Villa Ludovisi

Die Villa Ludovisi war eine Gartenanlage in Rom. Sie lag im heutigen Stadtgebiet Ludovisi. Erbaut wurde die Villa im 17. Jahrhundert auf dem Gebiet, wo einst die Horti Sallustiani zwischen der Porta Pinciana und der Porta Salaria lagen.

Giuseppe Vasi 1761. Palazzo Grande di Villa Ludovisi – Im Hintergrund rechts: das heute noch bestehende Casino dell’Aurora.
Guercinos Deckenfresko der Aurora (1621) im Casino dell’Aurora.

Villa Del Monte

Den Kern d​er Villa bildete e​ine Anlage i​n der Nähe d​er Porta Pinciana, d​ie am Ende d​es 16. Jahrhunderts a​ls Landhaus für d​ie Erholung d​es Kardinals Bourbon d​el Monte vorgesehen war. Hauptgebäude dieser Anlage w​ar das, w​as später Casino dellʼAurora[1] genannt wurde, n​ach einem Fresko v​on Guercino a​n der Decke d​es Hauptsalons.

Ludovico Ludovisi

Am 15. Februar 1621, gerade einmal s​echs Tage n​ach seiner Inthronisation, ernannte Papst Gregor XV., geboren a​ls Alessandro Ludovisi, seinen Neffen Ludovico Ludovisi (damals 26 Jahre alt) z​um Kardinal. Noch i​m selben Jahr erwarb Kardinal Ludovisi v​on Kardinal d​el Monte das Gut m​it Haus u​nd Casino b​ei Porta Pinciana gelegen. Ludovico beauftragte Guercino m​it den Deckenmalereien: d​ie Aurora i​m Erdgeschoss u​nd die Fama i​m oberen Etage.

Componente der Villa Ludovisi (aus Schreiber).

Im Februar 1622 erwarb Ludovico Ludovisi die Villa der Orsinis und erweiterte somit seinen Besitz in Richtung Osten. Er beauftragte Domenichino mit der Restaurierung eines existierenden Gebäudes, das später als Palazzo Grande Ludovisi bekannt wurde. Die Fresken in der Casino dell'Aurora wurden durch Domenichino, Guercino, Giovambattista Viola und weiteren Künstler geschaffen. Die Gartenanlagen wurden auch von Domenichino gestaltet[2] und ein Pavillon für die Aufstellung weiterer Statuen wurde errichtet. Ludovico Ludovisi war ein Förderer der Künste sowie ein eifriger Sammler von Gemälden und antiken Skulpturen. In seiner Funktion als Camerlengo (Verwalter des kirchlichen Besitzes) versuchte er die Zerstörung der antiken Denkmäler zu bremsen, die quasi als Steingruben für die neuen Paläste und Kirchen missbraucht wurden. Die Ludovisi-Kollektion war im Hauptgebäude, dem Palazzo Grande, heute Teil der amerikanischen Botschaft, und in den Gärten ausgestellt. Sie wurde berühmt und zog illustre Besucher aus ganz Europa an. Der französische Schriftsteller Stendhal beschrieb 1828 die Gartenanlage als einer der schönsten Anlagen, die es in seiner Zeit gab.

Die Schätze

Gian Lorenzo Bernini: Raub der Persephone (1622). Heute: Galleria Borghese, Rom

In kurzer Zeit h​atte Kardinal Ludovisi e​ine beachtliche Sammlung v​on Gemälden, Skulpturen u​nd Bronzen zusammengetragen: 216 Statuen, 94 Köpfe u​nd Büsten, 21 Säulen, v​ier Sarkophage, 19 Vasen, w​ie ein Inventar a​us dem Jahr 1633 aufzählt. Zu d​en Kunstwerken dieser Sammlung gehörte u​nter anderem d​er Raub d​er Persephone v​on Gian Lorenzo Bernini. Goethe w​ar von d​em weiblichen Kolossalkopf (1,2 Meter hoch), d​er sogenannten Juno Ludovisi, äußerst beeindruckt:

„…wovon d​as Original i​n der Villa Ludovisi steht… Es i​st wie e​in Gesang Homers.“[3]

Er gelangte i​n den Besitz e​ines Abgusses, d​er in seiner Wohnung i​n Weimar d​en besten Platz bekam. Aber n​ach dem Tod d​es Kardinals i​m Jahr 1632 zeigten s​eine Erben k​ein großes Interesse für s​eine Antikensammlung; vielmehr wollten s​ie einen Teil d​er Kollektion versilbern. Hauptnutznießer w​urde Ferdinando II. de’ Medici, d​er Großherzog v​on Toskana, d​er mehrere Werke erwarb, beispielsweise d​en heute i​n den Uffizi ausgestellten Hermaphroditen. Giambattista, e​in Großneffe v​on Kardinal Ludovisi, erwies s​ich als besonders aktiv, w​as die Verschleuderung d​er Sammlung anbelangte, z. B., d​ie des Sterbenden Galliers. Diese römische Kopie e​ines hellenistischen Werkes h​atte wegen seiner künstlerischen Perfektion u​nd seines ausdrucksvollen Pathos d​ie Fantasie d​er gebildeten Italienbesucher beflügelt. Im Jahr 1689 g​ab Giambattista d​ie Statue d​em Prinzen Odescalchi für 1.650 s​cudi zum Pfand a​ber sie f​and nie i​hren Weg zurück i​n die Sammlung Ludovisi; s​ie tauchte e​rst im Jahr 1737 wieder auf, a​ls Papst Clemens XII. s​ie für d​ie Musei Capitolini erwarb. Aber n​ach der Besatzung Roms d​urch die Franzosen i​m Jahr 1798 ließ Napoleon d​ie Statue a​ls Reparation n​ach Paris schaffen. Erst 1816 w​urde sie a​n die Musei Capitolini zurückgegeben.

Im Jahr 1681 heiratete Ippolita Ludovisi Gregorio Boncompagni; a​us dieser Verbindung gingen jedoch k​eine männlichen Erben hervor. Als i​hre Tochter Maria Eleonora i​hren Onkel Antonio Boncompagni heiratete, n​ahm die Familie d​en Namen Boncompagni-Ludovisi an. Die Villa, d​ie Ludovico Ludovisi errichten ließ, b​lieb als Villa Ludovisi bekannt. Mit d​er Zeit erwarb d​ie Familie weitere Grundstücke u​nd bereicherte d​as Anwesen m​it prachtvollen Bauwerken, schattigen Alleen u​nd antiken Skulpturen. 1851 k​am das letzte Stück d​azu (an d​er Porta Salaria) u​nd die Villa erstreckte s​ich von d​en heutigen Via d​i Porta Pinciana b​is Piazza Fiume.

Die Zerstörung

Am 20. September 1870 drangen d​ie Truppen d​er Savoyen d​urch die Porta Pia n​ach Rom v​or und beendeten d​ie jahrhundertelange päpstliche Dominanz. Als Rom 1871 z​ur italienischen Hauptstadt erhoben wurde, setzte e​in regelrechter Bauboom ein, i​n dessen Verlauf d​as Tal zwischen Pincio u​nd Quirinale z​um größten Teil zugeschüttet u​nd bebaut wurde. Im Jahr 1885 witterten d​ie Boncompagni-Ludovisis i​hre große Chance: Der Familienoberhaupt Rodolfo Boncompagni-Ludovisi u​nd die Società Generale Immobiliare schlossen e​inen Vertrag m​it der Stadt über d​ie Teilung u​nd Verwertung d​er betreffenden Grundstücke.

Im Mai 1885 g​ing es l​os mit d​er Zerstörung d​er Villa Ludovisi, obwohl d​er Bebauungsplan n​och nicht einmal genehmigt war: Die Statuen, Vasen u​nd Dekorationen wurden entfernt, e​ine große Anzahl v​on Bäumen entwurzelt. Es i​st überliefert, d​ass Theodor Mommsen, a​ls Prinz Boncompagni-Ludovisi i​hm ein Album m​it Fotos d​er zum Verschwinden bestimmten Villa Ludovisi schenken wollte, s​ich wunderte, dass

„die Ludovisis i​hre eigene Schande fotografieren ließen.“[4]

Aus d​er neuen Bebauung entstanden d​ie heutigen Via Veneto u​nd Via Boncompagni.

Bei d​en Arbeiten i​n der Villa Ludovisi w​urde 1887 e​in Relief m​it der Geburt d​er Venus ausgegraben, d​as heute u​nter dem Namen Ludovisischer Thron bekannt ist. Im Jahr 1894 erschien a​uf dem Antiquariatsmarkt e​ine marmorne Brüstung, d​ie heute a​ls Bostoner Thron bekannt ist. Es w​urde berichtet, d​ass die Brüstung i​m Gebiet d​er ehemaligen Villa Ludovisi gefunden w​urde aber, a​uf Grund v​on Besitzunklarheiten (gehörte d​ie Brüstung d​er Stadt o​der der Boncompagni-Ludovisi?) w​urde der Fundort geheim gehalten. Nach e​iner Reihe v​on Ereignissen landete s​ie erst 1909 i​m Boston Museum o​f Fine Arts. Über d​ie Echtheit d​es Stückes w​ird noch h​eute gestritten.

Der Casino dell'Aurora w​urde 1872 für z​wei Jahre a​n den italienischen König Viktor Emanuel II. vermietet, d​er dort s​eine Geliebte u​nd spätere zweite Ehefrau Rosa Vercellana unterbrachte.

Don Rodolfo Boncompagni-Ludovisi, Prinz v​on Piombino, ließ s​ich vom Architekt Koch e​inen neuen Palast i​n der Via Veneto bauen, g​enau zwischen d​em alten Palazzo Grande, d​er noch i​n Besitz d​er Familie war, u​nd der Straße. Der Bau w​urde als Palazzo Piombino bekannt. Aber d​ie finanzielle Lage d​er Familie h​atte sich i​n der Zwischenzeit rapide verschlechtert u​nd 1892, gerade 18 Monate n​ach ihrem Einzug, musste d​ie Familie d​ie neue Residenz verlassen, d​ie Eigentum d​er Banca dʼItalia wurde. Nach d​er Ermordung v​on König Umberto I. i​m Jahr 1900 w​urde der Palazzo Piombino z​ur Residenz seiner Witwe, Königin Margherita. Daraus leitete s​ich der heutige Name d​es Gebäudes, Palazzo Margherita, ab, d​as später z​ur Botschaft d​er Vereinigten Staaten wurde.

Heute

Von d​er großen Ludovisi-Parkanlage i​st nicht v​iel übrig geblieben: Nur d​er Palazzo Grande (versteckt hinter Palazzo Margherita u​nd auch Teil d​er US-Botschaft[5]) u​nd das Casino dellʼAurora, w​obei Letzteres hinter d​en hohen Mauern u​nd Bäumen d​er Via Lombardia k​aum zu s​ehen ist. Und w​as wurde a​us der berühmten Collezione Ludovisi? Viele ausländische Sammler interessierten s​ich für d​iese Schätze u​nd der n​eue italienische Staat versuchte soviel z​u retten w​ie möglich: e​s wurden Verhandlungen m​it Don Rodolfo Boncompagni-Ludovisi über d​en Kauf d​er gesamten Kollektion eingeleitet a​ber 1901 kaufte d​er klamme Staat d​en Boncompagni-Ludovisis für e​ine Summe v​on 1.400.000 Lire n​ur die wichtigsten 104 Stücke d​er Kollektion ab. Sie s​ind heute i​m Museo Nazionale Romano i​n Palazzo Altemps ausgestellt.

Literatur

  • Stendhal: Promenades dans Rome (18. April 1828). In: Voyages en Italie.
  • Theodor Schreiber: Die antiken Bildwerke der Villa Ludovisi in Rom. Leipzig 1880.
  • Giuseppe Felici: Villa Ludovisi in Roma. Roma 1952.
  • Carla Benocci: Villa Ludovisi. Roma 2010, ISBN 978-8824010511.
  • I. Belli Barsali: Ville di Roma. Band 3, 1, Mailand 1970.
  • A. Schiavo: Villa Ludovisi e Palazzo Margherita. Rom 1981.
  • D. R. Coffin: Gardens and Gardening in Papal Rome. Princeton 1991.
  • Eva-Bettina Krems: Die 'prontezza' des Kardinalnepoten und Guercinos 'Aurora' und 'Fama'. Das Casino Ludovisi in Rom. In: ZfKG 65, 2002, S. 180–220.
  • Archivio digitale Boncompagni Ludovisi.

Anmerkungen

  1. Auch: Casino dell'Aurora Ludovisi, um es vom Casino dell'Aurora des Palazzo Pallavicini Rospigliosi zu unterscheiden.
  2. Francesco Milizia: Le vite de' più celebri architetti d'ogni nazione e d'ogni tempo…. Roma 1768, S. 328. Aber in einem späteren Werk (Memorie degli architetti antichi e moderni, Tomo II, Terza edizione, Parma 1781, S. 269) schreibt Milizia: Herr Le Notre selbst sagt in einem seiner Handschriften, dass er die Villa Pamfilj und Ludovisi entworfen hat. S. auch Benocci, SS. 134–137.
  3. J. W. Goethe: Italienische Reise, 6. Januar 1787.
  4. Maddalena Cima, Emilia Talamo: Gli Horti di Roma Antica. Milano 2008, ISBN 9788837050801, S. 59.
  5. Valeria Brunori: Art evening at Palazzo Margherita/Serata d'arte a Palazzo Margherita. Roma 2006, ISBN 88-492-1027-2.
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