Wadada Leo Smith
Ishmael Wadada Leo Smith (* 18. Dezember 1941 in Leland, Mississippi) ist ein US-amerikanischer Trompeter, Komponist und Musikwissenschaftler, der hauptsächlich in den Bereichen des Creative Jazz und der Neuen Improvisationsmusik tätig ist. Nach Steve Lake verfügt er über eine der individuellsten Trompetenstimmen der amerikanischen Jazz-Avantgarde. Neben Lester Bowie – mit allerdings wärmerem, runderem Sound als dieser – „gilt er als wichtigster Trompeter der Chicago-Avantgarde und gewissermaßen als deren Poet.“[1] Nach Ansicht von Bert Noglik strebt er, eng verbunden mit Jazz-Avantgardisten wie Anthony Braxton und Leroy Jenkins, „nach musikalischer Erneuerung aus dem Geist der afroamerikanischen Tradition. Dabei arbeitet er kontinuierlich an der Verknüpfung musiktheoretischer Forschungen mit einer facettenreichen Spielpraxis.“[2]
Leben und Wirken
Smith erhielt zunächst Musikunterricht durch seinen Stiefvater, den Bluessänger und -gitarristen Alex „Little Bill“ Wallace. Er erlernte sein Hauptinstrument während der Highschool und vertiefte seine formelle Musikausbildung während seines Wehrdienstes 1963. Er spielte zunächst Schlagzeug, Mellophon und Frenchhorn, bevor er sich auf die Trompete konzentrierte. Er spielte in Rhythm & Blues-Bands und zog 1967 nach Chicago, wo er bereits im selben Jahr Mitglied der Chicagoer AACM wurde. Gemeinsam mit Leroy Jenkins und Anthony Braxton gründete er das Trio Creative Construction Company. 1971 entstand sein Plattenlabel Kabell. In den frühen siebziger Jahren gründete er die Band New Dalta Ahkri, in der Henry Threadgill, Anthony Davis und Oliver Lake spielten (Wildflowers, 1976).
Während der 1970er studierte er Musikethnologie an der Wesleyan University. Bereits in dieser Zeit entwarf er Konzepte für Soloauftritte und gesteuerte Kollektiv-Improvisationen und erweiterte, trotz deutlichen Wurzeln in der Tradition, das Vokabular des Instruments um abstrakte Klangfarben.[3] Er spielte wieder mit Anthony Braxton, nahm aber auch mit Derek Bailey's Company und Gunter Hampel auf. 1979 bis 1982 spielte er im Trio mit Peter Kowald und Günter Baby Sommer, das zu einer sehr offenen Spielform fand. 1983 entstand im Duo mit Ed Blackwell das Album The Blue Mountain’s Sun Drummer. Mitte der 1980er wurde Smith Rastafari and nutzte erstmals den Namen Wadada. Um 1990 spielte er regelmäßig in New York City mit Jeanne Lee. Zusätzlich zu Trompete und Flügelhorn, die er auch elektronisch verfremdet, nutzt Smith Instrumente aus anderen musikalischen Kulturen wie Kalimba, Atenteben (ghanaische Bambusflöte) oder Koto; er hat auch Lehrveranstaltungen über Instrumentenbau durchgeführt. Seine Kompositionen sind häufig in einem eigenen System (Ankhrasmation) graphisch notiert.
John Zorn produzierte das Golden Quartet, eine Supergroup, in der Smith mit Anthony Davis, Malachi Favors und Jack DeJohnette zusammenarbeitete.[4] 1998 veröffentlichte Smith mit dem Gitarristen Henry Kaiser das Album Yo, Miles! als Tribut an den Rockjazz von Miles Davis. Dort spielen Smith, Kaiser und zahlreiche weitere Musiker Coverversionen, aber auch eigene Kompositionen, die von dieser Musik inspiriert sind. In Live-Auftritten wurde dieser Tribut auch mit Musikern des Rova Saxophone Quartet aufgeführt. Seit November 2005 spielt er wieder mit Baby Sommer (zumeist im Duo) zusammen. Im Herbst 2011 wurde in Los Angeles sein großes Werk Ten Freedom Summers uraufgeführt, das über drei Abende geht und neben dem Golden Quartet auch kammermusikalische Elemente enthält.[5] 2012 erschien das gleichnamige Album auf Cuneiform.[6] 2021 folgte das Trioalbum Sun Beans of Shimmering Light (mit Douglas Ewart und Mike Reed), 2021 mit Jack DeJohnette und Vijay Iyer A Love Sonnet for Billie Holiday.
Unter Smiths Einspielungen sind auch die Soloalben Kulture Jazz (1992) und Red Sulphur Sky (2002), ferner Tao-Njia und Golden Heart Remembrance mit seiner ständigen, seit 1970 in Varianten bestehenden Gruppe N'da Kulture hervorzuheben. 2016 legte er America’s National Parks vor 2021 folgte Pacifica Koral Reef.
Smiths Lehrtätigkeiten begannen 1975/76 an der University of New Haven und führten über Lehraufträge am Creative Music Studio in Woodstock (New York) (1975 bis 1978) und am Bard College (1987 bis 1993) 1993 zum Ruf auf den Dizzy-Gillespie-Lehrstuhl am California Institute of the Arts, den er noch innehat.
Preise und Auszeichnungen
Smith gewann 1981 als Trompeter den Kritiker-Poll des Down Beat. 2013 war er mit Ten Freedom Summers Finalist des Pulitzer-Preises.[7]
Literatur
- Christian Broecking: Jeder Ton eine Rettungsstation. Verbrecher, Berlin 2007, ISBN 978-3-935843-85-0.
- Wolf Kampmann (Hrsg.), unter Mitarbeit von Ekkehard Jost: Reclams Jazzlexikon. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-010528-5.
- Martin Kunzler: Jazz-Lexikon. Band 2: M–Z (= rororo-Sachbuch. Bd. 16513). 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3-499-16513-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Martin Kunzler Jazz-Lexikon, S. 1244
- Bert Noglik: Tableaus aus Klang und Stille – Ein Porträt des Trompeters Leo Smith (2015) in Deutschlandfunk
- Vgl. Reclams Jazzlexikon, S. 490
- 2011 gehören zum Golden Quartet Anthony Davis, John Lindberg und Susie Ibarra.
- Larry Blumenfeld Ten Years in Three Nights: A Decade's TriumphWallstreet Journal. 3. November 2011
- Wadada Leo Smith: Ten Freedom Summers bei All About Jazz
- Howard Reich: Pulitzer finalist Wadada Leo Smith symbolizes Chicago jazz power in Chicago Tribune