Villa Gemmingen
Die Villa Gemmingen ist ein historistisches Adels-Palais am Villenhang der Karlshöhe in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart.
Der Bau weist Formen eines spätbarocken Lustschlosses auf. Das gesamte Anwesen wurde 1910–1911 nach einem Entwurf der Stuttgarter Architekten Albert Eitel und Eugen Steigleder errichtet, die sich bei der Geländegestaltung an italienischen Terrassengärten der Renaissance orientierten. Bauherrn waren der Hauptmann a. D. und königliche Kammerherr Fritz Freiherr von Gemmingen-Hornberg (1860–1924) und seine Ehefrau Dora Freifrau von Gemmingen-Hornberg, eine Tochter des 1905 verstorbenen Stuttgarter Chemie-Unternehmers Gustav Siegle.[1][2] Für den Neubau wurden zwei ältere Villen abgebrochen.
Architektur
Die Villa liegt in ausgezeichneter Wohnlage am südlichen Fuß der Karlshöhe auf dem Grundstück Mörikestraße 12. Ein langer Zugang führt von der Straße zum weit nach hinten versetzten Anwesen. Wird das Grundstück über den Hauptzugang (Fahrstraße) betreten, fällt der Blick bald auf die südliche Breitseite des Baus, die allein bereits imposant wirkt. Die Villa liegt aufgrund des Höhenunterschieds zur Straße bereits auf halber Höhe der Karlshöhe. Um 90° nach Westen gedreht liegt die repräsentative Gartenfassade der Villa. Hier wird die Erhabenheit des Anwesens erkennbar. Der zwei- bis dreigeschossige Bau trägt ein Mansard-Walmdach. Das Gebäude hat regelmäßig ausgerichtete Fassaden. Der innere längs-axiale Mitteltrakt weist ein räumliches Oval aus, das durch zwei unterschiedlich lange Seitenflügel flankiert wird.[3]
Die Eingangs- und Gartenfassade sind symmetrisch ausgerichtet. Der Mittelrisalit der Gartenfassade ist ein halbrunder Rondellsaal, der sich über eine geschwungene flache Freitreppe erschließt und ein Kuppeldach aufweist. Die Seitenrisalite springen vor und stützen sich auf Säulen. Davor liegt eine große, mit Steinmauern eingefriedete Terrasse mit Schwimmbassin. Die nördliche Gartenseite bietet ein Wandeln unter lichten Arkaden. Ähnlich wie bei der Villa Bosch auf der Stuttgarter Gänsheide wurden für Stil und Grundriss des Anwesens untypische Ausführungen gewählt. Der Mittelrisalit weist eine Balustrade und vielfältigen plastischen Schmuck auf. Besondere künstlerische Bedeutung erlangt das Anwesen aufgrund sorgfältiger Ausgestaltung, die bis in kleinste Details durchdringt. Anerkannte bildende Künstler, wie Josef Zeitler, Emil Epple oder Jakob Brüllmann, vollendeten die Villa zu einem Gesamtkunstwerk.[4] Das Gebäude war von Beginn an mit einem Personenaufzug ausgerüstet. Die ehemalige Holzkabine des von der Maschinenfabrik Adolf Zaiser gelieferten Aufzugs, ist heute im Aufzugmuseum in Mannheim-Seckenheim ausgestellt.[5]
Das Bauwerk erinnert mit seiner Westfront an die beiden von Philippe de La Guêpière für Herzog Carl Eugen errichteten Lustschlösser Monrepos und Solitude.
Nebengebäude und Peripherie
Die Villa erreicht man, indem der Torbogen eines von mehreren Wirtschaftsgebäuden durchquert wird. Es handelt sich dabei um ein versetzt angelegtes Gebäudeensemble. Es gibt die Möglichkeit, über eine Fahrstraße oder über einen Treppenaufgang die Villa zu erreichen. Von der Fahrstraße biegt ein kurviger Treppenzugang zum Plateau der Gartenanlage. Ostseits erreicht man einen Zaun, der das Grundstück von einem der öffentlichen Zugänge zur Karlshöhe abgrenzt.
Geschichte
Im 18. Jahrhundert standen nur wenige Weinberghäuschen an der Karlshöhe. Die Oscar-Heiler-Staffel und die Willy-Reichert-Staffel zeugen noch von der weinbäuerlichen Prägung des Gebiets. Von vielen später gebauten, prachtvollen Villenanlagen sind heute nur wenige erhalten. Die Villa Gemmingen hat den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden und verfügt noch heute über die originale Ausstattung. Nach 1945 war sie Sitz der Besatzungsmacht, später des Polizeipräsidenten und schließlich des Wirtschaftskontrolldienstes. Als das Anwesen vom Abriss bedroht war, wurde es 1982 durch die Sanierungsinitiative einer Architektengemeinschaft erhalten. Die Villa Gemmingen war in der Folge für zwei Jahrzehnte (bis 2002) Sitz des Landesdenkmalamtes und wurde seitens der Gemeinde Stuttgart an Behörden weitervergeben. Die Erhaltung des Anwesens stand dabei im Vordergrund.[6] Heute wird das Gebäude privat genutzt.
Literatur
- Casimir Hermann Baer: Das Haus Fr. von Gemmingen in Stuttgart von den Architekten Eitel & Steigleder, Stuttgart. In: Moderne Bauformen, 12. Jahrgang 1913, Seite 43–64.
- Christine Breig: Der Villen- und Landhausbau in Stuttgart 1830–1930. Ein Überblick über die unterschiedlichen Umsetzungen und Veränderungen des Bautypus Villa in Stuttgart. 4., überarbeitete Auflage, Hohenheim Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-89850-964-8, S. 55–56, S. 306. (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Band 84.) (zugleich Dissertation, Universität Stuttgart 1998) (eingeschränkte Vorschau bei Google Bücher)
- Albert Glück (Red.): Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauten 1970/85. München 1984, Seite 7.
- Gert Kähler, Erhard Hehl: Villen und Landhäuser des Kaiserreichs in Baden und Württemberg. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2005, ISBN 3-421-05895-4, S. #.
- Wolfgang Kress (Hrsg.): 50 Jahre Städtisches Lapidarium Stuttgart. Ein Garten voll Charme und Geschichte. Stuttgart 2000, Seite 54–58.
- Harald Schukraft: Karlshöhe, Villa Gemmingen und Lapidarium. In: Elisabeth Szymczyk-Eggert: Gärten und Parks in Stuttgart. Stuttgart 1993, Seite 48–53.
- Werner Skrentny, Rolf Schwenker, Sybille Weitz, Ulrich Weitz: Stuttgart zu Fuß. Silberburg-Verlag, ISBN 978-3-87407-813-9.
- Martin Wörner, Gilbert Lupfer, Ute Scholz: Architekturführer Stuttgart. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-496-01290-0, S. #.
Weblinks
Einzelnachweise
- Christine Breig, S. 378 (vgl. Literatur)
- Skrentny S. 250 (vgl. Literatur)
- Architekturführer Stuttgart, S. 79 (vgl. Literatur)
- Villa Gemmingen abgerufen am 18. Mai 2012
- Lochbühler GmbH Aufzüge Mannheim, Waldkirch KG Verlag-Druck-Agentur, Lochbühler Aufzüge GmbH, Lochbühler Aufzüge: Aufzugmuseum im Wasserturm Seckenheimer Wahrzeichen und Familienunternehmen Lochbühler im Wandel der Zeit. [Neue Ausg.] Auflage. Mannheim, ISBN 978-3-86476-065-5.
- Kritik