront wurde er in die Normandie versetzt. Seine Kriegserlebnisse schilderte er zuletzt 2003 in den im heimatlichen Ehrenberg-Verlag erschienenen Kriegserinnerungen. Persönliche Aufzeichnungen von 1942 bis 1945, in denen seine Parteimitgliedschaft jedoch unerwähnt bleibt.[8]

Nach d​er Niederlage d​es NS-Staates w​urde Bitterlich w​egen seiner illegalen Mitgliedschaft i​n der NSDAP zunächst a​us dem öffentlichen Dienst entlassen. Aus wirtschaftlicher Not z​og er m​it seiner Familie z​u seinen Eltern n​ach Salzburg. Doch bereits 1948 konnte e​r in s​eine Stellung a​ls Forstmeister d​er ÖBf zurückkehren. Er profitierte d​abei von d​er Änderung d​es Nationalsozialistengesetzes i​m Vorjahr, d​urch die d​as Datum d​es Parteibeitritts weitgehend irrelevant w​urde und e​ine neue Kategorie „Minderbelasteter“ geschaffen wurde.[9]

Wissenschaftskarriere

Bereits a​ls privater Forstarbeiter b​ei der Krupp’schen Gutsverwaltung i​n Blühnbach i​m Übergangsjahr 1946 probierte Bitterlich Ideen z​ur Winkelzählprobe aus,[4] d​ie er z​wei Jahre später publizierte u​nd 1949 b​eim Weltforstkongress i​n Helsinki vorstellte u​nd zunächst b​ei der Firma Optimar, a​b 1962 d​ann mit seinem Unternehmen „Feinmechanische Optische Betriebsgesellschaft“ kommerzialisierte.[3] Dort arbeitete e​r in d​en Folgejahren a​n weiteren optischen Messgeräten für Forstwirtschaft u​nd Militär w​ie der Winkelzählprobe, d​en Bitterlichstab, d​en Spiegel- bzw. Telerelaskopen, d​em Tarifmesswinkel u​nd einer optischen Baummesskluppe.

Auch 1949 w​urde Bitterlich a​n der Hochschule für Bodenkultur Wien z​um Dr. nat. tech. promoviert.[10] 1967 kehrte e​r einem Ruf folgend a​ls ordentlicher Professor u​nd Leiter d​es Instituts für Forstliche Ertragslehre a​n seine alma mater zurück.[3] Nach seiner Emeritierung 1978 veröffentlichte e​r sein Hauptwerk, The Relascope Idea. Relative Measurements i​n Forestry.

Ehrungen

Bitterlich w​ar Ehrenbürger v​on Nashville, Tennessee[3] u​nd Ehrenmitglied d​es Tiroler u​nd des amerikanischen Forstvereins.[4] Er w​ar seit 1971 Ehrenmitglied d​es amerikanischen Forstvereins. Er t​rug das goldene Ehrenzeichen d​es Landes Salzburg, d​ie gleichfarbige Verdienstmedaille d​er Gemeinde Reutte[11], d​as Ehrenkreuz für Wissenschaft u​nd Kunst I. Klasse[3] u​nd der Kaplan-Medaille d​es Österreichischen Erfinderverbandes.[10] Seit 2004 z​eigt eine Dauerausstellung i​m Walderlebniszentrum Füssen e​ine Auswahl seiner Unterlagen u​nd Geräte.[11]

Bitterlich w​ar mit Ilse, geborene Hauptmann, verheiratet. Das Ehepaar h​atte zwei Söhne u​nd zwei Töchter.[2] Walter Bitterlich s​tarb am 9. Februar 2008 i​n seinem Geburtsort Reutte i​n Tirol.

Veröffentlichungen

  • Die Winkelzählprobe, Dissertation, Wien 1949.
  • Waldertragslehre, nach Vorlesungen Bitterlichs zusammengestellt von Julius Marschall, Wien 1973.
  • als Bearbeiter: Holzmeßlehre. Lehrbehelf für die Studienrichtung Forst- und Holzwirtschaft, Wien 1974.
  • The Relascope Idea. Relative Measurements in Forestry, London 1984, ISBN 0-85198-539-4.
  • Logik Leben. Denkanstöße auch im Namen vieler, die nicht mehr sprechen können, Salzburg 1986.
  • Die ersten 13 Monate. Erlebnisberichte aus dem Zweiten Weltkrieg, Salzburg 1996.
  • Kriegserinnerungen. Persönliche Aufzeichnungen von 1942 bis 1945, Reutte 2003, ISBN 3-901821-03-1.[8]

Literatur

  • Benno Hesske: Dr. Walter Bitterlich 80. In: Allgemeine Forstzeitschrift (AFZ). 43. Jahrgang, Heft 07/1988, ISSN 0002-5860, S. 159.
  • Albert Scharbach: Nachruf Prof. Walter Bitterlich In: Forst und Holz 63, Heft 5/2008, S. 49.
  • Albert Scharbach: Über den Rand, Walter Bitterlich 1908–2008 In: Walter Bitterlich Spezial S. 9, österr. Forstzeitung 03-2008.

Einzelnachweise

  1. Weltbekannter Professor Bitterlich verstorben. In: ORF.at. Österreichischer Rundfunk, 10. Februar 2008, abgerufen am 3. September 2021 (österreichisches Deutsch).
  2. http://www.proaxis.com/~johnbell/itp/itpbitterlich_more.htm (Memento vom 13. November 2010 im Internet Archive)
  3. Horst Kramer: Professor Dr. Walter Bitterlich 80 Jahre. In: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung. 159. Jahrgang, 1988, S. 74. ISSN 0002-5852
  4. Ehrenmitgliedschaft für Prof. Dr. Bitterlich. Der Tiroler Fortstverein würdigt einen herausragenden Forstmann vom 28. Juni 2006
  5. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/3091358 auf der Mitgliedskarte ist die zum Eintrittsdatum nicht passende Nummer 511.075 durchgestrichen und die neue Nummer eingetragen
  6. Profil. Band 41. Verlagsgruppe News, Wien März 2010, S. 41 (Anriss bei Google Books [abgerufen am 3. September 2021]).
  7. Maria Wirth: Personelle (Dis-)kontinuitäten im Bereich der Österreichischen Bundesforste/Reichsforstverwaltung 1938 – 1945 – 1955. S. 108, doi:10.7767/boehlau.9783205790419.15. in: Oliver Rathkolb, Maria Wirth, Michael Wladika: Die "Reichsforste" in Österreich 1938-1945: Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung : Studie im Auftrag der Österreichischen Bundesforste AG. Böhlau Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-205-78482-1, S. 14121 (google.de [abgerufen am 3. September 2021]).
  8. Walter Bitterlich: Kriegserinnerungen: persönliche Aufzeichnungen von 1942 bis 1945. Ehrenberg-Verlag, 2003, ISBN 978-3-901821-03-5 (google.de [abgerufen am 3. September 2021]).
  9. Dieter Stiefel: Entnazifizierung in Österreich. Europaverlag, München 1981, ISBN 978-3-203-50760-6 (google.de [abgerufen am 3. September 2021]).
  10. Horst Kramer: Zur Vollendung des 90. Lebensjahres von Professor Bitterlich. In: Forst und Holz. 53. Jahrgang, Heft 03/1998, S. 92.
  11. Wie eine Idee vor fünfzig Jahren die Forstwirtschaft revolutionierte; Allgäuer Zeitung, 26. Dezember 2004 abgerufen am 3. September 2021
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